
In der Hand rolle ich dicke Heidelbeeren hin und her. Noch bevor ich sie einmal wirklich spüren kann, sind sie in meinem Mund verschwunden. In Trance greife ich in das kleine Eimerchen und beginne mir die nächste Portion der kugeligen Früchte einzuverleiben. Heute ist Essenskampftag. Dabei ist Obst noch die gesündeste Variante, die in die Essanfälle einfließt und schon mehr die Pause zwischen den Kalorienattacken darstellt. Ich spüre mehr und mehr die Verzweiflung, weil Körper und Magen bereits schmerzhafte Überlastung anmelden. Doch wohin mit dem Druck!?
Mir ist wohl bewusst, woher der Anfall kommt. Gestern hat mich eine Erinnerung eiskalt und unvorbereitet erwischt. Sie hat sich den Weg ins Bewusstsein plötzlich neu gebahnt. Von den darin enthaltenen Eindrücken war ich vollkommen überfordert. Über den Tag hatte ich aber aufgrund verschiedener äußerer Anforderungen keine Zeit mich mir und dem Innen wirklich zuzuwenden und am Abend hab ich schon gemerkt, dass ich deutlich zu lange über unseren Grenzen unterwegs war. Wir konnten kaum abschalten. Mein Kopf war einerseits aufgekratzt und andererseits vor Watte völlig denkunfähig. Gereizte Stimmung. Krisengebiet.
Schon früh am Morgen war heute klar, dass ich den gesamten Tag zu Hause verbringen werde, um unser Nervensystem zumindest keinen unvorhergesehenen Reizen auszusetzen. Die Erinnerung war zwar vermeintlich wieder etwas in die Ferne gerückt, dafür begann der Essenskampf als probates Mittel Emotionen und Flashbacks effektiv zu kontrollieren. Mir ist rein kognitiv durchaus bewusst, dass keine Chips der Welt mir diesen Schmerz wirklich werden nehmen können. Dennoch hat heute dieser Schutzmechanismus unkontrollierbar übernommen. Manchmal bleibt mir dann nur das für den Moment zu akzeptieren und die Auslöser nachzubearbeiten, wenn das Stresslevel wieder etwas abgesunken ist und damit die Handlungsfähigkeit wieder einsetzt. Frustrierend, aber leider noch nicht völlig vermeidbar.
Immerhin konnte ich feststellen, dass ich inzwischen mit neuen Fakten ganz anders umgehen kann, als noch am Anfang meiner Auseinandersetzung. Ich muss mich nicht mehr vor Zweifel und Selbsthass zerreißen. Wir nehmen einfach ein weiteres Puzzlestück dazu. Das erleichtert die Versorgung der betroffenen Innenpersonen ungemein, weil sie nicht auch noch im inneren Zwist als schwer Verwundete zurückstecken müssen. Ich habe immer noch eine gesunde Skepsis, mit der ich überprüfe, ob Fakten gegen einen bestimmten Ablauf sprechen, aber ich muss mich nicht mehr daran aufarbeiten. Ich glaube uns. Punkt.
An dieser Stelle möchten wir euch deshalb Mut machen, wenn ihr vielleicht immer noch mit starken, quälenden Zweifeln zu kämpfen habt. Mit jedem noch so kleinen Teilchen, das ihr für euch einsortiert und mit jedem inneren Muster, dass ihr für euch erkennt, wächst ganz automatisch auch das Vertrauen in eure Wahrnehmung. Manchmal mag es einem vielleicht so vorkommen, als strauchelt man immer wieder am gleichen Punkt, aber das ändert sich – langsam, aber beständig.
Schließen möchte ich diesen Beitrag mit dem Zitat einer unserer Therapeutinnen, das sich für uns absolut bewahrheitet hat. Es war die Antwort auf meine Frage, was ich tun kann, um endlich Gewissheit zu haben, was ich mir glauben darf.
„Das werden Sie nach der Traumakonfrontation wissen. Ihr Wissen um das, was ihnen zugestoßen ist, wird mit jedem Stückchen wachsen, das sie aus der Dissoziation ins Bewusstsein integrieren. Bis dahin ist der Zweifel völlig normaler Teil und Ausdruck der traumatischen Dissoziation. Sie können aktuell schon rein Gehirnphysiologisch noch gar keine Gewissheit haben.“
Darf ich euch und diesen Beitrag in meinem nächsten Video erwähnen oder verlinken?
Unseren yt Kanal habt ihr doch mitbekommen, oder?
Dieser Beitrag ist so unglaublich wertvoll, dass ich davon gerne etwas einflechten möchte.
❤
Na klar darfst du das! Es freut uns, wenn du das so wertvoll und geeignet dafür findest!
Den Kanal haben wir mitbekommen und schauen auch fleißig mit. 😉 Wir finden das mega mutig von euch!
Oh das freut uns beides sehr doll ❤
Danke schööööön