Die Geschichte der Täter

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In letzter Zeit beschäftige ich mich mit den Geschichten und der Denkweise von Tätern. Ein Heulkrampf löste den Wunsch danach aus. Wir spürten, dass wir uns von Herzen eine Entschuldigung besonders eines Täters wünschen würden. Wahrscheinlich werden wir sie nie bekommen. Alternativ haben wir dann versucht zu verstehen, weshalb er so tickt. Eines vorweg: Das war ein blöde Idee! Für unsere Heilung, die wir uns ja daraus ein Stück erhofften, ist all das Gerede letztlich uninteressant. Nachdem Mi die Rolle von der Vergangenheit der Täter zufällig in einem Kommentar erwähnt hat, wollten wir nun unsere Gedanken dazu mit euch teilen.

Aussagen wie „Aber er hatte doch eine schlechte Kindheit“ oder „Wissen sie zufällig, ob er in seiner Kindheit Gewalt erlebt hat“ kamen uns früher nicht nur von Laien, sondern auch von Therapeuten entgegen. Wir reagieren darauf in der Regel sehr allergisch. Gerade in der Therapie geht es um uns und um sonst gar niemanden. Es ist völlig irrelevant, wie ein Täter sich fühlt, es sei denn der Wunsch nach der Auseinandersetzung kommt vom Opfer. Mangels Trost über den Schmerz des nicht gesehen werdens von Täterbezugspersonen haben wir uns vor kurzem dazu durchgerungen einen Blick auf das Innenleben der Täter zu wagen. Nicht für den Täter! Allein für unser Seelenheil. Wir haben uns in die Studien der Charité und das Programm „Kein Täter werden“ eingelesen, Videos und Reportagen angesehen, den Fall der Isländerin Thordis Elva und ihrer Auseinandersetzung mit ihrem Vergewaltiger verfolgt und letztlich über die Hintergründe unserer Täter reflektiert. Unser Ergebnis ist ebenso hart, wie ernüchternd.

Wenn Männer Kinder missbrauchen wollen, helfen die besten Hilfseinrichtungen nichts. Sie tun es einfach. Auch Arzt und Therapeut Till Amelung an der Charité Berlin gibt offen zu, dass sie das mit ihrem Projekt nicht ausschließen können. Zudem gibt er an, dass das Gut der Schweigepflicht in der Regel nur dann gebrochen wird, wenn es um Kindesmissbrauch gehe, nicht aber beim Konsum von Kinderfolterdokumentationen. Das zeigt für mich, dass etwas ganz entscheidendes in den Köpfen der Behandler fehlt. Nämlich das Bewusstsein dafür, dass jeder Klick auf eine derartiges Video genauso aktive Gewalt darstellt. Wenn sich heute Menschen einen Film von unserer erlittenen Gewalt ansehen, sind sie daran aktiv beteiligt. Sie sitzen nicht fern davon hinter der Mattscheibe. Sie werden in diesem Moment zum aktiven Missbraucher an uns. Weshalb also, verharmlost man diese Form des Kindesmissbrauches!? Und wie gut kann ein Programm für Täter wirklich sein, das selbst diese Tatsache offenbar ausblendet und plötzlich mit Schweigepflicht um die Ecke kommt!? Damit entscheidet man sich für die Toleranz dieser Handlungen in der Therapie. Jeder Konsument gehört sich genau so angezeigt.
Einen Fakt fanden wir zudem wichtig. Nicht alle Pädophilen begehen auch Übergriffe und umgekehrt sind längst nicht alle Sexualstraftäter pädophil. 60% der Täter gegenüber Kindern und Jugendlichen sind NICHT pädophil. Das lässt für uns den Schluss zu, dass die Auslebung von sexueller Aggression gegenüber Kindern nicht an der Neigung liegt, sondern vor allem eine Frage der persönlichen Entscheidung ist. Auch heterosexuelle Männer vergehen sich an Kindern. Ein berühmtes Beispiel ist wohl Marc Dotroux, der in seiner Haft von Therapeuten als zweifelsfrei nicht Pädophil eingestuft wurde. Projekte wie „Kein Täter werden“ verfolgen einen guten Ansatz. Sie machen für uns allerdings nur für die Personengruppen Sinn, die VOR der Begehung einer Straftat selbstmotiviert Hilfe suchen. Für sie kann man sich von uns aus aber auch das stigmatisierende Wort „Pädophil“ sparen und einfach nur einen Menschen mit einem Problem sehen, dass unterschiedliche Ursachen haben mag. Ich möchte behaupten, dass der Großteil aller Kinderschänder aus der Zugänglichkeit für derartige Verfahren herausfällt. Das liegt daran, dass der jeweilige Täter bewusst den Vorteil in der Ausführung der Tat sieht und sich letztlich dafür entscheidet. Das Unrechtsbewusstsein fehlt. So bitter das ist, wir müssen uns eingestehen, dass manche Menschen einfach Spaß am Quälen haben und ihre Macht genießen ohne ihre Taten falsch zu finden und das ganze auch noch völlig ohne Erkrankung.

Schauen wir beispielhaft zu einem unserer Täter. Er hat die letzten Kriegsjahre miterlebt, war unter Trümmern verschüttet und sein Familienerleben war sicher als Kind alles andere als rosig. Sein leiblicher Vater, war stark mit den Nationalsozialisten verbunden und verstarb früh. Sein Stiefvater war ebenfalls kein Empathiebündel. Gewalt war diesem Täter nicht fremd. In späteren Jahren begann er zudem zu trinken. Das mag vielleicht die Hemmschwelle zusätzlich gesenkt haben. Übergriffig war er allerdings schon weit vorher. Seine sexuelle Orientierung würden wir als heterosexuell einstufen. Zumindest unterhielt er auch intime Beziehungen zu erwachsenen Frauen. Er freut sich über das Leid von Menschen in seinem Umfeld. Jede Träne zauberte ihm ein Lächeln ins Gesicht. Kein Schlag konnte hart genug sein und wir werden nie das hämische Grinsen vergessen, mit dem er in uns eindrang und verkündete, wie geil er es fand, alle Macht über uns zu haben, als könnte er uns nun von innen heraus besitzen.
Wie bewerten wir das nun, nach der Lektüre über Tätertypen, Pädophilie und Sexualstraftäter? Wir könnten sagen, dass er eine schlechte Kindheit hatte, traumatisiert gewesen sein dürfte, schwierige Bindungen hatte und deshalb diesen Drang nach Gewalt erlebte. Wir könnten uns herziehen, dass er unter Umständen mit den Taten sein eigenes Trauma durch den Wechsel zur Täterschaft kompensieren wollte. Wir könnten sagen, dass er normales Bindungsverhalten nie gelernt hat und deshalb auf die Auslebung extremer Machtverhältnisse mit Schwächeren zurückgegriffen hat. Tatsächlich aber sehen wir das so: Keine einzige Studie spricht diesen Arschlöchern ihre Entscheidungsfreiheit ab. Er wollte ein Schwerverbrecher sein und uns ausbeuten. Dabei spielt seine Geschichte überhaupt keine Rolle. Sie hätte eine Rolle spielen können, wenn er sich dazu entschieden hätte eine Therapie zu machen und seine Erfahrungen aufzuarbeiten, anstatt uns zu foltern. Dafür ist es zu spät! Seine Lebenserfahrungen werden in Zukunft keine Rolle mehr spielen, weil er sich für uns das Recht verwirkt hat, dass sie es tun. Nach all dem müsste jede Therapie und Auseinandersetzung mit den Taten einzig und allein einfordern zu den Gewalthandlungen zu stehen und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Dabei ist es nicht in Ordnung sich auf seine Vorerfahrungen zu beziehen, weil man sie damit mehr rechtfertigt, als endlich klar zu machen, dass der Mann ganz unabhängig davon zu der Scheiße stehen muss, die nicht mehr gut zu machen ist. Er hat sich dafür entschieden. Jetzt kommen erst die Opfer. Das ist für uns auch die einzige Möglichkeit Prävention und Opferschutz für die Zukunft zu betreiben. Er müsste begreifen, was er getan hat, nicht was ihm angetan wurde. Eine Entschuldigung ist vielleicht ein Anfang, aber insgesamt zu wenig.

Die Geschichte des Täters spielt weder für die Tatbegehung noch für die Heilung der Opfer eine Rolle. Diesen Ansatz zu berücksichtigen gaukelt lediglich vor, dass man vielleicht etwas gegen das Grauen hätte tun können oder eine Therapie die Entscheidungen der Täter verändert hätte. Das ist aber nicht so. Es gibt abartige, machtbesessene, gewaltliebhabende und sexuell fehlgeleitete Menschen völlig unabhängig von ihren eigenen Lebenserfahrungen, auch wenn das verdammt ohnmächtig macht.

Genannte Quellen:
Unheilbar Pädophil
Minute 45.07 Schweigepflicht oder Anzeige
Minute 35.48 Übergriff verhindern nicht möglich.

– Thordis Elva, Ich will dir in die Augen sehen – Eine Frau trifft den Mann, der sie vergewaltigt hat, Knaur, 2018

Rabiat! Unter Pädophilen

39 Kommentare zu “Die Geschichte der Täter

  1. Wie oft haben wir Bücher über Mörder oder Pädophile gelesen um zu verstehen, wie es sein kann das jemand so kranke Phantasien und sie auslebt, ein Buch davon heißt sie Bestie Mensch, wir werden wahrscheinlich nie verstehen warum Täter solch grausamen Dinge tun, und müssen uns damit abfinden das gestört oder einfach nur machtgeil sind, das sie lieben was sie anderen antun. Wir werden wütend wenn wir hören das angeklagte Täter sich hinter ihre ach so schlimme Kindheit verstecken wollen und Damit zig ausreden parat und auf Lager haben, die meisten zeigen nicht einen funken von Mitgefühl oder Reue gegenüber dem Opfer, ja es ist traurig und macht sprachlos… Wir fragen uns oft warum wir nicht so geworden sind wie die Täter, und an das gute glauben ? Ist ein schwieriges und ein Thema was tief rein geht …LG

    • Ich glaube als halbwegs emphatischer Mensch ist das auch nicht wirklich nachzuvollziehen. Man kann nur Thesen aufstellen und über den Verstand einen Zugang versuchen, aber wirkliches Begreifen wird schwer. Diese Gefühllosigkeit und Kälte die es zur Ausübung dieser Taten braucht, ist im mitfühlenden Gehirn wahrscheinlich nichtmal im Ansatz zu reproduzieren.

      Liebe Grüße,
      Sofie

  2. Auch ich habe mich ausgiebig mit dem Tätersein und Täterwerden auseinandergesetzt. Und vieles deckt sich mit dem was Du da schreibst – mit Deiner Einschätzung. Dennoch glaube ich dass niemand „wirklich Böse“ wird ohne Grund. Natürlich sind sie verantwortlich für ihre Taten,doch gibt es Menschen, die sind so zerstört in ihrer Seele, dass sie gar nicht wissen was Verantwortung wirklich ist. Und es gibt auch noch die, die geistig so unterbelichtet sind, dass sie nur triebgesteuert sind.
    Unlängst habe ich ein Filmchen von Dami Charf in meinen Blog rein gestellt – https://www.traumaheilung.de/trauma-helden/
    wo es gerade um das Thema ging – warum wir nicht so wurden wie die Täter.
    Für mich bringe ich es auf einen kurzen Nenner. Es gibt Menschen, die ihre Seele verloren haben (wodurch auch immer) denn so grausam kann man nur ohne Seele sein.

    • Das glaube ich so nicht und auch von der Triebgesteuertheit distanziere ich mich in allen Formen. Sie ist wissenschaftlich bereits widerlegt. Ein hoher Sexualhormonspiegel reicht für derartiges vorgehen nicht. Und die Täter wissen sehr wohl, dass sie Verantwortung haben. Kein Täter der das nicht weiß, würde sein Opfer zum Schweigen anhalten – das tun aber auch die „Unterbelichtetsten“.

      Ich glaube wir müssen uns als Menschen damit abfinden, dass es auf diesem Planeten auch Menschen gibt, die ihre Seele nicht verlieren, sondern sie einfach in dieser Form eines empathischen Lebewesens auch nie besitzen. Dem muss sich die Gesellschaft stellen, aufhören „Ausreden“ zu finden und damit umgehen. Die grundsätzliche Hoffnung, dass Täter auch mal anders gewesen sein könnten oder vielleicht noch anders werden, ist für mich gerade im Bereich der Sexualstraftaten Verschleppung von Opferschutz und Abspaltung der eigenen Ohnmacht.

      • Ich denke, dass die verschiedenen Beurteilungen solcher Menschen von den eigenen Erfahrungen abhängen. Du hattest andere Täter als ich.
        Mein Haupttäter war ein zerstörter Mensch, der eigentlich geisteskrank war (ehemaliger KZ-Häftlingsüberlebender, übrigens Jude, den man total gebrochen hatte und unter ständiger Verfolgung litt) und einer sehr unreifen Mutter, die zu keinerlei Eigenurteil fähig war….und ihm hörig war. Also inwieweit er tatsächlich Verantwortungsfähig war….
        Wirklich böse Menschen sind mir in meinem Leben noch nicht begegnet – eher dumme und unreflektierte Zeitgenossen.

      • Aus Dummheit und Unreflektiertheit allein wird niemand viele. Da braucht es eine Menge an krimineller und bösartiger Energie im Umfeld. Jude im KZ gewesen zu sein, mag einen brechen und psychisch schwer zusetzen. Das ist aber keine Erklärung, um später selbst Kinder zu quälen. Was er getan hat ist wirklich böse, ganz unabhängig von seiner psychischen Verfassung. Und wenn er wirklich geisteskrank war, dann haben zumindest alle erwachsenen Menschen im Umfeld versagt, um die Kinder in Sicherheit vor diesem Menschen zu bringen.

      • Du Sofie, ich weiß´gar nicht ob meine Mutter und mein Vater Viele waren, dass er verrückt war weiß ich und meine Mutter schwach….und es ist auch nicht so, dass ich nicht viele Jahre auch ihnen gegenüber unerbittlich war, meinen Stiefvater gehasst und meine Mutter verachtet hat. Das hat mir gar nichts gebracht hat nur meine eigene Seele vergiftet. Sie zu verstehen, die Gründe für ihr Handeln zu begreifen hat mich letztendlich frei gemacht von Hass und Verachtung. Ich kann daran nichts erkennen, was daran falsch sein soll.

      • Hallo Melina,
        ich finde den Wunsch nach Verstehen wollen nicht per se falsch und sicher soll man sich auch nicht vor Hass und Verachtung verrückt machen. Vielleicht haben wir uns da missverstanden.

        Ich finde nur die eigenen Emotionen an den äußeren Begebenheiten auszurichten schwierig, vor allem, wenn es um Täter geht. Aus meiner Erfahrung heraus steckt darin meist mehr Verdrängung als wirkliche Heilung. Mir kommt der Ruf nach Verständnis der Täter häufig zu schnell. Das kann in meinem Erleben am Ende eines Weges stehen, aber nicht am Anfang und auch nicht im Mittelteil, wenn die eigenen Emotionen noch unverdaut sind. Dann finde ich die Ausrichtung am Außen im Falle von zwischenmenschlicher Gewalt einfach schwierig und bedenklich, einfach aus der Gefahr heraus damit nur auf eine andere Art und Weise zu dissoziieren, was das Erlebte wirklich für einen selbst bedeutet hat. Für mich war und ist der Weg eher meinen Hass und meine Verachtung voll anzunehmen, sie zu würdigen, durch zu gehen und dann zu sehen, wie sich die Gefühle von Innen heraus verändern. Manchmal ist da dann am Ende der Reise vielleicht Verständnis oder Milde. Ein anders Mal auch nicht, aber dann bin ich mit mir im reinen und habe endlich das verdammt leidende Kind in mir gesehen.
        Grade wenn im eigenen System noch sehr viel Unruhe ist, finde ich es gefährlich den Weg von Außen nach Innen zu gehen.

        Das kann bei dir ja anders sein und du darfst und sollst das für dich so machen, wie du es gut findest.

        Liebe Grüße und einen schönen Abend,
        Sofie 😊

      • Iss ja nicht schlimm, wenn wir unterschiedliche Meinungen zu diesem einen Thema haben, das meiste ist ja ziemlich deckungsgleich….;-)
        Wollt nur noch hinzufügen, dass m.e. 40 Jahre seine Täter hassen und verachten wohl auch mal genug ist und es war halt so, dass es mich kein Fünkchen weiter gebracht hat, sondern nur Verbitterung.
        Ich wünsch Dir auch einen wunderschönen ruhigen Abend!
        Liebe Grüße Melinas

  3. Hui… Gerade auch hier ein riesen Thema für das schon viele Stunden mit mir selbst aber auch in der Therapie aufgewendet wurden. Weil hier der Wunsch nach dem Begreifen und Ergründen so groß ist.
    Und ja… Die Schlussfolgerungen sind jedes mal die selben, wie auch bei euch. Er mag auch Schlimmes in seinem Leben erlebt haben aber das hindert NIEMANDEN daran, eine bewusste Entscheidung zu treffen.

    • Liebe Mrs Tingley,
      anscheinend sind unsere Themen gerade sehr ähnlich. 😊

      Wir haben die Beschäftigung mit dem Tätern jetzt vorerst eingestellt. Diese Schussfolgerung war wichtig, aber jetzt geht es darum, den Schmerz, dass es nie eine Wiedergutmachung oder Entschuldigung geben wird zu verarbeiten. Das steckt bei uns sehr hinter der ganzen Auseinandersetzung.

      Liebe Grüße und einen schönen Abend!
      Sofie 😊

  4. Verhält es sich eurer Meinung nach genauso, wenn der/die Täter/in eine DIS hat? Wo es Anteile sind, die übernehmen, ohne des Wissens der ANP und ohne des Wissens dass eine DIS existiert? Glaubt ihr, es ist auch dann die eigene Entscheidung?
    Die Verantwortung dafür zu übernehmen, möchte ich aus meiner Frage auskoppenn, da ich das definitiv für wichtig und angebracht halte, es aber ein anderer Aspekt ist.
    Ich habe schon mit Unsereins & me darüber geschrieben. Das Thema lässt mich nicht los, so bald es irgendwo auftaucht.

    • Das ist eine schwierige Frage und darüber lässt sich vielleicht auch streiten. Für uns macht die DIS grundsätzlich keinen Unterschied. Wir haben auch eine und wissen bestimmt, was es bedeutet Zeit zu verlieren
      und mit Programmen umgehen zu müssen und trotzdem haben wir uns dagegen entschieden Täter zu sein. Es bleibt zumindest ein Teil im Täter, der so entscheidet und Gewalt gutheißt und manche anderen müssen das ebenso billigen. Denn irgendjemand würde sich sonst dagegen stellen und es nicht auf Dauer dulden. Ich halte es für extrem unwahrscheinlich, dass eine derartige Tat an allen anderen Innenpersonen vorbei geht. Mag sein, dass die Alltagspersonen amnestisch sind und nicht alle davon wissen, aber zentrale Persönlichkeitsanteile sind in diesen Momenten für die Tatausführung. Wir haben es persönlich so oft erlebt, dass trotz widrigster Umstände, versucht wurde dem stärksten Drang von Innenpersonen, beispielsweise zurückzugehen, entgegenzuwirken und daran gearbeitet wurde oder dass eine Beobachterin hat Informationen durchsickern lassen, wenn Gewalt an uns passiert ist. Von erwachsenen Menschen kann man meiner Meinung nach verlangen, dass sie ihr Verhalten irgendwann reflektieren. Die Ausführung einer Tat beinhaltet mehr als stereotypes, dissoziationsverlorenes Handeln und da finde ich kann das Denken auch einsetzen, sofern der Täter nicht unter eigener Lebensbedrohung handelt. Ich glaube, dass die Persönlichkeit bei beständiger Täterschaft im Erwachsenenalter das Verhalten gut heißt und wichtige Schnittstellen sich dafür entscheiden.

      Anders würde ich das bei Kindern und Jugendlichen betrachten, die im Kult gebunden sind.

      Einfach zu bewerten ist das sicher nicht. Allerdings finde ich auch, dass sich die Antwort von Verantwortung nicht entkoppeln lässt, weil das für uns im Grunde die Entscheidende Frage daran ist.

      Liebe Grüße und einen schönen Abend! 😊
      Sofie

      • Hmm, harter Tobak, Sofie!
        Also ich habe ja auch Täterintrojekte. Neulich bekam ich gar die Stimme eines solches mit und seine pervesen Gedanken im Zusammenhang mit einem Kind. Natürlich weise ich so was entschieden ab, ja, aber ich weiß eben von der DIS. Das kann ich bei Mutter nicht behaupten, sie vermeidet das Thema, geht auch heute nicht in Therapie, würde ihr Mann ihr eh nicht erlauben. Keine Ahnung ob das genau so läuft, wenn man nicht mal weiß dass es andere gibt. Und Programme bzw. Konditionierung arbeitet im unbewussten ständig. So wie bei uns, dass wir sie dauernd entschuldigen und verteidigen, uns für sie verantwortlich fühlen, sie niemals anprangern würden öffentlich. Nicht mal unser Mann weiß was sie getan hat. Ich kann es auch nicht wirklich glauben, was die anderen hier so erzählen…
        Sie ist heute noch hörig, jetzt ihrem Mann, sein Wort ist in der Regel Gesetz. Ich weiß echt nicht ob sie je in der Lage war sich gegen ihre Hörigkeit zu stellen… Sie kann heute noch kaum eine Entscheidung treffen…
        Und Verantwortung? Sie sollte sie tragen, tut sie aber nicht, weist es von sich ab. Doch vielleicht wegen der Amnesie? Für sie bin ich verrückt, schließlich war alles super und mir ging es gut, und das Schlagen wovon sie weiß, hält sie als normal, das war doch üblich und nicht schlimm oder schädlich.
        Letzten Endes, würde man sie vor Gericht zu Verantwortung ziehen, würde ihr Nichtwissen und die DIS sie nicht vor Straffe im Sinne einer geschlossenen Anstalt für unzurechnungsfähige schützen. Nur würde sie die Verantwortung nicht freiwillig tragen, nehme ich an, würde es nicht glauben jemals Dinge getan zu haben oder machen zu lassen. Ein wissendes Abstreiten würde ich ihr nicht zuschreiben wollen (vielleicht nicht können). Dafür glaube ich noch zu sehr an das Gute und Mutter Gefühle.
        Aber vielleicht bin ich zu naiv. Oder will den anderen hier nicht glauben, weil zu schrecklich…
        Jedenfalls Danke Sofie, es ist ein so wichtiges Thema. 💖

      • Du weißt nicht, ob sie weiß, dass es andere in ihr gibt. Du vermutest es. Vielleicht sagt sie das sogar, aber ob es die Wahrheit ist… Sie mag nicht hinsehen wollen, aber das heißt nicht, dass sie nichts weiß. Ich glaube, dass man ab einem bestimmten Punkt im Leben merkt, dass da noch eine andere Seite in einem ist. Und Gewalt in diesem Ausmaß am eigenen Kind bekommt man mit und dann ist es eine Entscheidung, ob man hinsieht oder verdrängt. Daran ändern auch Programme und Konditionierungen nichts. Du wärst nicht viele, wenn du nicht diese Mutter hättest. Das ist für mich Täterschaft genug.

        Das hieße aber für uns wiederum nicht automatisch, dass du sie nicht lieben darfst oder dich von ihr fernhalten musst. Es wären nur andere Fakten.

        Wir wünschen euch viel Kraft und Mut, um eueren eigenen Standpunkt in diesem Thema zu finden. Die Sicherheit darüber liegt in euch. Meine Empfehlung geht darin, lieber euch zuzuhören als jemandem, wie euerer Mutter, die schon immer unsicher war…

        Liebe Grüße,
        Sofie

      • Das stimmt, ich weiß nicht ob sie etwas weiß. Aber ich kenne welche, die vor meinen Augen switchen und trotzdem keine Ahnung von einer DIS haben.
        Mutter gehört zu der Sorte, die nicht mal PTBS versteht und glaubt. Vermeiden ist die Devise der meisten ANPs, die noch keine Therapie haben und nichts von Erinnerungen wissen wollen.
        Wir und Ihr sind anders, suchen Hilfe, beschäftigen uns damit. Die die alles Vermeiden dürfen ja nicht spüren und fühlen, sie sind zu, es existiert nichts inneres kleines verletztes in ihrer Vermeidungs-Welt.
        Irgendwer in ihr weiß sicher etwas, sonst würden keiner sagen:“stell dich nicht so an, war doch so schlimm nicht“. Aber diese Anteile kooperieren doch mehr mit den Täterintrojekten als mit der ANP.
        Ich kenne Blackouts und die Amnesie für die Amnesie persönlich nur zu gut. Erst jetzt in der Therapie beginne ich zu „sehen“ und mitzubekommen was da alles ist und wie alles tickt. Hat mir früher jemand unterstellt, ich hätte xy gemacht, habe ich den auch für eingebildet, verrückt, gemein, mit zu viel Verstellungskraft ausgestattet oder eigene Probleme auf andere projetzierend gehalten, oder er hat es vermütlich selbst getan und es vergessen, so dachte ich dann… ich hatte keine Erinnerung daran und glaube eben nicht alles was andere gerne hätten, schließlich lass ich mich nicht manipulieren und ziehe mir auch nicht jeden Schuh an… Heute sehe ich es rückwirkend anders, aber ich bin jetzt schon über 40 und verhielt mich solchen Behauptungen gegenüber bis vor dem letzten Klinik Aufenthalt so. Hätte ich Kinder … zum Glück habe ich keine!
        Ihr habt so Recht, ich sollte mich auf uns konzentrieren, nicht auf Mutter. Aber ich muss es irgendwie verstehen für mein eignen Seelenfrieden.
        Anmerkung: mir wurde nie Gewalt als xy vorgeworfen. Es ging mehr um Kleinigkeiten oder angeblich gesagte Dinge.

        Ihr seid da schon so viel weiter…
        Trotzdem wünsche ich euch auch ganz viel Kraft und Mut für euren weiteren Weg. Irgendwas kommt ja immer, leider. Der Weg erscheint mir unendlich lang.
        Alles Liebe euch 💖

    • Ich sehe das ähnlich wie Sofie.
      Als Kind oder Jugendlicher hat man sicherlich nur wenig Chancen anders zu handeln. Wir selber haben bereits in unserer Jugend mit dem Ausstieg begonnen. Also einige Persönlichkeitsanteile, die viel zu sagen haben, haben sich bewusst dafür entschieden dort wegzugehen und haben das trotz sehr schwieriger Umstände nach 2 Jahren auch geschafft (also nicht den kompletten Ausstieg, da sind wir immer noch dran, aber etwas äußere Distanz und mehr Sicherheiz herzustellen).
      Deshalb bin ich schon der Überzeugung, dass man als erwachsener Mensch auch mit einer DIS durchaus die Wahl hat, ob man sich Hilfe sucht oder zum Täter wird. Wir alle, die wir hier schreiben, sind ja eigentlich das beste Beispiel dafür oder?
      Aber ich muss auch ehrlich gestehen, dass ich das Verhalten meiner Eltern manchmal schon durch die DIS, die sie vermutlich haben, zu entschuldigen versuche. Ich sehe sie trotzdem ganz klar in der Verantwortung, aber sehe dann weniger Schuld bei ihnen. Vielleicht ist das aber auch nur ein kindlicher Wunsch danach, dass meine Eltern mich eigentlich doch lieben und einfach nicht anders konnten.

      • Heute gibt es aber viel mehr Hilfe, als damals für unsere Eltern. In unserem Heimatland gab es da gar nichts und körperliche und psychische Gewalt war stark verbreitet, galt vieler Orts als normal (so zumindest meine Erinnerung dazu, vielleicht ist es aber auch verzerrt? ). Ich weiß nicht ob da so ne Entscheidung gegen all das so machbar war. Aber vielleicht ist es auch unser Versuch zu entschuldigen und erklären, wieso ne Mutter zu solchen Sachen fähig ist. Dieser kindliche Wunsch ist hier eben auch so stark…
        Ich kann mir das meiste nicht mal als Wahrheit zu fühlen erlauben, dass es passiert ist und schon gar nicht, dass es ne freie Entscheidung war…
        Wir hatten ganz andere Umstände als sie, daher kann ich das nicht unbedingt vergleichen. Aber selbst heute sind wir anders als sie es ist, ja sogar anders als unsere Schwester (wobei sie mit Mutter auch nur wenig am Hut hat).
        Ja, Verantwortung vor allem im Heute. Sie ist immer noch so schädlich für uns. Keine Entschuldigung sondern Verharmlosung nach dem Motto: war halt normal so. Gewisse Themen zu erwähnen lässt sie sofort in die „du bist krank und dumm und bildest dir alles ein“ Schiene springen. Sie übernimmt eben keine Verantwortung! Sie fragt nicht mal wieso ich den Kontakt abgebrochen habe. Aber sie als Schuld da zu stellen, dass kann ich irgendwie nicht, die gebe ich lieber an Opa weiter.

      • Ich glaube doch. Denn sie entscheiden.

        Ich habe in meinem Leben in einem anderen Zustand auch schon Dinge getan, die ich heute überhaupt nicht gut heißen würde und für die ich die volle Verantwortung zu tragen habe. Da rede ich mich auch nicht raus, indem ich sage, ich konnte vielleicht gar nicht anders. Ich kann eventuell nachvollziehen, wie es dazu kam. Ein Teil von mir hat sich damals aber einfach so entschieden. Punkt.

      • Ja, EIN Teil. Aber nicht ALLE und vor allem nicht DU.
        Klar trägst du Verantwortung, würde ich auch, auch wenn es nicht meine Entscheidung war, und jemand mir zu wieder gehandelt hätte, würde ich dies auf mich als ganze Person nehmen und ausbaden.
        Aber genau deshalb trenne ich die beiden Sachen. Ich habe mich nicht zu dieser Handlung entschlossen muss aber die Verantwortung tragen, falls jemand hier so was tut.
        Was wäre aber wenn ich (hypothetisch, denn ich meine wieder Mutter), das verantwortliche und lieben könnende Anteil, lange Zeit nicht vorne bin, weil andere übernommen haben bis nichts mehr von dar Tat für mich erkennbar ist? Wenn ich da bin, von der Lücke nichts merke und mein Kind, dass ja DIS hat, ohne dass ich es weiß, in das fröhliche liebe Kind gewechselt ist, dem man nichts anmerken kann? Keiner aus dem Kind würde es wagen der Mutter etwas zu erzählen was sie getan hat, oder es weh tut oder, oder, weil es ja sofort Schläge vermutet. So merkt die ANP nichts, ist ohnehin mit der Alleinerziehung und Arbeit und Funktionieren total überfordert und will nur noch ihre Ruhe… Und sollte ein Anteil des Kindes mal wat sagen, wechselt auch sie in ein Täterintrojekt und wieder weiß sie nichts, ebenso wie das fröhliche Kind, das sofort verschwindet wenn es brenzlich wird …

        Ehrlich, ich finde, es ist zu einfach pauschal zu sagen man entscheidet sich Täter zu sein, oder eben nicht. Wir sind eben viele in einem Körper. Auch wenn es egal ist wer von uns etwas tut fällt es natürlich auf die Person als ganzes zurück, klar. Aber wenn diese durch Trigger oder Umstände handeln, total gegen meinen Willen, so war es doch nicht MEINE Entscheidung! Dem nach ist es aber schon so, dass es eben davon abhängig was man erlebt hat und abgespalten hat und wie oft die ohne mein Wissen handeln können.
        Und doch, auch wenn ich es nicht begreifen kann, gibt es ganz „gesunde“ nicht DIS Menschen, die sich für Täterschaft entscheiden, als ganze Person. Diesen wünsche ich die Pest an den Hals!
        Aber wenn der eine innerhalb einer Person das, der andere jenes entscheidet, dann passieren für irgendwem etwas zuwider seiner Entscheidung, egal ob es Essen, Drogen, Freunde oder Taten sind. Kann man da von einer echten freien Entscheidung der ganzen Person sprechen? In uns sind viele Wahrheiten zu selben Zeit gültig, auch wenn sie einander widersprechen. Was oder wer also entscheidet tatsächlich wie man wird? Kontrolle ist doch erst durch Therapie möglich, zumindest im gewissen Ausmaß. Liege ich also echt so falsch, wenn ich nicht berurteilen (glauben?) will, dass eine PERSON sich mit Absicht, vollem Bewusstsein und Einverständnis aller zu Täterschaft entscheiden kann wenn er DIS hat?
        Vielleicht bin ich einfach noch nicht so weit es anders zu sehen. Mir kommt es dennoch einer Bewertung gleich die ich nicht berechtigt bin zu treffen.
        Wohl aber kann ich diese Taten hassen und verlangen, dass man sich entschuldigt, oder ich mich aus dem Handlungs Feld solcher Personen fern halte. Liebe hin, Liebe her. ICH werde nicht zulassen, dass wer aus ihr, jemanden aus uns etwas noch mal tut. Genauso wie ICH nicht zulassen werde, dass jemand aus uns anderen Menschen weh tut. So lange ich noch irgendwie da bin und etwas ausrichten kann! Da ist mir wurscht, ob ein Inni-Kind seine Mama liebt und braucht, oder ein Täterintrojekt auf irgendwas scharf ist. Mit MIR nicht! Aber ohne mich ??? …. Kann ich nur hoffen und bangen… Und sollte da wer aus der Reihe tanzen und ich erfahre es, lass ich mich ins Knast bringen, damit niemand anderen was tun kann! Aber habe ich damit für uns alle entschieden? Oder zwinge ich andere nur nach meiner Pfeife zu tanzen? Haben die eine Wahl? Ne, nicht so lange ICH da bin! Denkt aber Jemand anderes hier so wie ich, nur gegenteilig und hat die Macht vorne …
        Dann Gnade uns Gott.
        Versteht ihr, was ich sagen möchte? Oder empfindet ihr das als ein Versuch sich aus der Verantwortung zu stehlen?

        Liebe Grüße 💖
        A.

      • Wir verstehen schon. Es ist ja auch wirklich ein schwieriges Thema. Da liegen viele Emotionen drin und es gibt viele verschiedene Sichtweisen. Meine mag da sicher an manchen Stellen radikal und hart klingen. Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass du dich aus der Verantwortung stehlen willst. Wenn dann, fühle ich es manchmal eher so, dass ihr ein gutes Stück davon auch wieder anderen Menschen zurückgeben dürft. Aber da dürft ihr einfach so damit umgehen, wie es sich für euch richtig anfühlt.

        Wir wünschen euch einen schönen Sonntag und viel Auszeit, um Kraft zu Tanken! 😊

      • Zu deinem speziellen Fall kann ich natürlich gar nichts sagen und maße mir das auch nicht an.
        Wenn ich es auf meinen Fall beziehe denke ich, dass ich anfangs alles andere als passende Hilfen hatte. Selbst als ich in einem eigentlich geschützten Rahmen war, erlebte ich weiterhin Gewalt (wenn auch deutlich weniger), weil man mir nicht glaubte, dass es sowas gibt. Trotzdem bin ich auf meinem Weg geblieben und habe nicht aufgegeben.
        Spätestens als ich mir aktiv Hilfe holte, hätten es meine Eltern ebenfalls tun können, aber sie haben sich anders entschieden. Sie haben sich dazu entschieden die Gewalt an mir zu bagatellisieren und meine Geschwister einzuschüchtern, damit sie das Jugendamt belügen und in der Familie verbleiben.
        Ich glaube die Wahrheit ist, dass meine Eltern beide Persönlichkeitsanteile besitzen, die mich lieben, aber dass die anderen stärker waren und sind. Meine Mutter hat beispielsweise auch extrem sadistische Persönlichkeitsanteile, die wirklich Freude an meinem Leid hatten und das auch im häuslichen Umfeld, ohne Druck von Außen auslebten.
        Es ist schwierig zu begreifen, wie Eltern ihren Kindern sowas antun können, aber ich glaube am Wichtigsten ist sich klar zu machen, dass es nicht an einem selber lag.

      • Unsere Mutter hat diese sadistischen grinsenden Anteile auch und übte auch ohne äußeren Druck Gewalt an uns aus. Ja, ihr habt Recht, die gewalttätigen Anteile haben bei ihr sicher überwiegt. Sie hat aber auch welche die sich auf ihre Art kümmerten um uns, da ist irgendwo in ihr auch ein Funken Liebe, irgendwie.
        Aber genau das ist es doch. Die schlechten Anteile sind überwiegend! Ist das eine persönliche Entscheidung? Oder hängt es vielleicht doch von ihren Traumatas und Abspaltungen ab, die sich gebildet haben?
        Hatte ich irgenwelcheln Einfluss darauf, welche und wie viele Täter-Anteile sich gebildet haben?
        Ich denke nicht, dass ich es beeinflussen konnte, vielleicht ist es tatsächlich irgendein Kern, der das beeinflussen kann, vielleicht sind es aber auch nur die Erlebnisse. Keine Ahnung, Fakt ist keine Geschichte ist zu 100% gleich.
        In unserem System kann ich sagen, ICH will kein Täter sein! Aber es gibt welche, die es am liebsten wären. So lange ich es irgendwie kontrollieren kann, wird es zu keiner Tat kommen. Aber leider gibt es Zeiten wo ich nicht anwesend bin. Was in diesen Zeiten passiert, das weiß ich nicht. Es gibt auch in der Regel keine Infos dazu für mich. Welche Garantie habe ich also, dass ich nicht selbst Täterin sein könnte?
        Zwar hat mir bisher niemand etwas solches unterstellt oder angedeutet. Auch vermeide ich es alleine mit Kindern zu sein. Aber ein Rest-Risiko besteht, denn die Täterintrojekte können selbst klar denken und vertuschen und Druck ausüben. Das weiß ich von den Selbstverletzungen her, da bin ich aber meistens nicht komplett weg.
        Und wenn es nach meinem Willen und meiner Entscheidung ginge, dann gebe es auch nicht diese abartige Selbstverletzung! Und doch kann ich entscheiden noch und nöcher, es ändert nichts an dem, dass es dennoch immerwieder ausgeübt wird…

      • Hm über deine Fragen musste ich erstmal eine ganze Weile nachdenken. Es fällt mir wirklich schwer dazu Stellung zu beziehen, da ich es immer nur aus meiner Lebenserfahrung einschätzen kann, aber wie du sagtest keine Geschichte zu 100% gleich ist und ich nicht weiß wie weit die Forschung da evtl. schon ist.
        Ich glaube, dass man keinen Einfluss darauf hat wie viele Täter-Anteile entstehen, aber dass auch diese Täter-Anteile später die Gelegenheit haben einen anderen Weg einzuschlagen. Du hast geschrieben, dass die Täterintrojekte klar denken können und das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn der sagt auch aus, dass sie die Möglichkeit haben Dinge zu hinterfragen und sich zu ändern.
        Wenn man selber kein Täter sein will, aber nicht genug Anteile diese Entscheidung mittragen, hat man es sicherlich schwer. Trotzdem kann man selber als der Anteil, der kein Täter sein will, das Risiko Täter zu werden zumindest minimieren. Wenn man eigene Kinder hat, wäre zum Beispiel ein wichtiger Schritt das Jugendamt mit ins Boot zu holen und die Kinder evtl. fremdunterbringen zu lassen bis man ihre Sicherheit gewährleisten kann. Das ist für niemanden schön und sicherlich alles andere als leicht, aber vielleicht die einzige Möglichkeit, wenn man die Kinder nicht anders schützen kann.
        Ansonsten gibt es die Möglichkeit sich in eine Klinik zu begeben oder ähnliches, wenn man fremdgefährdend ist.
        Es gibt meiner Meinung nach schon einige Möglichkeiten, um für Sicherheit zu sorgen. Die sind alle nicht besonders toll, aber mir persönlich wäre es das wert. Damit meine ich jetzt aber natürlich nicht, dass jeder, der Amnesien und täterloyale Anteile hat, sich in eine Klinik begeben muss, denn das hat wohl erstmal jeder mit einer DIS. Ich glaube wenn man in Therapie ist, ist das schonmal ein ganz wichtiger Schritt, um eigener Täterschaft vorzubeugen oder sie zu beenden.
        Meiner Erfahrung nach ist es nicht wichtig, dass wirklich alle Anteile sich gegen eine Täterschaft aussprechen, auch wenn ich persönlich das schon als Ziel sehe. Wichtig ist, dass es genug Anteile gibt, die kein Täter sein wollen und gemeinsam dafür sorgen können, dass keiner der Anteile zum Täter werden kann.
        Ich kann sagen, dass es bei uns gewährleistet ist, dass wir niemandem körperliche oder sexualisierte Gewalt antun, auch wenn es noch täterloyale Anteile gibt. Da bin ich mir auch ganz sicher, selbst wenn Dinge wie Selbstverletzungen oder das Essverhalten noch nicht optimal laufen. Ich finde es auch schwierig das mit Selbstverletzungen zu vergleichen. Bei uns ist „Kein Täter sein“ ein viel wichtigerer Punkt als „Keine Selbstverletzung“ und dementsprechend wird in „Kein Täter sein“ auch deutlich mehr Energie investiert. Natürlich ist es auch unser Ziel uns nicht selbstzuverletzen, aber auch unsere Kraft ist begrenzt und man kann nicht alles auf einmal schaffen. „Kein Täter sein“ ist neben „Kein Suizid“ ein Punkt, der für uns oberste Priorität hat. An allen anderen Zielen arbeiten wir, aber diese beiden Punkte müssen gewährleistet sein.

      • Das kann ich alles so unterschreiben.
        Wir haben kein Kind bekommen, als ich es eigentlich wollte entschied ich mich dagegen, weil ich mich dafür nicht für stabil genug hielt. (Wobei ich nicht glaube, dass ich schwanger werden könnte, aber das ist eine andere Story) Ich meide es mit Kindern allein zu sein, damit nicht die Chance besteht, falls da jemand in Versuchung käme. Wir machen Therapie und um ehrlich zu sein, gab es bis her nichts was etwas solches angedeutet hätte, das es Gewalt gegenüber andere Menschen geben würde.

        Mir geht es echt nur um Mutter und das Begreifen ihrer Taten. Und für sie gab es all die Möglichkeiten die ihr hier erwähnt habt nicht. In dem Land gibt es selbst heute kaum psychologische Hilfe. Damals gab es keine Jugendämter oder Kliniken, die etwas hätten helfen können. Das Land ist da immer noch „unterbelichtet“. Und Mutter stand ständig in entsprechender Umgebung.
        Ich erinnerte erst nach der letzten Klinik, also letztes Jahr. Meine Schwester ist 5 Jahre älter und erinnert noch nichts.
        Mutter ist abgehauen von Regen in die Traufe rein… Erst vor 15 Jahren setzten auch bei ihr Erinnerungen ihrer Traumen ein, vielleicht eher, aber ich weiß es erst ab da. Aber sie ist ihrem Mann hörig, geht nicht zu Therapie. Ist jetzt vielleicht auch eh egal. Hat ja keine Kinder mehr zu Hause, meine Schwester hat ihre Mädchen von ihr fern gehalten. Was mit den Enkeln ihres Mannes ist weiß ich natürlich nicht.

        Keine Ahnung, ob sie damals etwas dagegen tun hätte können. Keine Ahnung ob sie durch und durch bösartig ist oder es nicht wusste und auch nicht kontrollieren konnte. Sie glaub an Gott, jedenfalls ist sie in einer strengeren Kirche, danach Leben tun die Beiden nicht so wirklich in meinen Augen. Soll doch Gott über sie und deren Herzenszustand urteilen! Soll er doch richten und straffen!
        Ich komme anscheinend zu keinem Ergebnis!
        Aber wenn ich, trotz meiner Entscheidung gegen Selbstverletzung, trotz meinem Wunsch nach gesundem Suchtfreien Essen und diversen anderen Angelegenheiten, so gut wie gar nichts im Griff habe, dann weiß ich auch nicht wie sie so völlig ohne jegliche Hilfe etwas hat machen können.
        Und jetzt mag ich nicht mehr! Habe genug und will dieses Thema nicht mehr durchkauen. Es macht mich alles gerade traurig, erscheint so sinnlos! Ich sollte aufhören verstehen zu wollen, damit ich nicht noch mehr verzweifel.
        Keine Ahnung…

        Ganz liebe Grüße und denke dir/euch vom Herzen für eure Zeit und Kraft 💖

      • @vergissmeinnicht….
        Nein, hör nicht auf zu verstehen…..ich habe all diese Auseinandersetzung schon vor langer Zeit hinter mir, sogar schon vor der Diagnose DIS/DDNOS. Und es hat mir sehr geholfen, dass ich irgendwann erkennen konnte, dass meine Mutter z.B. auch gerungen hat und eben nicht die Hilfen hatte, die uns heute zur Verfügung stehe (Bücher lesen, Vorträge besuchen, Psychologie studieren, über Diagnosen lesen….) Es ist zu hart – finde ich mit solchen Urteilen über andere zu richten, egal was passiert ist. Natürlich haben sie Schreckliches anderen angetan, und diese Taten sind verurteilenswert. Aber ich „werfe nicht den ersten Stein“ (wenn ihr meint ich bin katholisch ausgerichtet und deshalb so etwas zitiert, dann irrt ihr Euch) . Ich bin nicht lange genug in den Schuhen von jemand anderen aus dieser Zeit, wo Hilfe gar nicht vorhanden war- gegangen um gänzlich beurteilen zu können, was in so einem Menschen vorging. Ich bin kein Richter und will es auch nicht sein. Was ich versuchen kann ist – zu verstehen – und das hat mit dem Herzen zu tun und nicht mit dem Verstand und mit Erfahrungen.
        Meine Mutter ist 1920 geboren worden, hatte ein Scheißleben, bestimmt so Scheiße wie ich, Armut, Krieg, Grundschule und ist mit einem Gedankengut aufgewachsen wo es legitim war Kinder zu prügeln, dass Frauen nichts zu sagen und zu bestimmen hatten, wo man ohne Mann nichts wert war und mit einem ledigen Kind war man damals Abschaum.
        Nein, ich will meine Mutter nicht entschuldigen, aber ich will fair bleiben.
        Auch denke ich – ohne an einen Gott zu glauben – dass alles Leben und Geschehen einen Sinn hat (auch mag es noch so unsinnig und unbegreifbar für unser kleines Gehirn sein), dass da etwas Größeres als wir selbst am Wirken ist – kann man diese Art der Fairness vielleicht nicht entwickeln.

      • In so mancher Abgrenzung liegt mehr liebe und Fairness, als in allem Reden von Verständnis und Gerechtigkeit. Ich finde bei sich selbst anzufangen und sich auf sich und die eigenen Emotionen zurückzubesinnen, den besten und einzigen Weg für echte Wertschätzung von sich und anderen. Es braucht den Standpunkt für sich, bevor man einen echten Blick auf andere werfen kann. Die Geschichte einer Mutter, ist doch ohnehin zur eigenen geworden. Insofern halte ich das vorhaben von Vergissmeinnicht für sehr sinnvoll und heilsam.

        Wohl jeder, der Viele ist, ist in den Schuhen eines Kindes und Jugendlichen gegangen für das Hilfe nicht vorhanden war. Sonst wäre man nicht Viele. Die „hilflosen“ Zeiten sind wohl keinem Multi fremd und dennoch geben manche die Gewalt einfach weiter und andere entscheiden sich dagegen. Diese ganzen Debatten um frühere Zeiten empfinde ich meist als Ausflüchte aus Fakten von Handeln und nicht Handeln. Das hat für mich nichts mit richten zu tun, sondern mit Realität. Wenn wir uns als Gesellschaft nicht eingestehen, dass wir im Alltag nunmal auch mit unberechenbaren Arschlöchern zu tun haben und da schon wieder mit „Streicheleinheiten“ für die Täter anfangen, wird das schwierig mit Gewaltprävention für die Zukunft. Die Programme, die derzeit für Pädophile laufen könnten maximal 50% aller möglichen sexual Straftäter erreichen, weil die anderen 50% gar nicht zu dieser Personengruppe gehören, geschweige denn selbst traumatisiert sind. Sie haben oft auch keine andere psychische Erkrankung und dennoch begehen sie ihre Taten. Das ist so ein Fakt, der auch in der Mikado-Studie der Universität Regensburg zum Ausdruck kommt und über den dringend nachgedacht werden sollte, um das Geld nicht weiter zum Fenster hinauszuwerfen, sondern wirkliche Hilfen zu finden.

        Wenn es um Fairness geht, wünsche ich mir die zuerst und vor allem für das verdammt traumatisierte und im Stich gelassene Kind in einem selbst.

      • Geht mir auch so, will nicht den ersten Stein werfen.
        Möchte auch fair sein. Aber ich kann ohnehin nicht in ihr Herz sehen, auch nicht in ihre Innenwelt… Daher kann ich nicht urteilen, und aber auch nicht unbedingt verstehen.
        Will es aber gerade echt nicht mehr, es raubt so Energie und ich kann gerad nicht mehr. Brauch sie für ne Kleine in mir, die uns so weinen lässt… Habe zu wenig davon zur Zeit…
        Auch euch alles Liebe Melinas 💖

      • Wir wünschen dir viel Kraft und hoffen, du findest mit den anderen in dir einfach deinen ganz eigenen Weg! Lass dich nicht von der Meinung anderer verunsichern. Auch nicht von unserer. Schau einfach, was für dich selbst letztlich am stimmigsten ist und vielleicht wechselt das auch hin und her einfach je nach Phase im Heilungsprozess.

        Liebe Grüße,
        Sofie

      • Okay, dann schreibe ich auch erstmal nichts mehr zu dem Thema. Es ist auch wichtig zu erkennen, wann man eine Pause braucht und ich finde es gut, dass du da für euch sorgst.
        Ich glaube im Endeffekt muss das jeder seinen eigenen Weg finden und es gibt nicht den einen Weg. Aber das ist ein langer Prozess und braucht Zeit.
        Ich hasse meine Täter beispielsweise alle nicht und habe auch keine Rachegedanken, aber ich hasse was sie getan haben und wünsche mir, dass sie gestoppt werden. Verziehen habe ich aber keinem und es ist auch nicht mein erklärtes Ziel. Wenn es sich irgendwann von alleine ergibt, werde ich mich nicht dagegen sträuben, aber ich werde es auch nicht forcieren, denn es ist mir kein persönliches Anliegen ihnen zu verzeihen und ich sehe es auch nicht als notwendig für meine Gesundung an. Andere Leute sehen das anders und das ist auch okay. Wir sind alle verschieden und müssen gucken, was für uns hilfreich ist und uns gut tut. Ich wünsche dir/euch, dass ihr den Mut und die Kraft habt euren eigenen Weg zu finden!
        Danke für den Austausch und alles Liebe ❤

      • Danke euch.
        Wir sind uns da ähnlich. Rache oder Hass Gefühle habe ich auch nicht (wobei es hier glaube ich schon welche gibt, die Genugtuung wollen), aber verzeihen kann ich das ebenfalls nicht. Stoppen sollte man sie schon alle, nur wie?
        Man sollte sich bestimmt mehr auf sich und das liebevolle Miteinander konzentrieren, das bringt bestimmt mehr Heilung, als sich den Kopf um die Täter zu zermatern. Das kommt mir gerade fast wie Ablenkung vor, um sich selbst (also die EPs hier) nicht zu spüren oder zu hören…
        Ja, brauche Pause… Heute wieder Flashbacks und so kaputt. Vor lauter nicht aushalten wollen/können, hab ich die kleine rausgeholt und mit ihr in eine Höhle geflüchtet, keine bessere Idee, bloß raus da, weg da so unerträglich, kann nicht mehr… Alles gerade zu viel…
        Alles Liebe euch 💖

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