Ich sitze in meinem Sessel und lehne mich erschöpft zurück. Aus dem Küchenfenster zieht der Dunst des Kochwassers in die kalte Winterluft. Die Worte sind rar. Ich bin irgendwie sprachlos, obwohl es so vieles zu sagen gäbe. Schlafen möchte ich und ruhen. Doch die Möglichkeit zu Erholung finde ich kaum. Immer wenn ich in den letzten Wochen dachte, dass ich nun endlich etwas Zeit haben würde, weil wichtige Amtspost abgearbeitet war, kam der nächste unerfreuliche Vorfall, der an meinen nicht mehr vorhandenen Kräften nagte. Selbstverständlich war die Erledigung eilig. Warten konnte die Auseinandersetzung damit jeweils nicht. Nur eines muss hier immer warten: Ich. Oder wir. Und unsere Bedürfnisse. So kurz vor dem Mittagessen schießt mir nur ein Gedanke durch den Kopf: „Ich habe es satt! Diese ewig andauernde, nie enden wollende dysfunktionale Zwangsfunktion, die über alle meine Grenzen geht, kotzt mich an.“
Wir sind kraftlos und gebrochen wie nie zuvor in unserem Leben. In jeder Zelle unseres Seins spüren wir, dass wir uns aufarbeiten, wenn wir aus den alten Mustern der scheinbaren Unerschöpflichkeit nicht endlich ausbrechen. Gleichzeitig hält uns die unsichtbare Macht der alten Traumata fleißig gefangen. Nicht aufgeben, nicht zusammenbrechen, nichts anmerken lassen. Leisten. Ich Frage mich, wie es wohl wäre, wenn ich viele Dinge wirklich nicht mehr erledigen würde, wenn die Post liegen bliebe, Fristen verstreichen, weil wir nicht können. Im letzten Arztbericht steht unter anderem: „Schwere Depression.“ Das hat die Dissoziation nur noch nicht so ganz gecheckt. So geht der Raubbau an unserer Substanz täglich weiter. Ich habe Angst davor irgendwann einfach tot zu sein ohne es zu wollen, weil wir das alles nicht mehr aushalten und sich doch jemand wie gelernt das Leben nimmt. (Ihr braucht euch keine Sorgen um uns zu machen. Wir werden aktuell engmaschig medizinisch und therapeutisch betreut. Unsere Helfer haben gemeinsam mit uns die Suizidalität im Blick.)
Mein Verstand weiß, dass ich längst nicht mehr die Letzte sein muss, die stehen bleibt, egal was passiert. Unser Körper weiß es nicht. Ich bin unendlich erschöpft. So fühle ich schon morgens. „Ich kann nicht mehr aufstehen“, denke ich. Noch bevor ich den Gedanken zu Ende gedacht habe, sehe ich allerdings wie mein Körper sich von unsichtbar Hand bewegt aus dem Bett quält, aufsteht, sich fertig macht und bei seinen Terminen erscheint. Abends nach der Rückkehr nach Hause klappen wir dann regelmäßig zusammen. Für uns. Alleine. Wenn es niemand merkt. „Ich brauche Hilfe“, denke ich und höre mich allzu oft im gleichen Moment sagen: „Alles in Ordnung. Ich schaffe das.“ Je mehr ich funktioniere und über meine Grenzen gehe umso tiefer und existenzieller wird die Not im Inneren. Ein Teufelskreis.
Ich bin froh, dass es derzeit zumindest einige Menschen gibt, die an den Vorgängen hinter der Maske teilhaben und uns spüren lassen, dass sie uns ernsthaft helfen wollen. Die Angst das alles nicht zu schaffen bleibt dennoch.
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