Entscheidende Kämpfe

Starr liegt sie da. Die Haare zerzaust. Das Hemd zerknittert. Die äußere Ruhe macht den inneren Sturm ungesehen. Angststarre. Zugesagt…. absagen…. zugesagt… absagen. Die Gedanken spielen schwarz weiße Kreise. So kurzfristig. Einfach nicht hingehen. Ganz ohne krank zu sein. Oder doch irgendwie, aber nicht richtig. Nur so im Herzen. Nicht im Körper. Darf man das? Wenn es einem doch gut geht und nur die Seele versagt!? „Ich bin krank“, hört sie sich innerlich hunderte Male sagen. Dabei sieht sie sich zitternd den Telefonhörer in der Hand halten. Ebenso oft schreit ihr die anerzogene Zuverlässigkeit zurück, wie unmöglich sie sei, sich so anzustellen wegen nichts. Empfundene Lüge. Obwohl sie wahr ist. Nur anders. Wegen ein bisschen Trauma.

Das bisschen Trauma hämmert mit einer Wucht gegen die Schädeldecke, dass ihr der Schmerz in alle Glieder fährt. „Warum nur ist es so schwer das als krank anzuerkennen?“ Sie zittert und schnieft. Tränen fluten die Augen. Nach ein paar Stunden wäre alles vorbei und niemand wäre enttäuscht von ihr. Sicher – einen Haken gäbe es. Vermutlich würde sie hinterher vor Panik und Überforderung sterben wollen. Doch aushalten, sich noch einmal einfach durchbeißen und nur für sich leiden, das könnte sie für diese Zeitspanne schaffen. Ist man dann auch krank? Wenn man doch kann, aber kurzfristig nicht mehr will, weil man danach nicht mehr kann? Wenn man doch eigentlich Spaß daran hätte – unter anderen Umständen mit einem anderen Gehirn. Wenn man die Personen doch eigentlich mag und ihnen den Wunsch gerne erfüllen würde. Die Beine tragen, aber die Seele nicht.

„Wenn du körperlich krank werden würdest, würden sie es auch akzeptieren!“ Die beste Freundin schaut sie liebevoll an. „Ja, das stimmt wohl.“ Doch ihren Schmerz sieht niemand. Er ist nur die dunkle Wolke in ihrem Kopf und die Zwangsjacke um ihr Herz, der sie handlungsunfähig macht. Wer seelisch krank ist, gilt schnell als undiszipliniert. Denn wenn man nur etwas motivierter, ehrgeiziger und aktiver wäre, dann könne man sich selbst an den Haaren aus dem Sumpf ziehen. So machen es ja auch alle Anderen, tönen sie zumindest. Verstand ist die neue Waffe gegen alle emotionale Menschlichkeit. Sie ist ehrgeizig, perfektionistisch und eine Koryphäe auf ihrem Gebiet. Schon immer Einserschülerin, sozial engagiert und was sie anfasst hat Hand, Fuß und Herz. Nur privat, privat ist sie innerlich tot.

Sie versteht, dass heute vieles anders ist als früher. Doch in ihrem Herzen drückt das Grauen. Es stolpert sie durch den Tag. Absagen – wo doch heute alles gut ist. Absagen – weil das Grauen sie innerlich zerstört. Wann darf man aufgeben? Als Traumakämpferin gegen sich selbst. Und wenn man den anderen absagt, sagt man dann seinem Trauma zu, dass man sich darum kümmert? Sie weiß längst, dass sie die Depression immer dann streichelt, wenn sie sich überfordert. Doch ihre Ansprüche sind hart. Sie will mehr, als das, was sie zu leisten eigentlich im Stande ist. Mehr als das Nichts unter ihren Füßen, wenn sie einmal kurz stehen bleibt. „Du bist kaputt“, denkt sie. Ihre Seele schreit. Folter. Folter. Folter. Die Gedankenprügel treffen so hart wie die Gürtelschnallen von damals auf die nackte Haut. 

Zugesagtes absagen? 

Sie möchte, doch sie ringt. Gegen den inneren Antreiber, der sie unermüdlich peitscht. Nur noch einmal… dieses eine Mal… um der Ablehnung zu entgehen und der Enttäuschung, die sie macht. Auch sich selbst. Wegen ihrer Seelengrippe und den inneren Horrortripps. 

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19 Kommentare zu “Entscheidende Kämpfe

  1. Eine Erkältung geht vorbei….ein Trauma….nicht (so ).
    Was also ernster nehmen?
    Ich finde, ihr habt eure Frage hier bereits selbst hinreichend beantwortet.
    Wenn es etwas ist wofür man den Preis hinterher gern bezahlt…ok. dann ist es das vielleicht wert. Wenn man nur hingeht, weil man sich seine Krankheit nicht eingestehen will…weil man sich mit bloßem Willen heilen und alles wegoptimieren will, was echt ist, nur um sich noch ein Stück kaputter zu fühlen oder zu machen…nein. eher doch nicht oder?
    Steht zu euch. Es ist okay. ❤

    • Hallo lunis !
      Zu dem, was ihr im Januar geschrieben habt zu diesem Problem sich selbst krank ernstzunehmen :
      eine Erkältung geht vorbei, ….ein Trauma… nicht,
      ging mir grad noch durch denn Kopf, daß ja vielleicht auch der Vergleich, den ihr hier gemacht habt, und den wir selbst auch so oft gemacht haben, weil wir doch (auch) dieses unsere- Probleme- kleinmachen so gut gelernt haben, noch sehr verharmlosend ist, … eine Erkältung geht schließlich wieder vorüber , ein komplexes Trauma aber ist eine chronische, eine tiefgreifende Erkrankung wie Diabetes oder ähnliches, sie ist sogar noch ernstzunehmender als eine Erkältung. Und bei der ist man doch oft vernünftig genug, und sagt dann ab.? …
      🤔🤔🤔
      Es arbeitet in uns dieses Thema, dieses Absagen, damit Hab ich mich auch so oft auseinandergesetzt in all den Jahren, die ich schon mit meinen “ eigenheiten“ hadere.
      Also danke für euer plädoyer dafür, das trauma für sich ernstzunehmen !

  2. Puh, berührt mich grad sehr, weil das hier auch allzu bekannt ist. Danke für das in Worte fassen, wofür hier oft genug die Worte fehlen.

  3. Klasse Text!
    Kenne diesen Kampf auch. Immer wieder. Manchmal ist es mir klarer, manchmal sind die Schuld-Schamgefühle zu groß.
    Den Gedanken von lunis finde ich gut: Lohnt sich der Preis?
    Immer wieder eine Gratwanderung.

  4. Ihr Lieben,

    wie gut wir Euch in diesem Kampf verstehen können…!
    Es ist wie ein unsichtbarer (im wahrsten Sinne des Wortes) Feind, gegen den wir täglich ankämpfen.
    Nein – wir haben doch nichts. Ihr ja, aber wir wirklich nicht – unsere Diagnose steht ja nicht einmal im aktuellen Handbuch drin. Wir haben nichts. An guten Tagen, wenn vieles in den Hintergrund tritt und wir funktional sein können/ viel erledigen können, schelten wir uns im Innen: Wir sind Drückberger, Nichtsnutze, lassen uns hängen und müßten einmafch nur mal den Ar*** hoch kriegen.
    An schlechten Tag wollen wir sterben, wissen nicht, wie lange wir das alles überhaupt noch überleben sollen. Nein, es ist eben nicht alles vorbei. In unseren Hirnstrukturen wirkt und existiert es weiterhin. Mit ‚Think positive‘ und geh mal an die frische Luft ist da nichts zu retten. Dann umzingelt uns das Grauen und nichts geht mehr. Dann sind wir heilfroh, wenn wir dann auch nichts müssen. Dann hoffen wir stumm auszuhalten, bis alles wieder besser werden möge…

    Wir sind ganz bei Euch.

    Viele liebe Grüße aus der Himbeersplitterei

    • Ihr lieben Himbeersplitter,
      es ist schön zu merken, dass es Menschen wie euch gibt, die uns verstehen! 😊 Das macht die Unsicherheit etwas erträglicher.

      Kommt sie denn im ICD-11? Da ist ja doch einiges mehr vertreten…

      Diese erniedrigenden Stimmen kennen wir nur zu gut. Besonders traurig finden wir, dass es vermutlich noch nichtmal unsere Meinung ist, sondern so sehr von außen eingepflanzt wurde.

      Liebe Grüße,
      Sofie

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