„Spiegel“, „Spiegel“ an der Wand – wer kennt die Wahrheit für’s ganze Land?

Der Spiegel veröffentlichte in der Printausgabe Nr. 11 vom 11.03.2023 den Artikel „Im Teufelskreis“. Die Autoren bezichtigen darin Therapeuten, Kliniken und Beratungseinrichtungen in Deutschland zum Thema rituelle Gewalt der „Verschwörung“. Quintessenz: „Beweise fehlen. Der angebliche Missbrauch wird Patienten eingeredet.“ Wie so oft ist der Aufhänger wieder ein Einzelfall, bei dem  eine junge Frau aus Deutschland schildert in der Therapie Erinnerungen an eine satanistische Tätergruppe von der Therapeutin eingeredet bekommen zu haben. Einschneidende Folgen des Artikels: Das Bistum Münster schließt seine Beratungsstelle für Betroffene organisierter und ritualisierter Gewalt. Die Wortwahl beim Bundesministerium wird verändert. Der „Spiegel“ feiert sich in einem Folgebeitrag.

Ich habe auf diesem Blog bereits mehrfach Stellung zu derartigen Medienberichten bezogen. Sie gelten unverändert auch für diese Berichterstattung. Persönlich liegt meine Erschütterung vor allem darin, dass jedes Mal von persönlichen Einzelfällen auf die Gesamtheit der Betroffenen und ihrer Therapeuten geschlossen wird, die von ritualisierter Gewalt berichten. Opfer pauschalisiert mundtot zu machen und Ihnen die Anlaufstellen zu rauben ist das fatale Ergebnis dieser Artikel. Sich dafür zu rühmen scheint in der verleumderischen Wirklichkeit der Autoren nur recht und billig, als verfolge man ein ehrbares Ziel auf dem Weg zur Rettung der Gesellschaft vor der Falschbehandlung gefährlicher Therapeuten.

Wie hätte ich mich gefreut, wenn der „Spiegel“ sich den Spiegel auch einmal selbst vorgehalten hätte und da doch etwas differenzierter geblieben wäre. Während man von den Opfern immer wieder verlangt keine Einzelfälle als umfassenden Beleg für die Existenz der Gewalt anzuführen, gilt das umgekehrt anscheinend nicht. Die Artikel funktionieren alle nach dem Motto: Wenn es eine Falschbehauptung gab, gibt es insgesamt die ganze Gewaltform nicht. Das ist so, als würden wir Vergewaltigung nie mehr verfolgen und aus der Realität streichen, weil eine gewisse Anzahl von Frauen irgendwann einmal unbelegbar darüber gesprochen hat und manches davon nachweislich gelogen war.

Besondere Freude würde es mir beim Lesen derartiger Darstellungen auch bereiten, wenn die Autoren den Begriff „rituelle oder ritualisierte Gewalt“ zunächst selbst verstanden hätten und nicht jedes Mal nur komische Geschichten von „Satanisten“ in diesen Topf packen. Dann wäre das mit der sehr gebotenen Differenzierung der Anschuldigungen nämlich auch viel einfacher und die Qualität der geistigen Ergüsse des sogenannten „Qualitätsjournalismus“ um einiges besser, statt sogar zwischen den Zeilen schmerzlich vermisst werden zu müssen. Zudem bräuchte man keine Beratungsstellen pauschalisiert zu schließen, die sich mit ritualisierter Gewalt beschäftigen, wenn man wüsste, dass es dabei um so viel mehr geht, als um Hilfeleistung bei etwas Okkultismus von Satanismusspinnern, die angeblich Massen an Kindern abschlachten. Nie Reflektiert wird offenbar auch der Umstand, dass es Betroffene gibt, die wegen dieser Erinnerungen an grausame erlittene Gewalt in Therapie gehen und sich an die erlittene Gewalt erinnern lange bevor sie es wagen auch auszusprechen. Auch Ihnen werden Anlaufstellen auf diese Weise entzogen, die schlicht überhaupt keine Ahnung haben. Der Zugang zum Thema über Internet und Medien war für bestimmte Altersgruppen zum Zeitpunkt der ersten Äußerungen noch gar nicht vorhanden, so dass ein anderweitiges „Anlesen“ ebenfalls nicht in Frage kommt.

Liebe Spiegeljournalisten, wenn sie das nächste Mal nach Belegen für die Existenz ritualisierter Gewalt suchen, dann informieren Sie sich bitte vorab so, dass sie auch die richtigen Fragen stellen können! Fragen Sie bei den Ermittlungsbehörden nach, ob sie auf dem zahlreich gesichteten Material von Kinderfolterdokumentationen schon ritualisierte Handlung gesehen haben? Ob Männer sich verkleiden und in bizarren Fetischspielen mit Kindern in Kutten oder anderen satanistisch zugeordneten Inszenierungen vergewaltigen? Wo sind die Opfer von als real belegten Snuffvideos, auf denen Tötungen sichtbar sind? Konnte man die inzwischen alle identifizieren und finden? Obwohl man ja aufgrund des Bildmaterials weiß, dass es sie gibt!? Die Antworten werden andere sein! Den Straftatbestand der rituellen Gewalt gibt es nunmal bislang nicht und damit auch keine Statistik. Fritzl, Lügde, Bergisch Gladbach, Arles, Doutroux und Co. belegen unter anderem die Existenz der Schilderungen über die auch Opfer ritualisierter Gewalt berichten.

Hören Sie auf einen Krieg der Wortwahl gegen die Opfer zu führen, statt einen der Fakten und ihnen damit die Beschreibungen zu nehmen, die ihr Erleben am besten treffen! Wenn Männer in bizarren Inszenierungen Kinder vergewaltigen, dann müssen sie das ggf. auch als „satanisch“ beschreiben dürfen, ohne dass irgendjemand sofort Verschwörung schreit – denn das ist das, was sie da während des Traumas vor sich sahen! Wie sie das als aussenstehende Erwachsene später definieren wollen, ist mir völlig egal. Bevor sie Opfer in derartigen Artikeln diskreditieren, helfen sie doch mit Gesellschaftsstrukturen zu schaffen, die die Gewalt nachweisbar machen, statt die Beweislast für Unaushaltbares immer den Opfern zuzuschieben. Auch das berichten Aussteiger_innen immer wieder – es fehlt an ganz grundlegenden Strukturen, um in diesen Kreisen ermitteln zu können. Dieses Versagen den Opfern anzulasten ist so nicht legitim! Daten sammeln und zuhören, was Betroffene erzählen, ist ein erster Schritt um irgendwann überhaupt belastbare Ergebnisse für eine valide Diskussion zu bekommen.

An die Anlaufstellen für Betroffene: Ich würde mich freuen, wenn öffentliche Stellen stabil zu ihrer Meinung stehen würden und nicht direkt einbrechen, weil die Presse an ihnen kratzt. Denn das ist es, was auch mich an der Qualität ihrer Arbeit wirklich zweifeln lässt!

Wir leben heute in einer Kultur, in der „Verschwörung“ schick ist, um all das mundtot zu machen, was wir in unserer Gesellschaft unabhängig von seiner Existenz nicht haben wollen. Wer Impfungen in Frage gestellt hat, war noch bis vor kurzem das Feindbild Nummer 1 im Land mit teils fatalen Konsequenzen. Man unterstellte auch der berechtigsten Kritik nur Ausdruck von Spinnern und Rechtsradikalen zu sein, die realitätsfern die Gesellschaft zerstören. Studien gab es nicht. Wie auch!? Niemand hatte den Impfstoff jemals eingehend untersucht oder Untersuchungen dazu gefertigt. Statt aber Daten zu sammeln, Meinungen auszutauschen und abzuwägen bis man valide Ergebnisse dazu hatte, wurden alle fertig gemacht, bedroht und ausgegrenzt, die trotz aller Angst vor der Erkrankung nicht bereit waren, ein Weltbild unhinterfragt den Mächtigen anzupassen und den Finger in die Wunde der Angst legten. In den sozialen Medien nannte man das aussortieren kritischer Stimmen „Faktencheck“. Heute wissen wir, dass es schwere Impfnebenwirkungen gibt mit existenzielle Konsequenzen für die Betroffenen – in nicht geringer Anzahl! Die Vielzahl der Betroffenen ist nicht zu leugnen. Fakt ist also etwas anderes und Ergebnisse gibt es immer da, wo wir bereit sind auch an unbequemen Wahrheiten zu forschen. Das bedeutet aber auch, dass man Ihnen zumindest die Möglichkeit der Existenz einräumen muss.

„Spiegel, ihr scheint der Allwissende hier.

Aber die Opfer, das werdet ihr merken, bei den Täternetzwerken wissen noch tausendmal mehr als ihr.“

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/bistum-muenster-schliesst-beratungsstelle-organisierte-sexuelle-und-rituelle-gewalt-a-2b8be5fe-f713-4f94-88d8-6b261c911ced

7 Kommentare zu “„Spiegel“, „Spiegel“ an der Wand – wer kennt die Wahrheit für’s ganze Land?

  1. Es wird mit zweierlei Maß gemessen, ja. Die Quellen für die Behauptungen werden nicht geprüft, während rechtschaffende Experten gezielt und jeweils punktgenau in den Dreck gezogen werden. Keiner hinterfragt es.
    Und dann ist alles, was wir (Betroffene) sagen lediglich „Verschwörung“. Schöne heile Welt….

    • Tja, nächster Schritt ist vermutlich die Abschaffung der Anhörung von Betroffenen bei der Aufarbeitungskommission und dann sind wir in diesem Land ein ganzes Stück weiter Forschung zu verhindern, die vielleicht die Gewaltform bestätigt und für Hilfe bei den Betroffenen gesorgt hätte… Dafür kann man sich als Aktivist für Kinderfolter dann feiern.

      • Ja, wir sind auch drei genau so etwas zu formulieren.
        Wie soll etwas besser beleuchtet werden, jesser verstanden werden, wissenschaftlich und strafrechtlich bewiesen werden, wenn man den Opfern nicht zuhört? Kompletter Irrsinn!

  2. Liebe Sofies,
    wir haben den Artikel (noch nicht) gelesen. Werden dies aber die nächsten Tage nachholen. Aber als wir diesen Beitrag in der ARD Audiothek vom Anfang Februar vor einiger Zeit fanden:

    https://www.ardaudiothek.de/episode/ard-radiofeature/falsche-erinnerung-doku-ueber-false-memory-und-sexuelle-gewalt/ard/12333553/

    … schrillten bei uns sämtliche Alarmglocken los!
    Als wir dann euren Blogeintrag heute gelesen haben sind hier erstmal viele in Panik geraten. Aber was nützt uns Panik??? Don´t panic! Organize! Diesen Spruch haben wir mal vor Urzeiten von einem multiplen System gelesen.
    Es ist grade so, dass die Menschen eine Entlastung von unserem so unangenehmen Thema bekommen. Alles nur erdacht, erlogen, gefallen sich in der Opfferrolle die keine ist, Therapeuteneingeredet…..
    Leider lässt sich die Gesellschaft und die Menschen in ihr darauf ein. Darauf, eine einfache Antwort auf eine unbequeme Frage zu bekommen!
    Warten wir mal ab wenn der Rauch verdampft ist was dann noch übrig bleibt!
    Fakt ist aber: die False Memory Deutschland hat sicher eine große Lobby die uns allen nicht unbekannt sein dürfte. Nein natürlich nicht allen! Aber allen die mit der Thematik zu tun haben.
    Und diese Lobby tritt grade alles in den Boden was wir erreicht haben!
    Es wird schwer da wieder Aufwind zu kriegen!
    Wir finden es wichtig dass wir uns nicht einschüchtern lassen und nicht unterkriegen lassen.
    Aber uns ist auch klar (auch hier in unserem System): dass das ein schwerer und steiniger Weg wird. Er hat sich bis hierher gelohnt. Warum nicht auch weiter?

    Seid herzlichst gegrüßt, Sunnies

    • Ja, ich stimme zu. Sich als Betroffene zu organisieren und einen Gegenwind zu erzeugen, wäre sinnvoll. Ist aber eben aufgrund der DIS auch schwierig. Das sehe ich immer wieder.
      VIele trauen sich nicht, haben nicht die Kapazitäten.
      Es wäre schön, wenn mehr Betroffene sich jetzt bei der UBSKM und bei der DGPs melden würden, um denen zu sagen „hört mal, was ihr da macht…ist dumm, wir existieren…“

      Vielleicht mögt ihr das ja tun? Und @ Schmetterlinge: Vielleicht mögt ihr ja auch euren Beitrag dort hin senden?

      Wir jedenfalls halten es nicht aus, jetzt nichts zu tun und zu warten, was wohl als nächstes passiert.
      Wir haben Angst, dass wenn der Rauch sich verzogen hat, wie ihr so schön sagtet, nichts mehr übrig bleibt.

  3. Liebe Sofie ihr habt wieder einmal sehr gute Worte gefunden! Vielen Dank für eure Stellungnahme und das was ihr geschrieben habt. Vielen Dank für euren Mut! Uns gibt das wieder etwas Hoffnung. Ihr habt uns Hoffnung gegeben, wir sind leider nicht so mutig. Vielen Dank!

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