Schuld und Bindung

Seit einigen Wochen schon belastet mich ein Gefühl besonders schwer – Schuld. Über einige Zeit hatte ich den Eindruck ich hätte einen guten Umgang damit gefunden. Zugegebener Maßen war meine Herangehensweise eher rational orientiert. Dann erwischte mich ein Trigger eiskalt. Erinnerungen brachen mit tiefer emotionaler Qualität wieder auf. Ich saß plötzlich in einem tiefen See aus Tränen, Verzweiflung und Schuld. Unendlicher schwerer Schuld. Schuld, die so schwer wiegt, dass ich mich schon schuldig dafür fühle überhaupt noch zu leben und zu atmen. Schuld, die mir jedes Recht auf Erleichterung meiner Beschwerden nimmt. Sie scheinen gerechte und vergleichsweise milde Strafe zu sein. Schuld, die mir auch die Erlaubnis entzieht meine Flashbacks dosiert verarbeiten zu wollen, weil es ja wohl das mindeste ist, dass ich wenigstens aushalte zu sehen und mich dem zu stellen, was da passiert ist und nicht auch noch deswegen rumjammere, weil es mir zu viel ist. Schließlich bin ich schuld. Eine Therapeutin hat mir in meiner Verzweiflung etwas zum Thema Schuld und Bindung erklärt. Das möchte ich euch jetzt zusammengefasst wiedergeben und meine Gedanken dazu in diesem Beitrag mit euch teilen.

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Dysfunktionale Funktion

Ich sitze in meinem Sessel und lehne mich erschöpft zurück. Aus dem Küchenfenster zieht der Dunst des Kochwassers in die kalte Winterluft. Die Worte sind rar. Ich bin irgendwie sprachlos, obwohl es so vieles zu sagen gäbe. Schlafen möchte ich und ruhen. Doch die Möglichkeit zu Erholung finde ich kaum. Immer wenn ich in den letzten Wochen dachte, dass ich nun endlich etwas Zeit haben würde, weil wichtige Amtspost abgearbeitet war, kam der nächste unerfreuliche Vorfall, der an meinen nicht mehr vorhandenen Kräften nagte. Selbstverständlich war die Erledigung eilig. Warten konnte die Auseinandersetzung damit jeweils nicht. Nur eines muss hier immer warten: Ich. Oder wir. Und unsere Bedürfnisse. So kurz vor dem Mittagessen schießt mir nur ein Gedanke durch den Kopf: „Ich habe es satt! Diese ewig andauernde, nie enden wollende dysfunktionale Zwangsfunktion, die über alle meine Grenzen geht, kotzt mich an.“

Wir sind kraftlos und gebrochen wie nie zuvor in unserem Leben. In jeder Zelle unseres Seins spüren wir, dass wir uns aufarbeiten, wenn wir aus den alten Mustern der scheinbaren Unerschöpflichkeit nicht endlich ausbrechen. Gleichzeitig hält uns die unsichtbare Macht der alten Traumata fleißig gefangen. Nicht aufgeben, nicht zusammenbrechen, nichts anmerken lassen. Leisten. Ich Frage mich, wie es wohl wäre, wenn ich viele Dinge wirklich nicht mehr erledigen würde, wenn die Post liegen bliebe, Fristen verstreichen, weil wir nicht können. Im letzten Arztbericht steht unter anderem: „Schwere Depression.“ Das hat die Dissoziation nur noch nicht so ganz gecheckt. So geht der Raubbau an unserer Substanz täglich weiter. Ich habe Angst davor irgendwann einfach tot zu sein ohne es zu wollen, weil wir das alles nicht mehr aushalten und sich doch jemand wie gelernt das Leben nimmt. (Ihr braucht euch keine Sorgen um uns zu machen. Wir werden aktuell engmaschig medizinisch und therapeutisch betreut. Unsere Helfer haben gemeinsam mit uns die Suizidalität im Blick.)

Mein Verstand weiß, dass ich längst nicht mehr die Letzte sein muss, die stehen bleibt, egal was passiert. Unser Körper weiß es nicht. Ich bin unendlich erschöpft. So fühle ich schon morgens. „Ich kann nicht mehr aufstehen“, denke ich. Noch bevor ich den Gedanken zu Ende gedacht habe, sehe ich allerdings wie mein Körper sich von unsichtbar Hand bewegt aus dem Bett quält, aufsteht, sich fertig macht und bei seinen Terminen erscheint. Abends nach der Rückkehr nach Hause klappen wir dann regelmäßig zusammen. Für uns. Alleine. Wenn es niemand merkt. „Ich brauche Hilfe“, denke ich und höre mich allzu oft im gleichen Moment sagen: „Alles in Ordnung. Ich schaffe das.“ Je mehr ich funktioniere und über meine Grenzen gehe umso tiefer und existenzieller wird die Not im Inneren. Ein Teufelskreis.

Ich bin froh, dass es derzeit zumindest einige Menschen gibt, die an den Vorgängen hinter der Maske teilhaben und uns spüren lassen, dass sie uns ernsthaft helfen wollen. Die Angst das alles nicht zu schaffen bleibt dennoch.

Ein dissoziativer Kochmoment

Der Reis kocht. Mein Blick schweift vom Kochtopf nach draußen. Während ich Gedankenabwesend weiter rühre, leuchten mir kleine rote Blüten aus dem krautigen Gestrüpp an der Straße entgegen. Bei den Nachbarn blüht der Flieder. Der Himmel schaut mich an, als würde er mir für einen kurzen Augenblick zuzwinkern: „Es ist ok, wenn du mit den Wolken fliegst und dich wegbeamst.“ Dann erinnert mich mein Hunger, dass es genau das nicht wäre. Ich schaufle den Basmati in eine kleine Schale. Etwas geschnittenes Putenschnitzel. Schmand. Salz. Der Kopf schwebt dumpf im Nebel. Doch der ist nicht aus Wasserdunst, sondern aus Angst, obwohl ich die Angst nicht spüre, weil dazwischen der Nebel ist.

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Traumaverarbeitung – Was habe ich wirklich begriffen?

Samstag. Endlich Wochenende. Die frühlingshafte Wintersonne blendet zum Fenster herein. In ihrem Schein wärmen sich meine Zehenspitzen. Den gesamten Januar habe ich irgendwo zwischen Krankenhäusern, Spezialstationen und Facharztpraxen verbracht. Frust macht sich breit, wenn ich daran denke. Mein Leben verlangt nach Behandlungsoptionen. Die Ärzte lassen mit ihren Ergebnissen auf sich warten. Derweil wütet in meinem Körper die autoimmune Zerstörung. Ehe es am Montag zum nächsten Mediziner geht, der meinen Zustand unter die Lupe nimmt, brauch ich vor allem eins: Pause. Während ich es mir gemütlich im Bett und auf dem Sofa einrichte, beginnt auch der Kopf die Zeit zu nutzen und das dauergetriggerte Erinnerungspuzzelwirrwar zu sortieren. Die Sonne eröffnet auf meinem Rücken eine Krafttankstelle. Ich frage mich: „Was habe ich in all der Zeit von den vergangenen Schrecken eigentlich wirklich begriffen?“ Weiterlesen

Faulheit oder Depression

Ich sitze auf meinem Bett und starre aus dem Fenster. Auf meiner Lippe klebt ein frisches Blatt Melisse. Kleine herpesartige Bläschen schmerzen auf der Schleimhaut. Ich hoffe, dass das Pflanzenpflaster die Verursacher möglichst schnell umhaut. Der Stress der letzten Wochen war zu viel. Mein Immunsystem ist an vielen Stellen angeschlagen. Alles in uns ist erschöpft. Mir fehlt die Konzentration, um sinnvoll länger bei einem Thema zu bleiben. Entsprechend schweife ich in der Welt umher.

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Das Trauma der Funktionalität

Wir sitzen in unserem Zimmer. Der Kaffee ist kalt. Auf der Thuje benetzen Wassertropfen die feinen Triebspitzen. Ich blicke durch sie hindurch wie durch Glaskugeln in denen man Weisheit zu finden versucht. Mein Atem stockt immer wieder. Der Körper meldet sich mit einem zarten inneren Vibrieren, das sich bald zu Zittern ausweitet. Alltag. Nichts dabei. Nur ein bisschen funktionieren. Doch es klappt nicht. Der Mandeldino im Kopf schreit Alarm. Ich kann mich nicht einfach übergehen. Heute nicht. Mein Körper schaltet auf Kampf. Der Druck steigt. Traumatisierte Funktionalität nimmt sich Raum.

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Dissoziative Gedanken und hopsende Tätigkeiten

Wir hängen im Sessel rum und schauen unwichtiges Zeugs auf YouTube. Der Unterhaltungswert ist mehr als ermüdend. Etwas besseres fällt uns entweder nicht ein oder ist uns zu aufwändig. Die Gewitterstimmung spannt noch immer die Luft. Ein Spaziergang kommt aktuell also eher nicht in Frage. Wir sind dankbar für jeden Regentropfen, der etwas von der Ladung wegwäscht. Wie schön wäre es, wenn er auch die innere mitnehmen könnte. Unser Kopf ist voll wie lange nicht. Der kathartische Tränendurchbruch bleibt jedoch aus. Stattdessen hüllt sich die Gedankenflut in überfordertes Schweigen.

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Margeriten und die eigene Natürlichkeit

Ich öffne die Balkontür. Meine Katzen stürmen hinaus ins Freie den ersten Sonnenstrahlen entgegen. Ein bisschen verwirrt schauen sie zurück, als würden sie sich heimlich fragen, weshalb ihr Frauchen heute schneller ist als sie. Normalerweise stehe ich auf, wenn die Katzen vor der Türe quengeln. Diesmal war es anders rum. Als ich mich darauf zu bewegte, hoben zwei verschlafene Nasen den Kopf. Allerdings springen sie schneller auf, als mein Kreislauf Bewegung am Morgen überhaupt dulden würde. Ich blicke in die Sonne und erwarte Wärme. Stattdessen antwortet ein kühler Windhauch. Ich werde den ersten Kaffee wohl doch drinnen genießen.

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Broken Heart – Mein Weg zu den Gefühlen hinter der Dissoziation

„Wie geht es dir?“, hallen die Worte unserer besten Freundin in mir nach. „Ja, wie geht‘s mir eigentlich?“, wiederhole ich innerlich die Frage noch lange nachdem die Unterhaltung beendet ist.. „Und dieses Ich, dem‘s da irgendwie geht – wer ist das eigentlich?“, füge ich hinzu. Es ist Ostern. Potenziell steht diese Zeit im Jahr ganz weit oben auf der Schmerzskala. Die Erinnerungsdichte ist an diesen Feiertagen so hoch, dass ich in den vergangenen Jahren bereits wegen manifesten Herzrhythmusstörungen ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Organisch bin ich gesund, doch mein gebrochenes Herz wurde in diesen Momenten als tiefe Wunde körperlich spürbar. Intensivstation und lange Überwachung viele Jahre nach der Gewalt. Körperlich blieb diese Heftigkeit in den letzten Tagen aus und ich hoffe, dass das so nie wieder sein wird. Die Angst aus dem Nichts wieder in eine derartige Situation kommen zu können wohnt immer noch in mir. Gelernt habe ich dadurch vor allem eines: Körper, Seele und das was wir bewusst davon spüren sind völlig unterschiedliche Welten.

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Alltagswochenende und Traumaselbst

Ich sitze erschöpft im Sessel. Der Melissentee in meiner Tasse dampft. Langsam und vorsichtig schlürfe ich ein bisschen davon. Seine Wärme streichelt meine Seele. Vom Balkon zieht es kühl herein. Die Katzen spielen vor dem Fenster fangen. Während in kleinen Schlucken der Tee meine Kehle hinunterfließt beginnt mein Magen sich zu entspannen. Fast ist es so, als habe er nur darauf gewartet, dass sich jemand um ihn kümmert. Im Kopf ziehen die Bilder. Mein Nervensystem ist überlastet. Wenn es könnte, dann würde es wohl die Erinnerungen auskotzen. So aber krümmt sich nur der Magen. Manche Erkenntnis tut bitter weh.

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