Ich liege im Bett. Es ist früh am Morgen. Die Katze schnurrt neben mir. Wir kuscheln uns beide in die warme Decke. Meine Gedanken beginnen den Tag mit einem traurigen Thema – dem Tod durch die Folgen von Vergewaltigung. Dabei geht es mir als Ursache gerade weniger um direkte Verletzungen oder Schockzustände während dem Trauma selbst, als mehr um die langfristige Gefahr deshalb verfrüht aus dem Leben zu scheiden. Neben körperlichen Spätfolgen durch den posttraumatischen Dauerstress ist auch die Suizidwahrscheinlichkeit drastisch erhöht. Vergewaltigung ist damit ein Verbrechen, das leider allzu oft permanente Todesnähe in das Leben der Opfer bringt.
Ein bekannter Fall, der mich persönlich sehr bewegt, ist der der Gefängnispsychologin Susanne Preusker. 2009 nimmt sie ein Straftäter im Vollzug als Geisel und vergewaltigt sie über sieben Stunden. Erst dann befreien Einsatzkräfte Preusker. Sie schreibt später ein Buch über ihr Martyrium und spricht in Talkshows sowie einer Dokumentation über ihr Erleben nach der Tat. In vielem was sie sagt erkennen wir uns ein Stückchen selbst wieder. Die Leere, die Ängste, die extremen Anstrengungen um normalen Alltag. Über ihre Erfolge freut sie sich mit ihrer Familie. Dem Täter macht sie per Brief eine klare Ansage. Er habe sie nicht gebrochen. Sie spricht immer wieder davon, dass sie es schaffe. Von außen sieht man die starke Frau die so vieles meistert – trotz allem. Selbst Psychologin weiß sie viel über die Psyche nach dem Trauma. Ihrem emotionalen Erleben versucht sie ganz rational beizukommen und es so für sich verständlich und begreifbar zu machen. Es scheint, als gewinne Sie den Kampf. Im Februar 2018, neun Jahre nach der Tat, nimmt sie sich das Leben.
Wer während eines Traumas so nahe am Tod gekratzt hat, hat Mühe seine Seele wieder auf diese Welt zurückzuholen. Man hängt zwischen den Welten, steht nur noch mit einem Bein auf der Erde und tut sich schwer das andere Bein wieder fest hierher nachzuziehen. Je nach Situation wird man zum Pendel zwischen Leben und Tod. Nie weiß man vorher wohin es ausschlägt. Es ist tückisch zu schnell zu denken, es werde die Richtung nicht mehr ändern, wenn es länger auf der lebendigen Seite war. Therapie hilft ein Stück weit die Ausschläge zu lenken und sich dauerhaft zu entscheiden am Leben bleiben zu wollen. Nach meiner Überzeugung folgt der Körper letztlich der Seele. Die Seele versteht keine Ratio. Sie kommt über gelebte Emotion zurück.
Mein Mann und ich hatten den Film gestern ebenfalls gesehen.Ich fand ihn sehr berührend/bewegend und dennoch fehlten mir irgendwie wichtige Dinge darin.
Auch ein Nachruf; ein Wachrütteln; irgendetwas, das auch Nichtbetroffene besser fühlen ließe, wie viel Not diese Ohnmacht und diese allgegenwärtige Täterloyalität hervorruft.
Aber ja – irgendwie ist das Leben nach Gewalt sehr nah am Sterben. Der Tod als (Er-)Lösung gegenwärtig.
Ich wünsche allen Menschen nach Gewalt die Kraft, sich stets für das Leben zu entscheiden.
Oh, was kam denn gestern für ein Film? Hab ich gar nicht mitbekommen. Die Geschichte von Susanne Preusker habe ich schon länger verfolgt. Zwischendrin denke ich mal wieder dran und finde es immer wieder bewegend.
Liebe Grüße,
Sofie 😊
Der Film zu ihrer Geschichte lief gestern auf Arte. Ich hatte gedacht, Du nahmst hierauf Bezug?
https://www.arte.tv/de/videos/078114-000-A/sieben-stunden/
Nein, das ist tatsächlich Zufall. 😊 Davon wusste ich gar nichts. Nachdem ich derzeit keinen Fernseher habe, beschäftige ich mich auch gar nicht mit dem Programm. 😊 Werde ich Mir gleich mal anschauen. Danke dir für den Link und den Hinweis!
Liebe Grüße,
Sofie
Macht mich traurig, das zu lesen 😔
Wir finden das auch sehr traurig! Uns hilft ein bisschen, wenn wir dabei dennoch im Kopf behalten, dass das Wunder der Heilung grundsätzlich möglich ist.
Liebe Grüße,
Sofie
… ich fand es absolut respektlos und traurig und erbärmlich, dass der Film ohne Nachruf ausgestrahlt wurde!
Ja, das wäre wirklich schön gewesen! Hab mir den Film gestern online angesehen und wusste nicht, ob der Nachruf vielleicht nur dort fehlt.
das ist ganz arg wahr und gut geschrieben. danke dafür.
Gerne! Danke für deine liebe Rückmeldung! 😊
Erschütternd solche Schicksale …
Deswegen möchte ich behaupten, eine Vergewaltigung ist Seelenmord! Gerade die im Kindesalter!
Ich hab den Film auch nicht gesehen, hole ich vielleicht noch nach. Aber sie war Erwachsene, hatte familiären Halt, war Psychologin… und doch war die Todessehensucht stärker.
Was sollen dann solche wie wir sagen? Ein vernachlässigtes Kind, dem keiner half, die Taten nicht etwa einmalig sondern Alltag…
Gebe es diese starke Dissoziation Fähigkeit nicht, wären wir alle schon 100 mal Tod!
Vielleicht sind wir genau deshalb mehr im Zweifel unterwegs als in der Erkenntnis. Suizidal sind wir trotzdem sehr oft, es ist ein Dauerkampf!
Deswegen sollte man auch Strafrechtlich gesehen Sexuelle Gewalt mit Mord gleich setzen!
Zumal diese Qualen, die wir Tag für Tag über so viele Jahrzehnte mit machen müssen, selbst lange nach der Gewalt, weit schlimmer sind, in meinen Augen, als wenn wir damals gestorben wären!
Liebe Grüße
Hallo, 😊
ja, da habt Ihr recht. Strafrechtlich dürften diese Taten deutlich an Gewicht gewinnen. Bei so manchen Urteilen wird einem wirklich schlecht. Bewehrung gäbe es für mich da sowieso nicht mehr. Aber wie drastisch diese Taten das Leben der Opfer verändern wird auch im Strafrecht immernoch verharmlost.
Liebe Grüße,
Sofie
Ja, leider ist das so. Und Bewehrung finde ich auch verkehrt.
LG 💖
Da wäre ‚lebenslänglich‘ angebracht, denn lebenslänglich (ohne wenn und aber) haben wir auch bekommen…
Das sehen wir auch so! Und das Schmerzensgeld ist oft leider auch lachhaft…🙄 Wenn es nach uns ginge, müssten die Typen da richtig schuften und blechen.
Ja, das stimmt.
Mit eventuellen Ausnahmen, je nach Fall (Unzurechnungsfähigkeit).
Ja, auch wenn man uns Rachegelüste vorwerfen kann: ich finde auch solche durchaus angemessen
Laue Abendluftgrüße
Sanne
Absolut. In einem gewissen Maß halte ich das sogar für gesund.
Wobei: wir lasen heute eine Idee, die uns noch besser gefällt:
Die beste Rache ist eigentlich, den Tätern zu zeigen, dass sie uns nicht brechen konnten, dass wir trotz allem heute ein gutes Leben führen.
Liebe Grüße
Sanne
Ich bin wirklich dankbar dafür, dass das Thema angesprochen wird. Egal, wie viel ich mich umgesehen habe, scheint es lieber ignoriert, als offen angesprochen zu werden. Danke, für den Hoffnungsschimmer!❤️