Allein beim Italiener

Ich sitze beim Italiener. Im Hintergrund dudelt die übliche Schnulzenmusik. Wir sind spontan hier gelandet. Mit uns alleine. Während wir auf unser Essen warten, denken wir vor uns hin. Leichte Panikschübe klopfen immer wieder an. Ersticken!? Nicht hier. Nicht jetzt. Die Angst hängt hoch in den letzten Tagen. Wo führt sie uns hin? Zwischen Wehrhaftigkeit und totaler Ohnmacht drehen wir unser Fanta zwischen den Fingern. Schwitzt die Limo oder sind unsere Hände so feucht?

Meine Muskeln sehnen sich nach Entspannung. Ich horche nach innen. Manchmal verlieren wir uns im Alltag. Nun haben wir Pause. Alles in mir nutzt die Zeit zum durchatmen. Wir freuen uns auf die Nudeln und haben gleichzeitig Angst, dass sie uns umbringen werden. Schwieriges Thema diese Nahrungsaufnahme. Es gibt Tage, da fühlen wir uns so, als würden die Tortellini uns gleich vom Teller an den Hals fassen und uns die Luft abschnüren. Ich bin gespannt, wann ich diesbezüglich des Rätsels Lösung finde. 

Erschöpfung macht sich breit. Noch bevor ich richtig mit dem Essen begonnen habe, will ich einfach nur nach Hause. „Einpacken, bitte.“ Traurig laufe ich aus der Tür und bin doch froh kurz hier gesessen zu haben. Ein Versuch. Kurzer Kontakt mit mir, mit der Angst in uns. Zu Hause darf alles heute ruhen. Ein paar Tränen vielleicht. Einfach sein. Schlafen.

17 Kommentare zu “Allein beim Italiener

  1. Liebe Sofies, uns geht es leider auch nicht besser 😦 Wir haben herausgefunden, dass es zum Einen daran liegt, dass die Täter*innen sehr viele gute und genießbare Wörter für Lebensmittel in etwas ganz anderes verwandelt haben. Wir möchten das hier nicht näher ausführen. Aber Wörter wurden einfach in was ganz anderes „verdreht“. Dann liegt es an der ständigen Panik bei den Tätern zu ersticken. Weil wir ständig was im Mund hatten. Ständig keine Luft mehr bekamen. Dinge schlucken mussten die einfach eklig waren. Materielle Dinge wie auch Zusagungen. Wir wären eklig, dreckig, nichts wert usw….Das zu wissen macht es nicht viel besser. Es gibt Zeiten, da kämpfen wir um jeden Bissen. Nicht, weil wir magersüchtig oder so wären, sondern weil einfach der Hals sagt er will nicht. Für uns ist das echt heftig und hat auch schon zu echt kritischen Zeiten geführt. Wir haben unser Notfallprogramm für ganz schwierige Zeiten. Aber wenn dann selbst das nicht mehr greift wird es echt schwierig. Ein ganz entscheidender Faktor bei uns ist auch Stress von Außen. Wenn der noch dazu kommt, dann geht gar nichts mehr. Das ist so heftig! Und es nervt uns so dieses Thema. Wir versuchen dran zu arbeiten so gut wir können. Bei uns ist und bleibt es ein heikles Thema. Wir hoffen, ihr konntet es zumindest noch zu Hause essen. Bei uns geht das dann meistens leider nicht mehr.

    • Hallo sunnies,
      wie schrecklich, dass es euch auch so geht! Die Gründe, die ihr für euch gefunden habt, spielen hier sicherlich in der ein oder anderen Form auch eine wichtige Rolle. Dieses „etwas im Mund haben“ ist grade bei Stress im Alltag ein riesen Thema bei uns. Wir können dann emotional kaum unterscheiden, dass es heute eben nur gute Lebensmittel sind.

      Wir konnten zu Hause in Ruhe tatsächlich noch ein bisschen essen. 😊

      Wir wünschen euch möglichst bald eine gute Lösung, auch wenn wir wissen, dass das dauern kann.

      Liebe Grüße,
      Sofie

  2. Der Text hat mich jetzt sehr berührt, weil wir das auch so kennen.
    Sind es denn nur die Tortellini, die euch anspringen wollen oder jegliches Essen?
    Aber Respekt, dass ihr dann auch gegangen seid. Wir würden uns vermutlich zwingen das auszuhalten und dort zu bleiben weil hier etwas nachklassischer Angsttherapie handelt – muss man durch bis die nachlässt.
    Vielleicht ist es auch nur Gewalt gegen uns selbst. Zumindest im Endeffekt.
    Deswegen können wir uns hiervon definitiv mal eine Scheibe abschneiden.

    Schicke euch mal eine Umarmung, falls ihr eine mögt.

    • Liebe Lunis,
      im Grunde kann es bei uns jegliches Essen sein, teilweise sogar Getränke. Je mehr Stress wir haben, umso schlimmer wird’s. Teilweise retten wir uns dann mit den wenigen Lebensmitteln, von denen wir wissen, dass sie uns in der Vergangenheit immer gut bekommen sind. Dann ist die Panik zumindest etwas weniger. Traurig, dass ihr das auch so kennt.

      Ich denke diese Konfrontationstherapien entsprechen auch sehr den Erwartungen von Tätern. Wann durfte man da schon eigenständig abbrechen, „nur“ weil man Angst hatte!? Wohl nie. Das hätte die Gewalt vermutlich nur erhöht. Entsprechend fällt es schwer, aus dem Überlebensmuster auszusteigen.

      Liebe Grüße,
      Sofie

  3. Achjeh ihr Lieben. Ja genauso ist es hier auch.
    Das Thema Essen ist hier so vielfach schwer besetzt zwischen Erstickungsängsten beim Essen (steckenbleiben im Hals) und “unverträglich” im Sinne von “es wird mich umbringen”. Es ist einfach grauenvoll.
    Und wir haben auch nur so zwei Hände voll sicherer Lebensmittel um die man aber auch immer wieder kämpfen muss, dass sie es bleiben.
    Ich kann euch so so so gut verstehen.
    Könnt ihr zum Beispiel auch keine Nahrungsmittel anrühren (oder nur sehr schwer) die ihr noch nie gegessen habt?

    Das stimmt, es ist Tätererwartung. Was muss – das muss eben.
    Und dazu kommt hier noch, dass wir angefangen haben mit Therapie wegen Ängsten und da ging es dann immer un Konfrontation. Durchhalten, aushalten bla bla. Ich glaube da ist zusätzlich jemand hier stark drauf “kleben geblieben”. Ist ja auch alles so schön bekannt.

    Ach ich hab noch keinen getroffen, wo das auch so ausgeprägt ist. Da würde ich mich total gerne mehr mit euch austauschen.

    • Ja, so ist es hier auch. Wenn ich unterwegs bin, macht mich diese Einengung auf bestimmte Lebensmittel manchmal schier wahnsinnig, weil es die Versorgung so verkompliziert. Ich kann dann nicht zu einem fremden Becker gehen oder in irgendein Lokal. Es könnte ja etwas an den Brötchen oder Speisen sein, dass uns umbringt und sei es durch eine allergische Reaktion. Mein Verstand weiß wohl, dass das extrem unwahrscheinlich ist. Die Erstickungs- und Panikanfälle sprechen eine andere Sprache. Das wird auch nicht besser, wenn wir konfrontativ einfach drauf los essen und feststellen, dass wir überleben. Im Gegenteil – die Angst wird dadurch eher größer, weil wir das Innen ungesehen übergehen.

      Es ist traurig, dass euere Therapeutin damals offenbar nicht erkannt hat, dass es keine Angststörung im klassischen Sinne ist und euch damit wieder in die Funktion getrieben hat. Sowas kann bei Traumafolgen ja auch mal ganz schnell retraumatisierend wirken und ist im Grunde unverantwortlich.

      Wir können uns gerne mehr dazu austauschen. Man redet ansonsten tatsächlich eher selten darüber.

      Liebe Grüße,
      Sofie

  4. Danke für diesen Text. Wir haben bzw. jemand von uns hat oft Ekelgefühle und Angst vor all den Dingen die hier schon benannt wurden. und wir haben vor kurzem das erste mal gedacht….was machen wir hier eigentlich.. Es wird über den Ekel und die Angst weiter gegessen. Als müsse es so sein. und natürlich hat uns auch irgendwann eine Thera gesagt..“das ist doch nur dies und das und ungefährlich bzw. ein normales Lebensmittel“. Essen sie einfach weiter. und jetzt versuchen wir den Respekt davor zu bewahren, dass es eben für manche einfach nicht essbar ist. Anstatt ständig einfach weiterzumachen und drüberzulabern ala „das ist doch nur dies und das und die Angst ist alt etc.“ Mal schaun was da bei rauskommt:)
    Lieben Gruss von den Geistern, die Euren Blog sehr mögen

    • Hallo ihr lieben Geister,
      es freut mich, wenn euch der Blog gefällt. 😊

      Ich glaube den inneren Respekt zu wahren, ist ein guter Schritt, der sich für uns sehr stimmig anfühlt. Wir machen damit gute Erfahrungen und drücken euch die Daumen, dass das für euch auch so ist. 😊

      Liebe Grüße und einen schönen Sonntag,
      Sofie 🏖🦋

  5. Liebe Sofie,
    ich wünsche euch von Herzen, dass ihr die Zuversicht nie verlieren, der Angst die Stirn zu bieten und den Mut habt, nach vorne zu blicken. Ich drücke ganz fest sämtliche Daumen für ein gutes Gelingen! Herzliche Grüße zum Sonntag von Heike

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