Fremdsprachengetümmel und Gedankentreiben

Wir sitzen am Fenster, eine Tasse Tee in der Hand und blicken hinaus in das blendende Nebelhell.
Seit zwei Tagen sprechen Innens in meinem Kopf nun fast ausschließlich in englischer Sprache mit mir. Das ganze in einer Perfektion, zu der ich im Alltag sonst gar nicht in der Lage bin. Was das ausgelöst hat, weiß ich nicht. Schwierig genug schon, die Innens zu verstehen, die mir etwas auf deutsch sagen wollen, muss ich jetzt auch noch dauerübersetzen und „meine eigenen Gedanken“ im Wörterbuch nachschlagen.
Im Nebelgrauhelligkeits- und Schneedächerschauen ziehen sie an mir vorbei, die letzten zwei Wochen.
Weihnachten, Feiertage, Vollmond, Rauhnächte, Silvester, Neujahr, Hl. drei Könige.
Anstrengendes und Verstörendes.
Schmerzende Klarheit.
Überlebenskämpfe.
Und zwischendrin packt mich die Wut, auf all die, die nicht zuhören und nicht glauben, Gegebenheiten Lügen nennen und damit Teil der Täterschaft sind. Auf all die sogenannten Helferinnen, Therapeuten und anderen Übermenschen die in ihrer Arroganz meinen sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen und müssen nicht zuhören, weil Sie wissen, was wichtig und richtig ist, obwohl sie vom Leben in diesen Strukturen keine Ahnung haben. Und ihre Arroganz und Respektlosigkeit wäre Ihnen ja vergönnt, wenn sie damit nicht genau den Tätern in die Hände spielen und es für die Opfer noch schwerer, bis unmöglich machen würden auszusteigen.
Manchmal ist es schwer, nicht auszurasten, wenn wir in unserer Arbeit als Angestellte in einer sozialen Einrichtung versuchen dezent in einem Vieraugengespräch mit der Therapeutin zwischen ihr und einer Betroffenen zu vermitteln, wenn jemand etwas aufgrund seines Hintergrundes nicht machen kann, weil davon auszugehen ist, dass es innere Programme gibt, die das verhindern und es spezielle Lösungen braucht und wir dann von Seiten der Therapeutin sofort nach unserer Befugnis oder unserem Abschluss gefragt werden, eine derartige Einschätzung vorzunehmen.
Wir brauchen nicht studieren, um zu wissen, wie sich ein Opfer fühlt und wir brauchen keine Ausbildung, um zu wissen wie man programmiert. Ich bin nicht die Therapeutin und ich Maße mir nicht an es zu sein, aber wir wissen etwas zu den Hintergründen, was für die Therapie sehr wichtig sein kann. Wir haben es schlicht erlebt und wir hören einfach zu, was Menschen uns erzählen. Keine noch so gute Ausbildung ersetzt ein offenes Ohr und ein offenes Herz, weil es das ist, was heilt.
Hoffnung macht nur, dass es die leider viel zu seltenen Momente durchaus gibt, in denen es anders läuft und gute Lösungen gefunden werden.
Nebelgrau.
Die Wut zieht weiter.
Was bleibt ist der Schmerz.
Paradox, dass es die eisige Kälte des Schnees ist, die das Leben davor bewahrt zu erfrieren.

6 Kommentare zu “Fremdsprachengetümmel und Gedankentreiben

  1. Bedauerlicherweise ist Expertenwissen seit so langer Zeit verschrien, dass heute viele annehmen es bräuchte unbedingt eines Zettels mit Signum und kluger Bücher.

    Nicht entmutigen lassen, nicht alle in den Hilfen sind so.

  2. Finde soviel an eigenem Erlebten wieder in dem was Ihr hier geschrieben habt. Gegenüber Therapeuten/innen bleibt eher begründetes Misstrauen, finde auch im Helfersystem oft täterkonformes Verhalten wieder.

  3. Hinsichtlich Therapien habe ich die Erfahrung gemacht, je mehr ich/wir wusste/n was ich/wir brauche/n, desto leichter war es Hilfe zu erhalten. … Mein Grund des Kommentars war aber, dass ich über die Tatsache, dass du deine „eigenen“ englischsprachigen „Gedanken“ im Wörterbuch nachschlagen musstest, sehr lachen konnte – vor allem weil ich das eben auch schon erlebt habe. Allerdings dauerte meine englische Innenkonversation noch nie so lange an. Bin aber immer wieder begeistert, wie gut irgendjemand innen englisch spricht. Wenn ich im außen diese Sprachkenntnisse benötige, sollte ich jedoch den Zuflüsterungen innen vertrauen, statt mich nichts sagen trauen, weil ich es eben nicht verstehe. … lerne ich auch noch … danke fürs berichten, so konnte ich mich erkennen.
    Beste Grüße
    Benita Wiese (Pseudonym)

    • Hallo,
      freut uns, dass wir euch ein Lachen schenken konnten. 🙂
      Zuflüsterungen, wenn man die Sprache braucht wären tatsächlich klasse. Da muss ich noch ein bisschen dran feilen. Meistens sind sie grade dann weg. 😉

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