
Wir sitzen hier und sind völlig k.o. Unsere Gedanken schwanken in einem Meer mit Ebbe und Flut. Vieles haben wir in dem letzten Jahren sortiert, geordnet, verarbeitet und innerlich neu erkannt. Die verschiedensten Gewalterfahrungen standen im Zentrum der Therapie. Nur ein Thema schafft es immer wieder vom Radar zu rutschen – der sexuelle Missbrauch und die Übergriffe durch die Mutter. Hin und wieder haben wir es zwar kurz angeschnitten, aber nie tiefer beleuchtet. Nun drängt es nach vorne und lässt sich nicht mehr ohne weiteres weg stellen. Es ist wohl an der Zeit da genauer hinzuschauen…
Der Missbrauch durch unsere Mutter ist für uns aus unterschiedlichen Gründen in der Verarbeitung nochmal anders schwierig. Die erste Komplikation, die auftrat, bestand darin, dass wir uns an einige Szenen wohl schon immer erinnerten, wir aber gleichzeitig gar nicht wussten, ob wir das als sexualisierte Übergriffe einordnen dürfen. Denn neben der allgemein genutzten Verdrehung unserer Wahrnehmung, die ja auch die männlichen Täter gebrauchten (Beispiel: Was stellst du dich so an, das ist doch eigentlich was schönes/völlig normal!), hatte unsere Mutter eine ganz andere Herangehensweise, die an sich schon viel subtiler war und weniger eindeutig, als ein Penis zwischen unseren Beinen. Vieles passierte auf eine ganz „spielerische“ Art. Sie tobte hinter uns her beim Fangen, griff uns dann aber an den Po und zwischen die Beine. Sie wollte unseren Bauch küssen, weil sich das angeblich lustig anfühle und reagierte mit beleidigter Zurückweisung und strafendem Schweigen, wenn wir das T-Shirt nicht hochschieben wollten, weil uns die feuchten Küsse auf der Haut zugegebenermaßen anwiderten. Sie steckte uns ihre Zunge in den Mund und schaffte es auch das als völlig normale Spielerei hinzustellen. Ich könne ja versuchen ihre zu fangen und das gleiche auch umgekehrt bei ihr zu machen. Alles nur Spaß!? Eigentlich normale Situationen bei der Körperpflege kippten immer wieder auch in Grenzüberschreitungen. Die Übergänge von „normal“ (sofern es das in unserem Elternhaus überhaupt gab) und übergriffig waren fließend und stets gut von ihr begründet. In vielen Situationen fühlten wir uns zwar komisch unwohl, ekelten uns und hatten manchmal das Empfinden davon innerlich zerrissen zu werden, aber wenn wir uns weigerten, hörten wir von ihrer Seite oft, dass wir eben blöd, prüde, langweilig, etc. sind und bekamen Schuldzuweisungen, als würden wir sie damit verletzen, wenn wir nicht mitmachen wollten. Es dauerte, bis wir uns die innere Klarheit verschaffen konnten, dass bei allen vermeintlich harmlosen Erklärungen der Mutter, eine Zunge nichts im Hals der Tochter verloren hat und das auch nie ein Spiel ist. Wenn Mütter die individuellen Körpergrenzen des Kindes nicht achten, sondern zusätzlich emotionale Gewalt ausüben, zählt beides als eindeutig übergriffig.
Zum anderen wiegt für uns persönlich der Verrat, den sie an uns begangen hat innerlich nochmal schwerer. Wir können für uns aktuell nicht eindeutig definieren weshalb. Vielleicht, weil sie auch eine Frau ist und damit unserer eigenen körperlichen Identität näher. Vielleicht auch, weil man gerade von Müttern erwartet, dass sie ihr Kind schützen. Vielleicht gerade deshalb, weil wir uns innerlich an sie klammerten, in der Hoffnung wenigstens eine Person zu haben, die uns liebt und auf uns aufpasst. Vielleicht einfach, weil wir nicht wahrhaben wollten, dass sie das getan hat und dass ihre Taten Gewicht haben, weil wir es so unaushaltbar finden. Über all die Jahre wollten wir vielmehr das Gute in ihr sehen und Erklärungen finden, weshalb ihre Einordnungen vielleicht doch stimmten und sei es, dass sie es zumindest selbst wirklich so sah. Wir wollten sie gerne als den unbefleckten blauen Himmel behalten und nicht zulassen, dass uns schwere Wolken die Beziehung trüben. Dass sie weggeschaut hat war das eine, dass sie selbst zur Täterin wurde nochmal etwas ganz anderes.
Ihr Verhalten in den letzten Wochen hat uns ent-täuscht. Sie hat uns erneut verraten, indem sie eine Stellung bezog, die Täterloyaler nicht hätte sein können. Was haben wir eigentlich anderes erwartet!? Aber das ist ein anderes Thema… Seitdem steckt das quälend widerliche Gefühl der Zungenküsse in unserem Hals wie damals. Invasiv. Grenzüberschreitend. Zerstörend. Wahrheit. Leider.
… das können wir (leider) alles sehr gut verstehen… es ist unfassbar schrecklich. ihr seid nicht alleine. 🌻
Danke, dass ihr uns Gesellschaft leistet! 🤗Traurig nur, dass es euch auch betrifft. 😢
Ja, das ist ein hartes Thema. Als bei uns Erinnerungen kamen, war es so unglaublich, dass ich Mutter auf eine Szene angesprochen habe. Natürlich sei das Blödsinn, sie hätte mich nur gepflegt, ich sei die Dummheit in Person.
Aber die Gefühle von Scham, Unwohl, Ekel in Zusammenhang mit dieser Szene und die Dinge die man normal erinnert oder die Später in Flashbacks kammen – das spricht eigentlich Bände.
Viel Kraft euch ♥️♥️♥️
Oweh! 😢 Ich glaube das blöde ist, dass man da wirklich oft nur sein Gefühl hat, um die Grenze zu fühlen und darin wurde man ja so verwirrt.
Euch auch ganz viel Kraft! Schön euch wiederzulesen! 🤗
Ja, die Grenzen sind in der Tat verwirrt und auch „verschoben“. Bei uns ist Schreicheln ekelig und unangenehm. Gewalt erregt. Nur dass man keine Gewalt will, weil man Schmerzen nicht wirklich will, aber nicht ohne kann. Bekloppt – könnte man meinen. Man leidet darunter sehr.
Genauso wie Liebe mit Gewalt und Sex gekoppelt wurde. So, dass man sich nicht geliebt fühlen kann, wenn man nicht entsprechend behandelt wird, aber wehe jemand benutzt tatsächlich Gewalt – dann kommt Wut, Verletztheit und Hass.
Aber ich denke, dass ist jetzt nicht nur einzig wegen Mutter, obwohl sie auch sadistisch war(ist).
Schön auch euch wieder regelmäßig lesen zu können ♥️
Es ist so schlimm, das zu lesen. Ich habe sehr viel Eckel gespürt und Angewidertsein.
Ja, ich kann es immer noch nicht begreifen, verstehen und auch irgendwie “ verzeihem“ , verzeihen für mich, damit die Schuldgefühle weniger werden.
Und ich erlebe uns tagtäglich, da ist dieser Hass in uns, ein unglaublich kräftezehrendes Gefühl von Zorn und Hass. Ich merke, wie es mich / uns kaputt macht, aber der Hass auf Alles, Jeden und mich, der geht nie weg.
Erlebt ihr auch diesen inneren Hass, Hass auf die Erfahrungen, auf das Leben, auf die Täter und auf Euch selbst?
Liebe Grüße
Kellerkinder
Wir erleben kein Hass, also ich zumindest nicht. Nicht auf die Täter, nicht auf jeden und Alles.
Es gibt da aber welche, mit riesiger Wut. Eine hat extreme Wut auf die Mutter, aber sonst auf niemanden. Sie macht Mutter für alles andere was uns passiert ist verantwortlich und damit sieht sie Mutter als Haupttäter an, obwohl diese ja bei den meisten Gewalttaten nicht mal anwesend war…
Eine die regt sich dermaßen über alles auf, was ungerecht ist. Welche, die sich über jeden Fehler aufregen – allerdings sind es oft in echt Kleinigkeiten im Heute, doch waren es Katastrophen im Damals die zu Bestrafungen führten.
Es gibt aber schon einen gewissen Hass auf uns selbst oder den Körper. So ‚ala „wieso muss du so verfluchte Löcher haben? wieso hast du dich wie ein Kind benommen? etc. “ Innere Bestrafungen weil man weiblich ist. Hass von gewissen Innenpersonen auf andere, weil sie so schwach etc. sind (waren)…
Ja, es gibt definitiv viel Wut in uns. Diese auszuleben ist allerdings für viele von uns komplett verboten, es auch nur zu denken löst todesängsze aus. Andere regen sich aber tatsächlich auf – mit dem Mund – und sagen unverblümt was sie denken.
Mich macht diese Wut sehr traurig, andere entschuldigen sich hunderte Male, wenn jemand von uns wütend war – weil darf ja nicht und man sei ein Monster…
Wut ist definitiv ein großes Thema. Und das sehr vielfältig, je nach Innenperson.
Aber Hass nicht so sehr. Gerade anderen gegenüber können wir das gar nicht fühlen, zumindest habe ich das bei uns noch nicht bei irgendwem gemerkt.
Liebe Grüße zurück
Es tut uns so leid das auch ihr das erfahren musstet❤️
Welch Mut dass ihr näher hinschaut, wir wünschen euch viel Kraft
Ihr Lieben, das wünschen wir euch auch und die Unterstützung, die ihr bei der Verarbeitung braucht! 🤗
❤️
Uns geht es mit diesem Thema ganz ähnlich. Vieles ist für uns schwer dem sexuellen Missbrauch zuzuordnen, weil es viel weniger eindeutig und erzwungen war wie bei männlichen Tätern. Es war mehr in alltägliche Situationen eingebettet. Und es gibt noch einen Unterschied. Wir haben nicht im Vordergrund Angst gefühlt, sondern unglaublichen Ekel.
Wir eiern auch um dieses Thema herum. Auch um all die anderen Gewalterfahrungen mit der Mutter. Überhaupt diese ganze Beziehung, die doch so schützend und behütend hätte sein müssen und es so gar nicht war.
Ihr steht nicht allein mit dieser inneren Verwirrung und diesem ganzen Paket, was diese Erfahrungen mit sich bringen. Und dennoch, jeder und jede die das erleben musste, ist irgendwie eine Seele zu viel. 😢
Wir danken euch dafür, dass ihr auch eure Erfahrungen mit uns teilt! 💗
Beim Lesen und nachspüren deiner Worte ist uns aufgefallen, dass wir euch mit dem Ekel zustimmen. Der war da tatsächlich auch bei uns direkt präsenter. Vielen Dank für’s bewusst machen dieses Puzzlesteines!
Wollen wir einfach ein bisschen zusammensitzen und kurz spüren, dass wir beide nicht alleine damit sind?😊
Liebe Sofie,
ich bin ja eher eine stille Mitleserin, aber manchmal möchte ich einfach nur danke sagen. Danke, dass du/ ihr dass mit uns teilt. Das man überhaupt erfährt von diesen unvorstellbaren Taten, die nie hätten passieren dürfen. Ich wünsche dir/euch, dass niemand euch derart nochmal verletzt und, dass Kinder in Zukunft endlich besser geschützt werden,
liebe Grüße
Liebe Carolin,
der Dank geht zurück für deine lieben Worte und deine Bereitschaft uns hier zu begleiten! Wir sind so froh hier auch immer wieder spüren zu dürfen, dass sich Menschen durchaus für diese Themen interessieren, entgegen dem was immer Prophezeit wurde. Dankeschön! 🤗
Liebe Grüße,
Sofie