
Stürmisch prasselt der Gewitterregen zu Boden. Meine Lungen japsen nach dem frischen Sauerstoff, den er in die Luft spült. Blitze zucken über den Nachthimmel. Doch ihre Bedrohung bleibt aus. Eine gewisse Sanftheit lässt sich im Donnergrollen spüren. Pflanzen und Tiere haben durstig auf das Wasser gewartet. Nun lindert es die feurige Energie der letzten Tage und bringt entspanntes Leben zurück. Kühler Wind erscheint als wenig aufgeregter Begleiter. Es ist, als würde er peitschend flüstern und den Wolken bei ihrer Bewässerungsreise unter die Arme greifen. Zerstören, nein, das möchte er nicht. Nur die erfrischende Wirkung erhöhen. In meiner Nase sind alle Elemente vereint. Die feuchte Erde mit ihrem stabilen Geruch. Die Nässe des Regens mit seiner säuerlichen Lebhaftigkeit. Der Wind, der die Informationen zu mir trägt und die feurige Kraft der abklingenden Schwüle. Über die Schönheit der Naturbeobachtungen vergesse ich die Bedeutung der Nacht.
Ich liebe dieses Gefühl eingewoben zu sein in den Kosmos. Es ist eine ganz eigenartige Form der seelischen Freiheit und Losgelöstheit. Ein wenig erinnert es mich an die Nahtodmomente, in denen trotz all den umgebenden Schockereignissen und der erlittenen Vernichtung plötzlich ein tiefer Frieden in mir einkehrte, das Herz weit wurde und ich mich völlig losgelöst vom Körper frei im Raum bewegte. Kaum zu beschreiben und deutlich anders, als rein dissoziative Momente, in denen der Körper bei Bewusstsein war. Seitdem weiß ich, dass mein Herz und die Sterne nur einen Wimpernschlag entfernt liegen.
Beim Tippen des letzten Satzes wird mir ganz abrupt bewusst, dass wir in den letzten Tagen wieder besonders unter Herzrhythmusstörungen und der Angst zu sterben gelitten haben. Körpererinnerungen!? Zunächst habe ich es auf die Hitze geschoben. Jetzt, da mir in der Reflektion die Erinnerungsbelastung der letzten Tage deutlich wird, erscheinen die physischen Reaktionen logisch.
Ich verziehe mich ins Bett, atme die frische Luft, sehe im dunklen Zimmer die Blitze flackernd leuchten und bin vor allem über eines heute besonders froh: sicher.
Liebe sofie !
eine kleine stille Freude begleitet jeden deiner Sätze, die wir hier lesen.
Wie schön, wie lebensbejahend dieser Text ist!
Das freut uns einfach. Denn auch wenn wir selbst keine rituelle Gewalt erfahren mussten, seitdem wir auf verschiedenen blogs lesen, wissen auch wir, dass ein schwieriges Datum bevorstand.
Eines erleben aber auch wir immer wieder: dass der Kontext von Natur und Kosmos in der Lage ist, unsere Wahrnehmung in andere Relationen zu rücken, die uns ermöglichen, uns von den alten destruktiven Erfahrungen und Überzeugungen (ein Stück weit) zu distanzieren und ihre Gültigkeit im Hier und jetzt in Frage zu stellen.
Übrigens: dein Text erinnerte mich sehr an den Roman „Der stumme Raum“ der norwegischen Autorin Herbjorg Wasmo, die darin den Seelenzustand eines Mädchens, das vom Stiefvater missbraucht wird, auch besonders anhand von Naturschilderungen ungeheuer eindrucksvoll zu beschreiben vermag.
Der Roman ist Teil einer Trilogie, ich kenne leider nur diesen Teil. Aber ähnlich wie in manchen deiner Texte hatte ich beim Lesen oft das Gefühl: da fängt jemand meinen Seelenzustand ein.
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Liebe Grüsse aus dem Adlernest !
Danke für deine wunderschönen und berührenden Worte! ❤️ Und danke, dass wir dich ebenfalls berühren durften! 🤗