„Was die an diesen Nutten bloß finden!?“

Höre ich eine junge Frau sagen, die mit einer anderen ins Gespräch vertieft ist. Beide wirken auf den ersten Blick durchaus gut gekleidet. Man hätte Niveau vermuten können.
Von Zeit zu Zeit führt mein Weg durch eine Gegend, in der auch immer wieder Prostituierte auf den Straßen zu sehen sind, weil der Straßenstrich nicht weit entfernt ist. Ausweichmöglichkeiten für mich gibt es nicht, wenn ich das Geschäft meiner Wahl besuchen möchte, weil es nun mal dort lokalisiert ist. Mich stört es allerdings auch nicht sonderlich. Die Frauen tun mir nichts und ich schaue sie eher voller Mitgefühl an. Mit den Leuten des Ladengeschäftes versteh ich mich gut, sie machen gute und bezahlbare Arbeit. Ich mag den Austausch dort. Weshalb sollte ich also ein anderes Geschäft aufsuchen!?
„Schau dir die doch mal an! Wie die aussieht! Da müssten ja eigentlich die Männer noch was dafür bekommen.“
„Die könnten doch auch einfach Kellnern, wenn Sie Geld verdienen wollen.“
Es wird über Prostituierte geschimpft und gelästert und wie schlimm die Männer es wohl haben, mit ihnen ins Bett gehen zu müssen.
Ich höre zu, obwohl ich eigentlich viel lieber gar nichts davon gehört hätte und weil ich schon zu viel gehört habe, mische ich mich schließlich ein.
„Haben Sie eigentlich keine eigenen Probleme?“, frage ich freundlich nach.
Man blickt mich an.
„Naja, es stimmt doch! Die könnten doch auch einfach einen anderen Job machen!“, bekomme ich als verteidigende Antwort.
„Wenn es so einfach wäre und sie tatsächlich wählen könnten, dann stimmt das. Leider können die meisten dieser Frauen nicht einfach frei wählen. Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich“, spreche ich in erstaunte Gesichter. „Haben sie jemals mit einer dieser Frauen über ihre Lebensrealität oder ihre Geschichte gesprochen? Hatten sie jemals wirklich Kontakt zu jemandem aus der Szene oder haben zumindest ein paar Worte gewechselt? Haben sie jemals versucht diesen Frauen zu helfen auszusteigen? Haben sie sich überhaupt schonmal in die Materie eingearbeitet, bevor sie derartige Aussagen treffen?“, frage ich freundlich, aber mit spürbarer Wut im Bauch. Was ich ernte ist nicht viel mehr als entsetztes Schweigen. Das ist mir aber allemal lieber, als mir das Gewäsch weiter mit anhören zu müssen. Ich erledige meine Sachen und mache mich dann auf den Heimweg.
Wenn andere Menschen über Prostituierte sprechen fühle ich mich unwillentlich immer persönlich angesprochen. Ich kann nicht einfach weghören. In mir schreit dann etwas „Weißt du Arschgeige eigentlich wie das ist und worüber du da sprichst?“. Oft schweige ich, diesmal war es an der Zeit den Mund aufzumachen.

8 Kommentare zu “„Was die an diesen Nutten bloß finden!?“

  1. Sehr sehr mutig. Ja diese Vorurteile kenne ich. Als ich jünger war dachte ich selbst ähnlich. Bis ich auf Blogs von Betroffenen stieß. Zwar hatte ich schon vorher oft Mitgefühl und ja ich wusste auch von Menschenhandel und dem Zwang zur P.. Doch was das mit den Menschen macht, dass haben mir erst diese Blogs gezeigt. Es ist wahrlich ein Unterschied etwas in den Nachrichten zu hören, oder den Gedanken eines Opfers zu folgen. Erschreckend.

    • Das kann natürlich gut sein, dass man das Wissen aus den Medien um die Ausbeutung gar nicht im realen mit der Prostitution vor der eigenen Nase verknüpft, solange es einen nicht selbst betrifft oder man direkt auf das Thema gestoßen wird. Danke dir für den Hinweis dazu. Das verliere ich tatsächlich manchmal aus den Augen, weil für mich diese Lebensrealität so selbstverständlich ist.

  2. Sich zu trauen, Menschen zu reflektieren, empfinde ich als etwas ganz Großes.
    Ich finde hierfür auf solch direkte Art viel zu selten den Mut. Schön, wenn ein anderer Mensch sich traut.
    Was die Medien bzgl. Prostitution in die Welt setzen, ist ohnehin ordentlich an der Realität vorbei.
    Zwangsläufig, würde ich sagen.

    Weil die, die die Wahrheit kennen, meist zu viel Scham fühlen oder auch Angst vor Konsequenzen – und deshalb schweigen.

    Und jene, die so viel zu sagen zu haben glauben, gerne einmal garnichts wirklich wissen.

    Außerdem ist Schönrederei sowieso immer einfacher, als das Schlimme zu benennen.
    Auch, weil Menschen vom Grauen kaum etwas wissen wollen.
    Danke, für deine Sicht der Dinge.

    • „Und jene, die so viel zu sagen zu haben glauben, gerne einmal garnichts wirklich wissen.“
      Oh, wie wahr!

      Ich schlucke diesbezüglich leider auch viel. Oft kann ich dann die Worte, die mir auf der Zunge liegen auch gar nicht wirklich mehr aussprechen, weil ich irgendwie blockiert bin. An dem Tag ist mir allerdings die Hutschnur geplatzt und ich musste was sagen.
      Nichts zu danken! 😊

      • Das trifft es gut – blockiert…
        Wenn die Fassungslosigkeit lähmend ist.
        Ich brauche äußerst viel Wut, bis es dann heraus platzen kann. Dann bin ich aber derart unhöflich und unsachlich, dass ich solches schon wieder zu vermeiden versuche.
        Schade irgendwie. Manchmal würde ich einfach lieber ohne Gedanken reflektieren.
        Dir alles Liebe 🙂

      • Das geht mir durchaus auch so. Ich finde ja, dass man bei so viel Unreflektiertheit von anderer Seite auch einfach mal „unhöflich“ sein darf. Immerhin steht es dem Gegenüber frei das Hirn einzuschalten bevor es den Mund aufmacht…😉 Und manchmal brauchen diese Menschen glaub ich auch einfach eine Ansage, um ins denken zu kommen. Das ist ja dann sogeschen auch Reflexion, bzw. die Anregung dazu…😊 Die Hemmungen zu reden bestehen leider trotzdem oft.
        Vielleicht ist es auch gar nicht so wichtig, wie oft man es schafft zu reden, sondern nur, dass man überhaupt an mancher Stelle mittlerweile den Mut aufbringt etwas zu sagen. Sei es nun direkt oder indirekt.
        Dir ebenfalls alles Liebe! 🙂

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