Ausstieg, Vernetzungen und Religionszugehörigkeiten

In letzter Zeit fällt uns auf, dass immer mehr Menschen mit Dissoziativer Identitätsstörung und selbst angebenem „Ausstiegshintergrund“ öffentlich in irgendwelchen Kirchen, Gruppen oder Sekten aktiv sind. Angeblich unabhängig von ihrer Geschichte. Als etwas neues, harmloses das Sinn gibt.

Wir sind selber gläubig.
Mit aller Freiheit.
Ohne jede Kirchenzugehörigkeit, da wir diese aufgrund unserer Erfahrungen für uns ablehnen.
Kirchen – egal wie frei man ein und austreten kann – sind immer Machtstrukturen.
Kirchen haben mit Glauben nichts zu tun.

Glaube kann heilen und heilsam sein. Er kann halt und Sinn geben. Das belegen auch neuere Studien, allerdings nur dann, wenn er wirklich völlig frei ist und von positiven Vorstellungen geprägt ist. So konnte auch nachgewiesen werden, dass negative Glaubensvorstellungen, wie etwa ein strafender Gott oder eine leidgeprägte Gesellschaftsstruktur, die Heilung behindern.

Wir finden es völlig legitim und wichtig die „Glaubensfrage“ nach einem Ausstieg frei zu entscheiden, möchten hier aber folgendes zu bedenken geben, um nicht unbewusst in eine Reinszenierung zu rutschen:
– Was sagt dein Bauch dazu?
– Schau dir das System in das du eintrittst genau an. Tust du es wirklich freiwillig, bzw. wie frei ist das System wirklich?
– Hast du auch mal nach den Negativ-Stimmen dazu gesucht? Nicht alles was man findet muss stimmen. Wichtig ist trotzdem auch diese Seiten in eine Entscheidung mit einzubeziehen. Meistens spiegeln sie zumindest einen wahren Kern.
– Könnte es sein, dass du eintreten willst, weil dir etwas daran bekannt vorkommt oder es irgendetwas oder jemanden in dir dort hinzieht, das/den du vielleicht noch nicht genau kennst, dann warte lieber!
– Trittst du ein, weil dir der Glaube oder die Botschaft gefällt oder weil du dort Halt findest und klare Strukturen?
– Kennst du dort wirklich alles!? Auch die „Chefetagen“ und wie es dort zugeht? Was passiert, wenn du nicht funktionierst?
– Geben die dort aufgestellten Lebensregeln wirklich halt oder schaffen sie dir nur Erleichterung, weil sie dich von deiner eigenen Verantwortung eine Entscheidung zu treffen, wie Leben für dich selbst und zwar nur für dich selbst richtig ist, entbinden? Entscheidungen treffen gehört zur Heilung, auch wenn es schwer ist, das zu lernen. Eine gute Gemeinschaft nimmt dir keine Entscheidungen ab, sie unterstützt dich höchstens deine eigene zu finden OHNE dich zu beeinflussen!
– Wenn du die Gemeinschaft magst – könntest du Sie genau so haben, wenn du nicht beitreten würdest und etwas anderes glaubst?
– Wären die Menschen dann immer noch für dich da? In Freiheit sollte das möglich sein!
– Wird für soziale Dienste oder Hilfe dir gegenüber irgendetwas und wenn es noch so klein ist, als Gegenleistung verlangt? Sollst du Gottesdienste besuchen oder etwas „einfach mal durchlesen“?
– Wie reagieren die Menschen, wenn du Ihnen sagst, dass du sie als Mensch schätzt, aber von ihrer Glaubenssicht nichts hören willst? Normalerweise hat man damit kein Problem und kann das tolerieren.
– Kommen im neuen „Vokabular“ die begriffe Sünde, Schuld und Leid vor? Schuld bindet und macht abhängig. Denn wenn man schuldig ist oder sich so fühlt, muss man etwas tun, um es nicht mehr zu sein. Du bist aber nicht schuld. Nicht früher und auch nicht jetzt. Du kannst höchstens die Verantwortung für manche Dinge übernehmen, aber das ist etwas anderes… Deine Leidensfähigkeit und die Größe deines Leidens entscheidet nicht darüber, wie gläubig du bist oder wie gut du bist! Es darf dir richtig gut gehen, ohne dass du dich dafür schuldig fühlst!
– Gibt es Menschen, die mehr oder weniger zu sagen haben? Wenn man sich auf Augenhöhe begegnet, sagt keiner dem anderen, wie, wo oder wann er etwas zu tun hat, sondern es ist ein gleichberechtigter Austausch. Zählt deine Meinung?
– Kannst du dir alle Zeit der Welt mit deiner Entscheidung dafür oder dagegen lassen?
– Bedenke, dass etwas noch lange nicht ungefährlich ist, nur weil es ganz offen und vielleicht sogar öffentlich kommuniziert wird!
– Denke daran, dass die Gefahr in eine negative Gruppe oder Gemeinschaft verstrickt zu werden, so groß ist, weil das häufig subtil und quasi „beiläufig“ abläuft und es schon zu spät sein kann, wenn man merkt, was hinter dem „sozialen Netzwerk“ steckt!
– Schalte deinen Kopf nicht aus, nur weil mit irgendetwas ein wunder Punkt deiner Seele gelindert wird!
Das waren spontan die Punkte, die uns wichtig erscheinen. Es gibt sicher noch weitere. Eine Sektenchekliste findest du z.B. auch hier. Bereits bei einem „Ja“ ist Vorsicht geboten.

Wenn es um Hilfsorganisationen geht, die nicht selten sogar speziell für Menschen mit Dissoziativer Identitätsstörung eingerichtet sind und du mitbekommst, dass Mitglieder oder sogar Vorstände in einer Kirche, Sekte oder Gemeinschaft sind, sei extrem vorsichtig! Bedenke die Möglichkeit, dass sie unter Umständen leider genau nach dir suchen, weil sie wissen, wie labil und subtil zu beeinflussen multiple Systeme durch ihre Geschichte für deren Zwecke sind. Auch wenn sie sich als selbst von Multipler Persönlichkeitsstörung Betroffene outen heißt das noch lange nichts! Erinnere dich an deine eigenen Erfahrungen. Ein niederes Mitglied hat in der Regel nicht die Möglichkeit eine Sache selbstständig zu leiten und schon gar nicht frei von der dahinterstehenden Gruppierung. Ein höheres Mitglied wäre kein höheres Mitglied, wenn es nicht gut für die Gruppe, Kirche oder Sekte arbeiten würde! Pass auf dich auf, auch wenn die Kirche noch so frei scheint oder die Gruppe noch so harmlos. Freikirchen sind nicht automatisch frei, nur weil das Wort in ihrem Namen vorkommt. Oft werden Gruppen wie z.B. die „Zeugen Jehovas“ in der Gesellschaft mittlerweile als harmloser Verein dargestellt. Das sind sie nicht! Lies berichte von Aussteigern.
Unter dem Gesichtspunkt der Zugehörigkeit von Mitgliedern und Vorständen sehen wir auch Einrichtungen wie etwa den „Bunten Ring“ kritisch und mit Vorsicht. Die Meinung dazu muss sich jeder selbst bilden. Wir kennen die Einrichtung nicht und auch nicht deren Qualität und erlauben uns deshalb keine Einschätzung. Hinterfragen würden wir dennoch.
Es gibt sicher mehr Beispiele von Gruppen, Sekten, Kirchen, Glaubensgemeinschaften und Vereinen, als wir hier aufgeführt haben. Die Nennung zweier Namen soll nicht bedeuten, dass wir explizit und ausschließlich davon sprechen oder sie als besonders schlecht oder kritisch einstufen! Sie dienen nur als ein Beispiel für etwas, das wir persönlich hinterfragen.

Wenn du nicht weißt, wie du dich entscheiden sollst, entscheide dich lieber einmal zu viel dagegen, als einmal zu viel dafür.
Es wäre schade um dich! Du bist so weit gekommen!
Pass auf, dass du nicht vom Regen in die Traufe kommst!

Wir haben für uns entschlossen persönliche Kontakte mit Menschen in irgendwelchen Gemeinschaften die wir nicht durchblicken aus Vorsicht abzulehnen und sind glücklich darüber. Es gibt genug freie Menschen mit denen man Freundschaften und Bekanntschaften pflegen kann.

10 Kommentare zu “Ausstieg, Vernetzungen und Religionszugehörigkeiten

  1. ich bin ein bisschen irritiert, dass Du offenbar über mehrere Menschen Bescheid weißt, die mit einer DIS öffentlich in Sekten/Kirchen/Gruppierungen aktiv sind… Wie bekommst Du das mit? Hast Du Beispiele, die ich nachlesen/anschauen könnte? Danke und liebe Grüße!

    • Hallo Paulines,
      zunächst weiß ich auch nicht mehr, als das was ich im Internet teilweise lese, das was ich selbst erinnere und das, was ich derzeit persönlich und von anderen Aussteigern mitbekomme. Aktueller Auslöser diesen Beitrag zu verfassen, war eine Begebenheit in einer Beratungsstelle, wo uns bei der Suche nach Vernetzung der Kontakt zu einer Frau angeboten wurde, die selbst an DIS leidet und ganz offen und nach eigenen Aussagen in einer religiösen Gruppierung tätig ist, was uns sehr vorsichtig aufhorchen hat lassen.
      Ansonsten höre ich Begebenheiten, wie Bunte Sterne es beschreiben leider nicht zum ersten Mal.

      Was mein Beispiel mit dem „Bunten Ring“ betrifft, so macht mich einfach stutzig, das auf deren Webseite Jael Noah Herzog als der 1. Vorsitzende und Initiator steht, man auf seinem Blog (http://unsereins.thebugfix.net/glauben/zeugen-jehovas//), der mittlerweile umgestaltet wurde, aber ganz unverblümt über die Mitgliedschaft bei den Zeugen Jehovas liest.

      Weitere Links suche ich morgen und reiche sie dann nach.

      Liebe Grüße,
      Sofie

  2. Ich sollte während des Ausstiegs in eine Pflegefamilie für Erwachsene. Die Pflegefamilie gehörte zu den Zeugen Jehovas…Manchmal wundert man sich doch sehr über die Hilfeträger, auf was für Ideen die so kommen…Natürlich bin ich nicht eingezogen.

  3. Mich irritiert euer Satz „Kirchen haben mit Glauben nichts zu tun.“ schreiben ein wenig;. Ich bin selber gläubig, wenn auch derzeit keiner Kirche zugehörig, sondern immer mal wieder „zu Besuch“ in einer freikirchlichen Gemeinde, habe weder die von euch angesprochenen „Machtstrukturen“ noch sonstige Unfreiheiten oder Druck durch die dortigen Gemeindemitglieder erlebt. Daher empfinde ich euer Geschriebenes als sehr pauschalisiert.
    Wie kommt ihr denn zu dieser Annahme?

    • Hallo,
      vielleicht wäre der Satz „Kirchen haben für mich mit Glauben nichts zu tun“ besser gewählt gewesen. „Glauben“ kann ich auch ohne Kirche. Wenn ich möchte, kann ich mich auch mit Freunden zusammenschließen, die das gleiche Glauben und mich darüber freuen, dass ich Menschen gefunden habe, die genauso oder ähnlich denken wie ich, aber dann hat niemand einen Gewinn davon und ich bezwecke nichts mit meinem Glauben.
      Ich finde es völlig in Ordnung in einer Kirche zu sein, sofern man das frei entscheidet und einfach Spaß daran hat. Ebenso wenig wollte ich pauschalisieren, wohl aber dazu anregen die Strukturen zu hinterfragen. Es gibt mit Sicherheit gutes und sehr wichtiges kirchliches Engagement.
      Für mich handelt es sich bei Kirchen tatsächlich immer um Machtstrukturen. Das muss ja für den einzelnen nicht zwingend gleich was schlechtes heißen. Dennoch gibt es darin meist Menschen die mehr und Menschen, die weniger zu sagen haben. Neben dem Aspekt des Glaubens geht es meist auch um finanzielle Aspekte und nicht zuletzt auch um politische Einflussnahme. Der Glauben ist nicht mehr einfach nur Glauben, sondern wird auch zum Mittel und Werkzeug für die wenigen Mächtigen an der Spitze eines Systems bestimmte Ziele zu verfolgen.
      Wenn wir die katholische Kirche als Beispiel nehmen, lässt sich sehr schön sehen, wie sich zu dem Glauben an einen Gott u.a. der menschengemachte Bestrafungsgedanke gesellt, den die Oberhäupter irgendwann einmal so verbreiteten. Allein die Angst, um das Seelenheil, das dadurch bei vielen Gläubigen ausgelöst wurde, bringt seit Jahrtausenden Menschen dazu sich klein halten zu lassen und der „Führungsspitze“ mit ihren Forderungen/Geboten nachzulaufen. Ganze Kriege wurden auf dieser Basis geführt. Die Kirchenspitze hat durch die breite Anhängerschaft an Macht, Einfluss und vor allem auch finanziellen Einnahmen gewonnen. Der Glaube ist auch hier teils nur Mittel zum Zweck Machtverhältnisse weniger Menschen zu vergrößern und die Menge klein zu halten.
      Um das vorweg klarzustellen: Ich habe nichts gegen die katholische Kirche! Ich bin sogar teilweise froh, dass wir sie haben. Dennoch gibt es auch hier Strukturen, die über den Glauben weit hinaus gehen und es wert sind hinterfragt zu werden.

      Ich hoffe meine Gedanken sind jetzt etwas verständlicher!

      Liebe Grüße,
      Sofie

  4. Hallo Sofie, danke für die Rückmeldung. Ich verstehe Deine Grundaussage so: „Achtgeben, dass man nicht vom Regen in die Traufe kommt- gerade in orientierungslosen, hilfsbedürftigen, verwirrten, „empfänglichen“ Phasen wie z.B. rund um einen „Ausstieg“ aus einer kriminellen Gruppierung (Sekte, Kult, o.a.).“ Meinst Du das so?

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