Gedachte Gefühlswirren

Kurz vor eins. Die große Uhr an der Wand tickt vor sich hin. Alle schweigen. Stille. Nur ein kurzes rascheln, weil eine Frau neben mir etwas in ihrer Tasche sucht. Unvermittelt stehen zwei Personen auf und verlassen den Raum. Ich habe mir Kaffee mitgebracht und schlürfe einmal kurz, weil ich nicht weiß, was ich sonst tun soll. Dann gehe ich zum Fenster, öffne es und strecke meinen Kopf hinaus, um einmal Luft holen zu können. Die Maske ist anstrengend. Latent klopfen Kopfschmerzen an. Gleich habe ich Therapie. Mir ist so gar nicht danach. Zu viel. Aber ohne geht’s auch nicht.

Ohnehin fehlen mir die Worte. Weder kann ich sie sprechen, noch formen sie sich auf dem Papier zu greifbareren Satzobjekten. In mir toben Widersprüche wild durcheinander. Fassen lassen sie sich nicht. Nur Schmerz und Taubheit und irgendwie ist gleichzeitig alles gut. Ich möchte ins Bett. Schlafen. Ruhe finden. Alles, nur nicht fühlen. Denn das könnte Vernichtung sein. Zumindest scheint mir das die logischste Folge. Denn fühlen kann ich meine Gefühle gerade nicht, sondern nur kognitiv irgendwie darum wissen. Um sie zu spüren bräuchte es den Körper. Dieser jedoch hat mich jenseits des Kopfes bereits verlassen und existiert aktuell weitgehend unbeseelt vor sich hin. Also nehme ich meine Gefühle nur als abstrakte Gedanken wahr, statt sie adäquat zu fühlen. Ich weiß, dass Dinge eklig waren, mir Schmerz verursacht haben und ich am Limit bin, doch ich Schüttle mich nicht, zittere nicht vor Angst oder spüre die Erschöpfung in meinen Zellen. Diffuses Nichtsein. Wabern um die eigene Existenz. So also wäre ich vielleicht, wenn ich grade fühlen könnte wer ich bin. Wenn ich überhaupt bin. Mehr als Gedanken im luftleeren Raum.

Ein Kommentar zu “Gedachte Gefühlswirren

  1. „Alles, nur nicht fühlen. Denn das könnte die Vernichtung sein.“ [. . .] „Diffuses Nichtsein.“

    Wenn ich diese beiden Sätze zusammen lese, denke ich das :
    Die Vernichtung ist bereits geschehen, . . .sie ist schon längst passiert.
    Für mich liest sich dein Text, als umkreisten deine Gedanken das fiese Ungeheuer in einem verzweifelten Versuch, es zu realisieren.

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