Im inneren Kreuzfeuer

Es sind Tage wie dieser, an denen die Verzweiflung im Innen so hochkocht, dass nur noch wüste gegenseitige Beschimpfungen übrig bleiben. Wobei ich alleine dafür, dass ich soeben das Wort Verzweiflung benutzt habe, die nächsten Morddrohungen erhalte. Selbstverständlich ist hier niemand verzweifelt, sondern sauer, wütend oder frustriert. Die Kapitulationslage war meine Interpretation. Wie konnte ich nur!? Ich atme ein paar Mal tief durch. Als lächelnde Funktionsfassade sitze ich vor dem inneren Terror. Sofern Anfeindungen gegen Außenmenschen ausgesprochen werden, bemühe ich mich um eine sozial verträglichere Formulierung, als die, die mir im Innen um die Ohren fliegt. Statt „blöde Kackbratze“ kommuniziere ich, dass wir wohl völlig aneinander vorbei geredet haben. Aus „Leck mich doch am Arsch, du ahnungslose Hure“ mache ich ein: „Ich glaube da fühlen sich im Innen manche wirklich ungesehen.“ Was für mich bleibt ist das Gefühl mein Kopf wird gleich in tausende Teile zerspringen und schwallartige Tränen der völligen Überforderung.

Als Kommunikationskampfübersetzerin hat man es nicht leicht. Einerseits möchte ich so nah wie möglich am Kern der Botschaft bleiben. Andererseits habe ich schon verloren, wenn ich den Mund aufmache. Alles wird falsch sein. Denn es ist gefühlt nicht mehr das, was die Innens sagen wollen, obwohl es meiner Meinung nach die Quintessenz trifft. Schweigen versagt erst recht. Das wäre der Verrat an Ihnen. Sie Mundtot zu machen für eine verachtenswert falsche Fassade, das kenne Sie. Ihre Worte sind von Herzen echt. Sie formen sie nicht, um anderen zu schaden, sondern um ihren Schmerz auszudrücken. Leider haben Mitmenschen meist nur wenig Verständnis für knallharte Beschimpfungen. Ich kann beide Seiten verstehen und sitze doch zwischen den Stühlen. Es kostet mich alle Kraft, mich im Außen festzukrallen und einen Wechsel zu verhindern. Manchmal fühle ich mich danach als hätte ich mich verraten. Vermutlich habe ich das auch getan. Ich war zu feige, um auszuprobieren, ob die Beziehung auch die echte Emotion dahinter trägt. Dabei möchte das Kind in mir wissen, ob es geliebt wird um jeden Preis, ohne angepasst zu sein.

Im Laufe der letzten Jahre haben wir über unser Innen viel gelernt. Mir ist inzwischen klar, dass diese Ausbrüche von Aggression immer an den Stellen auftreten, an denen es innerlich emotional eng wird. Mit der Arbeit an gewissen Erinnerungen haben wir eine neue Dimension im Innen eröffnet. Es gilt die Welt einiger Innenpersonen neu kennenzulernen. Dabei verstoßen wir natürlich gegen Täterregeln. Wie sollte es also anders sein, als dass auch die inneren Alarmsysteme ins Straucheln geraten!? Die Frage ist, wie man am besten damit umgeht. Sich dauerhaft von diversen Themen fern zu halten kommt als Lösung ebenso wenig in Betracht, wie Augen zu und durch. Wir werden auch dieses Mal nicht drum herum kommen viel zu reden und unsere innere Auseinandersetzung nach Außen zu vermitteln. Dabei hassen wir gerade in diesen Phasen nichts mehr, als das ständige Erklären und Kommunizieren und in Beziehung sein. 

3 Kommentare zu “Im inneren Kreuzfeuer

  1. Das klingt sehr anstrengend. Aber ich glaube es ist wichtig, die Täterregeln überschreiten zu lernen, denn es sind nicht deine Regeln. Du (bzw. ihr) machst heute die Regeln. Alles Gute!

  2. Ich musste gerade ein winzig kleines bisschen grinsen, denn die Vorwürfe kenne ich auch (Musst du immer so nett sein – du hältst ja eh nur zu denen, etc, pp) und ebenfalls den unbändigen Wunsch von innen, einfach mal sagen zu dürfen, was man grade denkt und fühlt, auch wenn es nicht sozialverträglich ist.
    Aber ich fürchte, das ginge hier nicht mal, wenn es erlaubt wäre.
    AR hat es mal versucht und es hat sich
    angefühlt, als wäre er auf stumm geschaltet gewesen.

    Die oppositionellen Kräfte, die, die Angst haben, dass man dann nicht mehr gemocht wird, sind da so viel stärker…

Kommentar verfassen: Entscheidest du dich für das Absenden eines Kommentars wird deine IP-Adresse, deine E-Mail-Adresse, dein Name und ggf. deine angegebene Webseite in einer Datenbank gespeichert. Mit dem Klick auf den Button "Kommentar absenden" erklärst du dich damit einverstanden.

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..