Wir sind am Nachmittag auf unserem Bett eingeschlafen.
Als wir langsam wach werden schieben sich Erinnerungsfetzen in den Halbschlaf. Gut, dass unsere Katzentherapeuten nicht lange auf sich warten lassen und orientierend auf uns zu treteln beginnen. Wir öffnen die Augen. Der Anblick unserer Fellnasen beruhigt uns. Dennoch fühlen wir uns, als hätte man uns mit dem Hammer eins über den Kopf gehauen. Längst sind wir aufgestanden und verrichten Alltagsdinge, als uns immer noch ein schwerer Schleier neblig die Sicht und das Gespür für die Welt nimmt. Frische Luft vom Balkon brachte schließlich zwar Sauerstoff zurück ins betäubte Leben, für die Gedämpftheit jedoch hatte die belebende Lungenfüllung keine Lösung. Irgendwo in mir konnte ich Tränen stecken spüren. Nicht in den Augen. Viel tiefer. Als Druck auf der Brust und Muskelkrampf im Herzen.
Und dann war da in unserem Kopf diese Schnecke
auf der himbeerroten Erdbeere.
Ein Foto, das uns vor kurzem zufällig in die Hände gefallen ist und das wir von Anfang an so bezaubernd fanden. Es gesellte sich zu dem Schrecklichen, das gerade unsere Seele durchzog und beflügelte eine sehr alte Freundin. Unsere Phantasie.
Wir begleiteten Violetta die kleine Schnecke aus dem Haus ins regennasse Gras des taufrischen Sommergartens. Dort spürten wir die Linderung, die überall in der Luft lag. Wir freuten uns über einen Schmetterling, der Violetta beinahe auf den Fühler geflogen wäre. Ein klitzebisschen hätte sie sich dabei fast erschrocken und wäre zurück ins Haus. Aber dann kroch sie mutig weiter. „Glücklich, wer in sich zu Hause ist“, dacht sie sich. „Ich wohne wo ich bin und kann mir des Schutzes stets sicher sein.“ Violetta glitt über die zarten Grashälmchen und freute sich ihres Schneckenlebens. Sie schlürfte am Tropfen auf dem Salatblatt. Gut, man hätte vielleicht meinen können, dass das Blatt an der Stelle hinterher ein klein bisschen durchscheinender bis löchrig gewesen wäre. Dabei hatte sie ganz bestimmt nur Durst. Das täuschte sicher. Oder hat Violetta etwa heimlich davon genascht? Ihr kleines Schneckbäuchlein fühlte sich auf jeden Fall sehr zufrieden an.
Je länger wir die kleine Schnecke auf ihrem Streifzug begleiteten, umso lichter und freier fühlte sich auch unsere Seele. Sie atmete mit einem tiefen Seufzer auf und spürte wieder Leben.
Am Ende des Abenteuers erklommen wir schließlich mit der Schnecke Violetta gemeinsam im Schneckentempo den „Mount Erdbeerrest“. Menschen hätten eine so große Erdbeere für eine so kleine Schnecke vielleicht als Hürde gesehen. Doch Violetta lachte nur und schmatzte vom saftigen Gipfel. „Wer Zeit hat, kennt keine Hürden. Irgendwo ist immer ein Weg.“
Und eine weitere Moral von der Geschicht‘:
Schöne Fotos in der Schublade können in schweren Momenten sehr hilfreich sein, weil sie auch im Kopf wieder schöne Bilder einziehen lassen.