Die Brombeerfee

Mit bedachtem Schritt streife ich durchs Unterholz. Zwischen Bäumen, Sträuchern und Beeren folge ich einer kleinen Schneise durch das Dickicht. Über mir Klopft es. Pock pock. Mein Blick ist darum bemüht die Füße vor unsichtbaren Ranken zu schonen, die sie zu Fall bringen könnten. Aus dem grünen Brombeerlaub leuchten mir kleine Früchte entgegen. Kurz bleibe ich stehen, um mich zu ihnen zu bücken. Ich muss schmunzeln. Eine Brombeerfee hüpft durch meine Gedanken. Im leichten Abendwind wippt sie auf den Früchten. Keck schlägt sie die Beine übereinander und zwinkert mir zu. Dann malt sie weiter. Mit sanftem Pinselstrich. Langsam das Rot färben. Die Natur sitzt in diesen Tagen mit Freude bei der Arbeit. Erntezeit.

Während mir in den letzten Wochen jeder Atemzug vor Schmerz den Verstand raubt, sitze ich nun inmitten von farbenfrohem Leben. Wie ich so weit gekommen bin, kann ich selbst nicht sagen. Schwarze Masse liegt hinter mir und was kommen mag ist ungewiss. Im Schatten der Waldbäume gelingt mir für einen Augenblick die Flucht. Meine Naturgeister. Die Beseeltheit lässt mich auch meine Seele spüren. Gebrochen. Zerstörend vernichtet und doch so frei. Frei in einer Welt, die jenseits des Verstandes liegt.

An den Beeren rüttelt es. Mein Körper fühlt sich eingeladen von ihnen zu naschen. Der Hunger ist groß. Bislang schwieg er. Er duldete still, dass seit mitte August die Kraft zum Einkaufen fehlte. Manchmal weinte er stumme Tränen darüber alleine zu sein. Im Stich gelassen. Irgendwie. Hoffnung. Trotzdem. Dass meine Seele und ihre Geister einen Weg finden. Während eine Spinne ihr Netz baut, stelle ich mir vor, wie auch ich mich verwebe mit der Schönheit um mich herum.

Die Fee hüpft weiter wie die Zeit. Wir verweilen im Augenblick. Atmen. Die Lungen mit Sauerstoff füllen. Ein letztes Mal schmunzeln und ihr zuwinken, bevor der Alltag uns einholt.

3 Kommentare zu “Die Brombeerfee

  1. Wie schön, von dir zu lesen, Sofie !
    Auch wenn es so traurig ist, von Hunger zu lesen, von Duldsamkeit und auch Einsamkeit. Entbehrung. So traurig!
    Doch was für ein Glück, dass im Schatten der Waldbäume dir für einen kleinen Moment die Flucht gelungen ist – und wir hoffen, es gelingt dir , gelingt euch immer wieder. Denn es scheint eine Kraftquelle zu sein und eine Möglichkeit für dich, wieder etwas schreiben zu können.
    Und wir freuen uns immer so, von dir zu lesen!
    „dass deine Seele und ihre Geister einen Weg finden“ – das werden sie! Da sind wir sicher. ja!

    Wenn ihr mögt, reichen wir euch ab und zu die Hand auf dem Weg – ihr seid nicht allein !

      • Oh, die kleinen ewigkeiten kennen wir bei uns auch zur genüge! (inzwischen schaffen wir es aber ganz gut, da nachsichtig mit uns selbst zu sein – es dauert, solang es dauert). Und wie schön zu lesen, daß unser kommentar „im stillen“ für eine kleine freude bei den bunten schmetterlingen gesorgt hat. Bewegte Herbstgrüße zurück (‚.

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