„Zwischen Angst und Aufarbeitung“ heißt ein Interview von Isabel Fannrich, das der Deutschlandfunk am 27.05.2018 veröffentlichte. Zu Wort kommen darin verschiedene Experten und eine Betroffene, die ihre Sicht auf rituelle Gewalt schildern. Wir persönlich finden es sehr begrüßenswert, dass der Sender sich diesem wichtigen Thema gestellt hat. Für uns ein gelungener Beitrag.
Im Internet steht er unter folgendem Link zum Anhören bereit.
http://www.deutschlandfunk.de/der-kampf-gegen-rituelle-und-sexuelle-gewalt-zwischen-angst.724.de.html?dram:article_id=418856
Monat: Juni 2018
Gesangesfreuden und Balkonhotel
Heute Morgen hatte ich Angst aus dem Haus zu gehen. Es dennoch zu tun, kostete mich alle Kraft, die zur Verfügung stand. Ich setzte mich in mein Auto und fuhr los in meine Gesangsstunde. Mehr als einmal wollte ich lieber wieder umkehren. „Der Tag ist nicht gut“, sagte ich zu meiner Lehrerin, die nur verständnisvoll nickte. „Lass es uns versuchen“, schlug sie die Töne auf dem Klavier an. Ich erklomm die ersten Tonleitern und dann die nächsten. Nach ungefähr fünf Minuten und ein paar tiefen Atemzügen brach das Eis. Wir lachten uns durch 90 Minuten Gesangsübungen. Jetzt tun mir die Schultern weh vom Gewichte heben und die Knöchel von den Anleitungen für Becken, Hüfte und Co. Aber ich bin glücklich. 😊
Auf dem Heimweg liegt ein Gartencenter. Dort bogen wir ab. Eigentlich wollten wir nur schauen und vor allen Dingen riechen. In der Abteilung mit den Rosen duftet es immer so herrlich, dass wir am liebsten dort bleiben würden. Das ist für uns eine richtige Skillecke, wenn man so will. Und dann war da etwas, womit ja wirklich niemand rechnen konnte. Denn eine der wohlriechenden Schönheiten war im Angebot. Geliebäugelt hatten wir schon länger. Zu teuer. Jetzt wäre also eine gute Gelegenheit… aber wir wollten doch nur… egal… gekauft. 😁
Ein Insektenhotel schaffte es auch noch mit in den Einkaufswagen. Das fasziniert die Kleinen schon länger. zu Hause angekommen bekam es sofort eine geschützte Stelle auf dem Balkon. Wir topften die Rose um, gossen sie an und wechselten im Miniteich das Wasser. Letzteres wahrscheinlich gerade noch rechtzeitig, bevor wir in den nächsten Tagen im Mückenschwarm erstickt wären. Die ersten kleinen Larvchen zuckten schon durch’s Biotop. Mit einer Flasche alkoholfreien Holundersekt genießen wir nun im lauen Sommerwind den Tag auf dem Balkon. Wie schön, dass der Tag sich so gewandelt hat!
Löwenmulti
Ein bisschen stelle ich mir Heilung genau so vor wie auf dem Bild. Die Innenkinder und verletzten Anteile haben innen ihren sicheren Raum, während die größeren und erwachsenen Alltagspersonen dafür sorgen, dass sie in Ruhe Kind sein und heilen können. Löwenmutter für sich selbst! ❤️
Die Geschichte der Täter
In letzter Zeit beschäftige ich mich mit den Geschichten und der Denkweise von Tätern. Ein Heulkrampf löste den Wunsch danach aus. Wir spürten, dass wir uns von Herzen eine Entschuldigung besonders eines Täters wünschen würden. Wahrscheinlich werden wir sie nie bekommen. Alternativ haben wir dann versucht zu verstehen, weshalb er so tickt. Eines vorweg: Das war ein blöde Idee! Für unsere Heilung, die wir uns ja daraus ein Stück erhofften, ist all das Gerede letztlich uninteressant. Nachdem Mi die Rolle von der Vergangenheit der Täter zufällig in einem Kommentar erwähnt hat, wollten wir nun unsere Gedanken dazu mit euch teilen.
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Gewalt gegen Frauen in der Sprachkultur
Wenn man sich unsere Sprachkultur so ansieht, könnte man oft meinen, dass Gewalt allein das Problem der Frauen ist, denen sie passiert. Die Männer haben die Konversation rein von der Wortwahl meist schon lange verlassen, bevor ihre aktive Beteiligung an der Gewalt überhaupt sichtbar werden könnte.
Dazu ein Beispiel (angelehnt an Jackson Katz, Gewalt gegen Frauen – Ein Männerproblem):
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Scham und ihre Opfer
Scham ist die Angst davor nicht mehr Beziehungswürdig zu sein.
Im Grunde ist sie nichts anderes, als die Furcht vor dem Verlust von lebenswichtigen Bindungen. Wer Scham einmal gefühlt hat, weiß, wie vernichtend sie sein kann. Sie radiert mit unerträglichem Schmerz die Erlaubnis zur eigenen Existenz aus. Kaum ein Opfer von Gewalt kennt sie nicht. Betroffene schämen sich für das, was ihnen zugestoßen ist. Ihre Scham lässt sie unter der Angst leiden, den Kontakt mit anderen Menschen aufgrund der Übergriffe nicht wert zu sein.
Gleichzeitig stellt Scham der Gesellschaft ein Armutszeugnis aus. Sie hat verfehlt den Grundsatz „Die würde des Menschen ist unantastbar“ so zu leben, dass die Opfer von Straftaten sich ihrer menschlichen Daseinsberechtigung sicher sein können. Hingegen gelten sie oft als beschmutzt, kaputt, zerbrochen und nicht mehr normal lebensfähig. Das Opfer hat eine Beschädigung davongetragen. Dem Täter spricht man seine Ganzheit nicht ab. Im Gegenteil. Er war eben frustriert, konnte es nicht anders, hatte eine schlechte Kindheit und wird das doch bestimmt nicht wieder tun. Es ist, als bliebe all sein Dreck am Opfer haften.
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Holocaustleugnung und rituelle Gewalt
Der Holocaust stellt eines der unumstößlichsten geschichtlichen Ereignisse unserer Zeit dar. Er ist historisch bestens belegt. Zeitzeugen berichten noch heute von ihren Erfahrungen in den Konzentrationslagern. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegen zweifelsfrei die Richtigkeit. An der Tatsache des zweiten Weltkrieges gibt’s nichts zu rütteln. Oder doch!?
Tatsächlich gibt es eine gar nicht so kleine Anzahl von Menschen, die den Genozid ganz oder zumindest teilweise leugnet. Untermauert werden die Thesen der Leugner von (pseudo-)wissenschaftlichen Studien. Woher kennen wir das als Traumaopfer nochmal? Richtig, von der „False-Memory“-Bewegung. Einziger Unterschied: Missbrauchte, vergewaltigt und gefolterte Frauen in den Dreck zu ziehen ist im Gegenteil zur Holocaustleugnung nicht strafbar. Aber nun zunächst zurück zur Historie.
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Wert der Vergangenheit
In mir, da sitzt ein kleines Kind.
Es weint, hat Angst und fühlt sich völlig verunsichert.
Die Welt scheint viel zu groß, als das man sie je begreifen könnte. Dabei schrumpft sie gerade auf einen kleinen Kosmos, der gerade so groß ist, dass die Abdrücke des Lebens eines Mädchens darin sichtbar werden. Weiterlesen
Tinderwahnsinn
Vor ein paar Tagen fiel er mich an – der Tinderwahnsinn. Ursprünglich wollte ich nur mal sehen, von was andere Menschen so reden, wenn sie von der Plattform „Tinder“ sprechen. Also habe ich mich kurzentschlossen angemeldet und losgestartet. Es dauerte nicht lange und schon waren die ersten Übereinstimmungen gefunden. Die überwiegende Mehrzahl der Männer wollte tatsächlich einfach nur Sex und am besten sofort. Darunter waren einige, die mehr nach einem Stück kostenlosem Fleisch, als nach einer Frau suchten, um ihre teils ziemlich perversen Phantasien auszuleben. Man Fragt sich, wo die das Hirn gelassen haben, wenn schon das Herz fehlt. Anzubieten es sofort ohne Gummi zu machen und ein Foto des besten Stücks zu schicken, geht dann doch deutlich zu weit. Ich will gar nicht weiter darüber nachdenken, was man sich bei denen zudem alles an Krankheiten einfangen könnte. Zwei der Herren haben sich bislang allerdings sehr anständig verhalten und nett geschrieben.
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Bedrohliche Opfer
Das Opfer, das die Situation des Opfers benennt,
ist kein Opfer;
er oder sie ist eine Bedrohung.James Baldwin
Als wir diesen Satz unlängst lasen, fühlten wir uns ganz tief angesprochen. Wir wiederholten die Zeile im Stillen immer und immer wieder. Wir wollten sie verstehen. Ihre Essenz in unseren Zellen spüren und mit dem Verstand begreifen. Irgendwann wurde aus der vagen Stimmigkeit ein deutliches „Es stimmt! Genau so ist es!“
Baldwin hat auf verschiedenen Ebenen recht mit seiner Aussage.
In dem Moment, in dem ein Opfer seine Wahrheit ausspricht, hat es das Opfer sein bereits verlassen. Es erkennt an, was ihm widerfahren ist und bezieht Stellung. Die Verantwortung für die eigenen Gefühle prallt nicht länger an gesellschaftlichen Schweigeansprüchen ab. Jedes „Ich wurde missbraucht“ und „Er hat mich vergewaltigt“ setzt ein Statment der mutigen Zeugenschaft für sich selbst. Dabei ist es völlig egal, ob es laut oder leise, zögerlich, brüchig oder mit klarer Stimme ausgesprochen wird. Die Missstände, die Gewalt erlauben, werden deutlich. Täter werden benannt. Das Opfer duckt nicht länger. Es ist bereit gesehen zu werden und für sich aufzustehen. Die Betroffene drückt auf unmissverständliche Weise aus: „Ich bin Opfer und es schmerzt unerträglich, aber ich bin auch so viel mehr als das. Das Handeln des Täters war falsch. Es ist völlig inakzeptabel! Mit seiner Tat wurde etwas in mir zerstört. Ich bin nicht bereit mir den Schuh für die Vorkomnisse anzuziehen. Soetwas darf Menschen nicht geschehen!“ Es fordert sein Recht auf Heilung und Unterstützung.
Das führt nicht selten zum zweiten Teil des Zitates. Das Opfer wird für das Gegenüber zur Bedrohung und Bedrohung wird bekämpft. In seinen klaren Worten für sich selbst, rüttelt die Betroffene an den Grundfesten der Gesellschaft. Plötzlich stehen die scheinbaren Sicherheiten des Einzelnen in Frage. Jeder könnte jederzeit zum Opfer werden und es gibt kaum Möglichkeiten sich davor zu schützen. Das persönliche Leid und die Not durch selbst erlebte Gewalt wird spürbar. Es gibt wohl leider keinen einzigen Menschen, der im Laufe seines Lebens nicht in irgendeiner Art, sei es psychisch, physisch oder sexuell, damit zu tun hat. Die wirkliche Auseinandersetzung überfordert.
Also forscht man zu falschen Erinnerungen, zieht die Glaubwürdigkeit der Betroffenen in den Dreck, verunglimpft die Behandler und kämpft gegen die Opfer, um sich einen Scheinboden unter die Füße zu schieben. Es ist eine Frage der Zeit, bis er unter der Last der Realität bricht.
Was wir aber positiv daraus lernen:
Das Wort des Opfers hat Macht! Warum sonst wohl würden ganze Nationen vor lauter Angst gegen die Glaubwürdigkeit ankämpfen!? Und doch haben sie nichts wirklich greifbares in der Hand.
Die Macht der wahrhaftigen Sprache gehört den Opfern! Lasst sie laut werden. Wenn euere Aussagen so wertlos wären, würde sich wohl kaum jemand so viel Mühe machen, euch schweigsam zu halten.