Die kleine Elfe hüpfte zart von Kerze zu Kerze.
Für ungeübte Augen war sie kaum zu sehen. Nur ein kurzes Flackern der Flamme machte ihren Flügelschlag sichtbar. Im schummrigen Lichtschein tanzte das Naturwesen leichtfüßig durch die Regale, über die Bücher und schaukelte im Mistelzweig. Immer wieder flatterte die Elfe zum Fenster, um nach draußen zu blicken und den eisigen Schneezwerglein bei der Arbeit zuzusehen. Schützend legten sie weiße Decken über Pflanzen, Bäume und Blätter. So konnte ihnen der Frost nichts anhaben. Ilsebill, so hieß die Elfe, hatte beschlossen sich etwas drinnen aufzuwärmen. Bei der netten jungen Frau fühlte sie sich wohl. Sie beobachtete das Menschenkind gerne bei der Arbeit. Oft sagte es „Danke“, hatte Respekt vor der Natur und legte kleine Steinchen auf den Balkon, wenn ihr die Naturwesen wieder einmal weiter halfen. Der Wind vertraute der Frau und flüsterte ihr so manchen guten Tipp ins Ohr, wenn sie im Alltag ins Straucheln kam.
Manchmal musste Ilsebill kichern. Herrlich verspielt hüpfte das Menschenkind dann durch die Wohnung und sang. Einmal, da hätte sich die junge Elfe fast erschrocken. Gerade setzte sie sich auf das kleine Schränkchen zur Rast, als die Frau sie bemerkte und direkt anblickte. Das war ungewöhnlich. Ilsebill war es gewohnt, dass Menschen eher durch sie hindurchblickten. „Oh, wie schön, dass du da bist. Ich hoffe dir geht es gut“, sagte das Mädchen kurz und selbstverständlich, ehe es fröhlich im Tagesplan weiter machte. Seitdem kommt die kleine Elfe noch öfter. Sie mag die Stimmung und sie mag es sein zu dürfen und ihre Identität in der Realität spüren zu können.
Bald ist es Weihnachten. Im Nussbaum vor dem Haus lebt Ilsebill mit ihrer Elfenfamilie. Diesmal wird das Fest anders sein. Das spürte sie.
Die letzten Jahre wahren die guten Kräfte unsichtbare Bewohner des Gartens, die dem Ort Seele verliehen und halfen, wo sie konnten. Dieses Mal sind sie mittendrin. Sie gehören dazu und werden nicht ausgegrenzt. Ein offenes Herz hat das ermöglicht.
Ilsebill lehnte sich über die Orange auf der Küchenzeile. Die sanfte, feenhafte Berührung der Haut, ließ ihren fruchtigen Duft riechbar werden. Die Elfe träumte vor sich hin.
In der Weihnachtsnacht wird sie flattern und mit ihren Flügeln Glücksstaub für das neue Jahr an den Christbaum stäuben. Die Kräfte des Baumgeistes werden sie dabei unterstützen. Rote Schleifen aus Bast fädelt das Menschenkind achtsam an die Zweige. Jede für einen Wunsch. Die guten Geister werden die Anliegen fort ins Universum tragen und im neuen Jahr fruchtbar machen.
„Ich habe eine Aufgabe“, freut sich Ilsebill. „Ihr Herz hat mich sichtbar gemacht.“
Wenn Herzen sich mit Liebe sichtbar machen, können sie gemeinsam Sterne vom Himmel holen. Nicht nur an Weihnachten…💕