Mein Mund zieht sich vor Säure zusammen. Schief verziehe ich das Gesicht und kräusle dabei die Stirn. Während ich einen Schluck aus der Wasserflasche nehme, merke ich, dass selbst die Zähne sich von dem sauren Geschmack stumpf anfühlen. Im Gesicht entwickelt sich Hitze. „Hui.“ Damit hatte ich nicht gerechnet. Rahbarberkompott schmeckt also nicht ohne Zucker. Hätte ich in eine frische Zitrone gebissen, wäre der Effekt nicht anders gewesen, außer, dass ich mich darauf einstellen hätte können. Da habe ich die rot-grünen Gemüsestangen wohl unterschätzt. Unvorhergesehener Weise bin ich jetzt hell wach und orientiert. Es sieht ganz danach aus, als kann man sich Skills auch zubereiten. „Eine Portion Orientierung aus dem Kochtopf, bitte.“ Da ich allerdings für den Moment genug davon habe, dosiere ich mir ordentlich Zucker nach. Ich schmecke dann doch lieber die Süße des Lebens, wenn ich Desserts esse.
Monat: Mai 2019
Kaffeplauderei

Die Kaffeemaschine rumpelt hart und ungemütlich in meinen Ohren, als ich mir den ersten Kaffee des Tages zusammenbraue. Das Geräusch lässt mich aufwachen, noch bevor ich einen Schluck nehmen kann. Ob das der Sinn der Sache sein kann? 🤔 Ein Esslöffel Amarettosirup und reichlich Milch vollenden mein morgendliches Heißgetränk. Vorsichtig bewege ich die Tasse Richtung Tisch. Um ein Überlaufen zu verhindern schlürfe ich etwas davon ab. Der „eklige Kakao“ stößt innen vor allem bei den kleinen Körpermitbewohnern eher auf wenig Begeisterung. Geschmackssachen sorgen manchmal durchaus für inneren Gesprächsstoff.
Ein Teil der Geschichte

Die dicke grüne Kerze flackert in der Laterne auf dem Balkon. Heute erst habe ich die grau-braune Winterkerze ausgetauscht. Sie hat nun ausgedient. Als ich hinspüre merke ich, dass sich die Stimmung dadurch verändert. Es ist fast, als würde die frische Farbe der neuen Kerze das Leben aus der Natur um sie herum aufgreifen und mit ihrem Licht vor Freude strahlen. Die beiden Katzen sitzen vor der Tür und beobachten den Garten. Für einen Moment überlege ich, ob ich mich zu ihnen an die kühle Luft geselle. Immer wieder schleicht ein kleiner Tiger zu mir herein, grüßt mich kurz mit einem Nasenstupser und zieht dann wieder davon. Langsam fröstelt mich auch im Innenraum. Wichtig ist nämlich: Hauptsache die Tür bleibt offen! Geschlossene Türen veranlassen die Katzen zu lautstarkem Protest. Da ich mir das ewige auf und zu ersparen wollte, zittere ich nun also unter einer dicken Decke. Immerhin darf ich in ihrer Wohnung wohnen und bin dankbar für das Asyl, das mir die Katzengötter gewähren.
Ein erschöpfter Sonntag

Die letzte Woche war hart. Zwei Tage hielt mich nur Beruhigungsmittel am Leben. Eigentlich nehmen wir so etwas gar nicht. Seit der Klinik haben wir es als Bedarfsmedikament im Schrank stehen. Zum ersten Mal war ich nun froh darum. Anders hätte ich das, was sich da derzeit in mir auftut nicht ausgehalten. Ich fühle mich, als wäre ich irgendwo zwischen Leben und Tod hinter einer dicken Nebelschicht und stehe völlig neben mir. Immer wieder schaue ich auf die Bilder in meinem Kopf und frage mich, wie pervers und abartig Menschen eigentlich sein können.
Rituelle Gewalt als Alltagsperson erschließen

In den letzten Tagen haben wir uns aus persönlichen Gründen nochmals sehr intensiv mit dem Bereich der rituellen Gewalt auseinander gesetzt. Anlässlich der Feiertage haben wir Revue passieren lassen, wie unser Heilungsprozess in den letzten Jahren im Bezug auf diese Thematik verlaufen ist. Ohne Zweifel war es der Teil unserer Geschichte, der die größten Widerstände in uns hervorbrachte. Obwohl die Erinnerungen eindeutig in unserem Kopf waren, leugneten wir lange vehement. Die Annäherung bedeutete ein jahrelanges, schmerzhaftes Ringen, um innere Wahrheiten. Neben vielen anderen Stolpersteinen auf dem Weg stellte ein besonderes Problem auch das öffentliche Bild dar, das von ritueller Gewalt existiert und das es mir als Alltagsperson zusätzlich schwer machte meiner Wahrnehmung zu vertrauen. Denn das war nicht „meine“ Welt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich nur sehr begrenzt überhaupt bewusste Erinnerungen. Es klaffte ein tiefer Graben zwischen meiner Geschichte als Alltagsperson und der Geschichte anderer Innenpersonen. Den galt es zu überwinden. Unterschiedlicher hätten die Lebensrealitäten nicht sein können.