Prostitution – wieso Kondome verteilen!?

In den letzten Tagen denken wir wieder vermehrt über unsere Zeit nach, in der wir verkauft wurden. In verschiedenen journalistischen Beiträgen sieht man immer wieder Streetworkerinnen, die Kondome an Prostituierte verteilen. Auch wir erinnern Situationen, in denen Sozialarbeiterinnen in der Nähe auftauchten, um diese Dinge an die Frauen auf der Straße zu übergeben.

Ich frage mich bis heute, was das soll!?

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Ausstieg aus organisierter und ritueller Gewalt und aufbrechende Traumata

Wir sitzen auf dem Balkon. Das Wetter ist grau und frisch. Von Zeit zu Zeit trifft ein einzelner Regentropfen unsere Haut. Ob es mehr werden wird oder einfach so vorrüberzieht? In Gedanken begleiten uns viele Themen. Unter anderem denken wir zurück an unseren „Ausstieg“ und was er von der Vergangenheit bis heute für uns bedeutet. Die gute Nachricht ist: „Es lohnt sich!“ Der Preis ist hoch und jedes bisschen Freiheit hart erkämpft. Die Auseinandersetzung mit Verfolgung und Bedrohung im Außen ist die eine Sache. Oftmals viel entscheidender und nicht minder lebensgefährlich ist der Umgang mit der inneren Wirkung der aufbrechenden Traumata. Einen Ausschnitt dieser Aspekte wollen wir für die folgenden Zeilen in den Fokus rücken.

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Der letzte echte „Arbeitstag“

Wir liegen im Bett. Halb wach. Halb dissoziativ im dicken Nebel. Uns ist warm. An der Wand spielen Schatten. Die Lamellen der Rollos zeichnen Gitternetze über die Rauhfasertapete. Fast symbolisch für das nächtliche Gefängnis, dass uns umhüllt. Ich spüre meine Rippen. Ein Gast, der selten im Bewusstsein auftaucht. Die Bilder ziehen im Kopf Kreise. Licht und Schatten. Wir denken darüber nach, wie das früher alles so war. Die Flucht… Der Ausstieg… Unser letzter echter „Arbeitstag“ im organisierten Verbrechen.

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Nicht vorhandene Parallelwelten extremer Gewalt

Da gibt es diese ganz „normale“ Gesellschaft die gute Werte vertritt, die ihre Mitmenschen achtet, die sich solidarisch füreinander einsetzt und Gewalt ablehnt. Und gleichzeitig regiert irgendwo in einer Parallelwelt die dunkle Seite der Macht, die ganz andere Moralvorstellungen hat, in der organisierte Verbrecherbanden morden und quälen, Kinder vergewaltigen und Geld mit dem Leid anderer verdienen. Zwei Welten die zumindest sprachlich getrennt voneinander zu existieren scheinen. Dazwischen liegt ein unendliches Schachspiel von schwarz und weiß. Aber stimmt diese Sicht wirklich?

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Schöne Geschichten und echtes Leben

Draußen ist es bereits dunkel. Leichter Nebel verzerrt das Licht der Straßenlaterne vor unserem Fenster. Wir denken nach. Vor allem über schöne Geschichten von gelungenen Heilungswegen und überwundenen Krisen. Aber wann ist man eigentlich selbst an dem Punkt? Wann darf man sagen, dass man trotz verheerender Vergangenheit auf einem guten Weg ist?

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Die Sache mit dem Samen

soap-bubble-1986657_1920Ausnahmsweise werde ich hier einmal in eine tiefere Betrachtung eines Rituals einsteigen, das in einigen Gruppierungen praktiziert wird. Dabei ist der Sinn des Beitrages keine voyeuristische Beschreibung desselben, sondern lediglich das Sichtbarmachen unserer inneren Auseinandersetzung mit der Thematik. Dafür ist es in diesem Fall nötig einige Fakten klar zu benennen.

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Ausstieg, Vernetzungen und Religionszugehörigkeiten

In letzter Zeit fällt uns auf, dass immer mehr Menschen mit Dissoziativer Identitätsstörung und selbst angebenem „Ausstiegshintergrund“ öffentlich in irgendwelchen Kirchen, Gruppen oder Sekten aktiv sind. Angeblich unabhängig von ihrer Geschichte. Als etwas neues, harmloses das Sinn gibt.

Wir sind selber gläubig.
Mit aller Freiheit.
Ohne jede Kirchenzugehörigkeit, da wir diese aufgrund unserer Erfahrungen für uns ablehnen.
Kirchen – egal wie frei man ein und austreten kann – sind immer Machtstrukturen.
Kirchen haben mit Glauben nichts zu tun.

Glaube kann heilen und heilsam sein. Er kann halt und Sinn geben. Das belegen auch neuere Studien, allerdings nur dann, wenn er wirklich völlig frei ist und von positiven Vorstellungen geprägt ist. So konnte auch nachgewiesen werden, dass negative Glaubensvorstellungen, wie etwa ein strafender Gott oder eine leidgeprägte Gesellschaftsstruktur, die Heilung behindern.

Wir finden es völlig legitim und wichtig die „Glaubensfrage“ nach einem Ausstieg frei zu entscheiden, möchten hier aber folgendes zu bedenken geben, um nicht unbewusst in eine Reinszenierung zu rutschen:
– Was sagt dein Bauch dazu?
– Schau dir das System in das du eintrittst genau an. Tust du es wirklich freiwillig, bzw. wie frei ist das System wirklich?
– Hast du auch mal nach den Negativ-Stimmen dazu gesucht? Nicht alles was man findet muss stimmen. Wichtig ist trotzdem auch diese Seiten in eine Entscheidung mit einzubeziehen. Meistens spiegeln sie zumindest einen wahren Kern.
– Könnte es sein, dass du eintreten willst, weil dir etwas daran bekannt vorkommt oder es irgendetwas oder jemanden in dir dort hinzieht, das/den du vielleicht noch nicht genau kennst, dann warte lieber!
– Trittst du ein, weil dir der Glaube oder die Botschaft gefällt oder weil du dort Halt findest und klare Strukturen?
– Kennst du dort wirklich alles!? Auch die „Chefetagen“ und wie es dort zugeht? Was passiert, wenn du nicht funktionierst?
– Geben die dort aufgestellten Lebensregeln wirklich halt oder schaffen sie dir nur Erleichterung, weil sie dich von deiner eigenen Verantwortung eine Entscheidung zu treffen, wie Leben für dich selbst und zwar nur für dich selbst richtig ist, entbinden? Entscheidungen treffen gehört zur Heilung, auch wenn es schwer ist, das zu lernen. Eine gute Gemeinschaft nimmt dir keine Entscheidungen ab, sie unterstützt dich höchstens deine eigene zu finden OHNE dich zu beeinflussen!
– Wenn du die Gemeinschaft magst – könntest du Sie genau so haben, wenn du nicht beitreten würdest und etwas anderes glaubst?
– Wären die Menschen dann immer noch für dich da? In Freiheit sollte das möglich sein!
– Wird für soziale Dienste oder Hilfe dir gegenüber irgendetwas und wenn es noch so klein ist, als Gegenleistung verlangt? Sollst du Gottesdienste besuchen oder etwas „einfach mal durchlesen“?
– Wie reagieren die Menschen, wenn du Ihnen sagst, dass du sie als Mensch schätzt, aber von ihrer Glaubenssicht nichts hören willst? Normalerweise hat man damit kein Problem und kann das tolerieren.
– Kommen im neuen „Vokabular“ die begriffe Sünde, Schuld und Leid vor? Schuld bindet und macht abhängig. Denn wenn man schuldig ist oder sich so fühlt, muss man etwas tun, um es nicht mehr zu sein. Du bist aber nicht schuld. Nicht früher und auch nicht jetzt. Du kannst höchstens die Verantwortung für manche Dinge übernehmen, aber das ist etwas anderes… Deine Leidensfähigkeit und die Größe deines Leidens entscheidet nicht darüber, wie gläubig du bist oder wie gut du bist! Es darf dir richtig gut gehen, ohne dass du dich dafür schuldig fühlst!
– Gibt es Menschen, die mehr oder weniger zu sagen haben? Wenn man sich auf Augenhöhe begegnet, sagt keiner dem anderen, wie, wo oder wann er etwas zu tun hat, sondern es ist ein gleichberechtigter Austausch. Zählt deine Meinung?
– Kannst du dir alle Zeit der Welt mit deiner Entscheidung dafür oder dagegen lassen?
– Bedenke, dass etwas noch lange nicht ungefährlich ist, nur weil es ganz offen und vielleicht sogar öffentlich kommuniziert wird!
– Denke daran, dass die Gefahr in eine negative Gruppe oder Gemeinschaft verstrickt zu werden, so groß ist, weil das häufig subtil und quasi „beiläufig“ abläuft und es schon zu spät sein kann, wenn man merkt, was hinter dem „sozialen Netzwerk“ steckt!
– Schalte deinen Kopf nicht aus, nur weil mit irgendetwas ein wunder Punkt deiner Seele gelindert wird!
Das waren spontan die Punkte, die uns wichtig erscheinen. Es gibt sicher noch weitere. Eine Sektenchekliste findest du z.B. auch hier. Bereits bei einem „Ja“ ist Vorsicht geboten.

Wenn es um Hilfsorganisationen geht, die nicht selten sogar speziell für Menschen mit Dissoziativer Identitätsstörung eingerichtet sind und du mitbekommst, dass Mitglieder oder sogar Vorstände in einer Kirche, Sekte oder Gemeinschaft sind, sei extrem vorsichtig! Bedenke die Möglichkeit, dass sie unter Umständen leider genau nach dir suchen, weil sie wissen, wie labil und subtil zu beeinflussen multiple Systeme durch ihre Geschichte für deren Zwecke sind. Auch wenn sie sich als selbst von Multipler Persönlichkeitsstörung Betroffene outen heißt das noch lange nichts! Erinnere dich an deine eigenen Erfahrungen. Ein niederes Mitglied hat in der Regel nicht die Möglichkeit eine Sache selbstständig zu leiten und schon gar nicht frei von der dahinterstehenden Gruppierung. Ein höheres Mitglied wäre kein höheres Mitglied, wenn es nicht gut für die Gruppe, Kirche oder Sekte arbeiten würde! Pass auf dich auf, auch wenn die Kirche noch so frei scheint oder die Gruppe noch so harmlos. Freikirchen sind nicht automatisch frei, nur weil das Wort in ihrem Namen vorkommt. Oft werden Gruppen wie z.B. die „Zeugen Jehovas“ in der Gesellschaft mittlerweile als harmloser Verein dargestellt. Das sind sie nicht! Lies berichte von Aussteigern.
Unter dem Gesichtspunkt der Zugehörigkeit von Mitgliedern und Vorständen sehen wir auch Einrichtungen wie etwa den „Bunten Ring“ kritisch und mit Vorsicht. Die Meinung dazu muss sich jeder selbst bilden. Wir kennen die Einrichtung nicht und auch nicht deren Qualität und erlauben uns deshalb keine Einschätzung. Hinterfragen würden wir dennoch.
Es gibt sicher mehr Beispiele von Gruppen, Sekten, Kirchen, Glaubensgemeinschaften und Vereinen, als wir hier aufgeführt haben. Die Nennung zweier Namen soll nicht bedeuten, dass wir explizit und ausschließlich davon sprechen oder sie als besonders schlecht oder kritisch einstufen! Sie dienen nur als ein Beispiel für etwas, das wir persönlich hinterfragen.

Wenn du nicht weißt, wie du dich entscheiden sollst, entscheide dich lieber einmal zu viel dagegen, als einmal zu viel dafür.
Es wäre schade um dich! Du bist so weit gekommen!
Pass auf, dass du nicht vom Regen in die Traufe kommst!

Wir haben für uns entschlossen persönliche Kontakte mit Menschen in irgendwelchen Gemeinschaften die wir nicht durchblicken aus Vorsicht abzulehnen und sind glücklich darüber. Es gibt genug freie Menschen mit denen man Freundschaften und Bekanntschaften pflegen kann.

Deprogrammieren

Bin ich ein Roboter der mit einer Festplatte ausgestattet ist und bestimmte Befehle, sprich Programme speichert, und durch einfaches Uninstall alles wieder vergessen und anschließend neu programmiert werden kann?
Nein, bin ich nicht!

Wir sind ein Mensch, der grausames erlebt hat und von den Tätern unter grausamsten Folterbedingungen darauf abgerichtet wurde auf bestimmte Auslösereize hin ein ganz bestimmtes Verhalten zu zeigen. In uns gab/gibt es also bestimmte „Programme“, wie es die Therapeuten nennen, die von den Tätern zu ganz bestimmten Zwecken angelegt wurden, wie etwa „Rückkehrprogramme“, die uns drängen zu den Tätern zurück zu gehen oder Selbstverletzungsprogramme, wenn wir etwas „unerlaubtes“ tun, etc. Vielen Vielen geht es da ähnlich. Sind diese Programme durch einen Auslöser nun erst einmal ins Laufen geraten, ist es für Betroffene oft kaum oder gar nicht möglich diese selbstständig wieder zu beenden. In unserem Fall endeten Versuche der inneren „Verweigerung“ gegen diese Programme oft in einem Blackout und Zeitlücken, in denen wir keine Kontrolle mehr über uns hatten.
Ein wichtiger Schritt ist es dann in der Therapie und während dem Ausstieg aus Täterzusammenhängen diese Mechanismen zu stoppen, zu entschlüsseln und in konstruktives Verhalten zu verändern.
Nur wie!? Sind diese fiesen Dinger doch allzu oft sehr tief irgendwo im System verankert und verschachtelt und man weiß gar nicht, wie das mit dem Lösen gehen soll, ohne, dass einem dabei gleich die nächste Programmbombe um die Ohren fliegt.

Das Wort „Programm“ für diese Art der Konditionierung hat in unseren Augen Vor- und Nachteile. Zum einen macht es deutlich, dass da etwas nach einem vorgegebenen, festgeschriebenen Muster einfach ablaufen muss und grenzt zu anderen Verhaltensweisen, in die auch „Normalmenschen“ immer wieder (zurück) fallen können, wie etwa starke Gewohnheitsmuster, ab. Zum anderen entsteht aber auch ein sehr „technisierter“ Eindruck, der einen denken lassen könnte, dass man ja nur den „Ausschaltknopf“ finden muss, um das Problem wieder zu beheben. Daran orientieren sich auch so manche therapeutische Ansätze. Da werden „Cues“ und „Codes“ gesucht, Zahlenreihen, Verse, Bilder, etc. die als Gegenspieler zum „Auslöser“ dienen und die Programme aushebeln, bzw. im besten Falle sogar löschen sollen. Wenn man bei einem Klienten einen dieser Schlüssel gefunden hat und natürlich überprüft hat, ob diese wirklich richtig sind und nicht nur neue Programme auslösen, dann werden sie in Fachkreisen ausgetauscht, als hätte man gerade das allgemeingültige Allerheiligste gefunden. Ganze Bücher gibt es darüber mittlerweile.
Für uns ist das nicht mehr als ein verzweifelter Versuch Leid schnell zu beenden ohne mit der Klientin und den Innenpersonen weiter in die Thematik einsteigen zu müssen. Allgemeingültige Codes gibt es nicht und wir würden die Finger davon lassen, weil man unter Umständen mehr auslöst und kaputt macht, wenn man nicht hundertprozentig darüber bescheid weiß, was z.B. Zahlenreihen in unerfahrenen Händen bei dieser Klientel auslösen könnten. „Löschen“ geht nicht, weil man dann Erfahrung und damit Identität auslöschen müsste. Unser Gehirn ist kein Computer. Gesetz den Falles man findet tatsächlich etwas, was das Programm für eine gewisse Zeit stoppt, worüber man ja oft schon total froh ist, wenn es plötzlich brennt, so ist das Problem noch immer nicht gelöst, sondern nur verschoben.
Was also dann tun? Es ist ja alles so unglaublich kompliziert! Deprogrammierungsfortbildungen wurden besucht… Bücher gewälzt… Supervision und noch eine Fortbildung… und noch eine… und noch eine…
Also was jetzt!?
Die Lösung ist viel einfacher, liebe Therapeuten!
Sie müssen reden.
Einfach nur reden.
Mit ihrer Klientin und den Innenpersonen.
Die Hintergründe beleuchten. Ehrlich nach innen fragen, warum jemand etwas tut und welchen Sinn das macht. Fragen, was diese Person dafür aushalten musste oder auch dafür bekommen hat, wenn ein bestimmtes Verhalten gezeigt wird. Wer das ist, der da etwas bestimmtes tun muss. Sich kennen lernen. Empathisch sein. Zuhören. Die Ohnmacht und all die Emotionen mit aushalten und wenn sie gemeinsam verstanden haben, was hinter bestimmten Verhaltensweisen steckt und das Hintergrundwissen aus den Kursen und Fortbildungen unterstützt Sie da sicher, dann können Sie gemeinsam eine Lösung finden, wie sich bei der Klientin wirklich etwas verändern kann. Das wirkliche Verstehen der eigenen „Selbstschutzaktionen“ – denn das sind Programme aus seelischer Sicht der Betroffenen eigentlich – führt dazu, dass diese Schutzreaktionen zusammen mit den Innenpersonen aktiv überdacht werden können.
Und das gilt für jeden einzelnen Klienten wieder neu, weil jeder Mensch nunmal individuell ist. Auch wenn ihre Klienten aus ähnlichen oder sogar den gleichen Täterkreisen stammen, hat doch jeder seine eigene Geschichte mit seiner eigenen Sicht darauf.
Wir wissen das ist nicht immer leicht und oftmals für beide Seiten schwer auszuhalten, ist manchmal mit Rückschlägen verbunden und dauert auch schonmal länger, aber es lohnt sich! Es lohnt sich, weil die so erarbeiteten Etappen wesentlich stabiler und sicherer sind, als ein Deprogrammiercode es je sein kann.
Nicht löschen wollen von Erfahrung, sondern schrittweise Integration in den Gesamtkontext der Lebensrealität der Betroffenen.
Effektive Traumaarbeit.
Zudem macht uns das als Opfer das gute Gefühl Mensch zu sein und das Leben in kleinen Schritten immer mehr selbst gestalten zu können.

Wir erheben mit unserer Meinung keinen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit! Für uns selbst und andere Betroffene, die wir kennen lernen durften war es allerdings sehr hilfreich das in dieser Art und Weise zu tun und oft auch das einzige, was geholfen hat. Wäre nicht eine Therapeutin, die wir früher hatten, genau dazu bereit gewesen und hätte nicht den Mut und die Geduld gehabt mit uns an die Ursprünge zu schauen, selbst wenn wir grade durch die Programme instabil waren, wären wir mit Sicherheit lange nicht mehr am Leben. Denn das Verstehen war es, was uns letztendlich oft wieder stabilisiert hat, weil die Mechanismen, die uns immer tiefer in den Sumpf zogen, dadurch unterbrochen und über das Verständnis veränderbar wurden. Durch die einfühlsame Offenheit der Therapeutin entstand der notwendige Raum für innere wie äußere Zusammenarbeit.

Karfreitagsfreiheiten

Früher, da waren diese Tage um Ostern vollgequetscht mit Ritualen und Dingen, die wir aus pseudoreligiösen Gründen genau so tun und ertragen mussten.
Am Karfreitag wird gefastet. Zum schein für die christliche Fassade.
Die Antichristliche hat Ihre eigenen Regeln. Dort herrscht Feierlaune.
All das lässt die Anspannung des Kindes ansteigen. Höchste Achtsamkeit. Was wird wo verlangt!? Wer gehört zu welcher Welt!? Und wenn man endlich meint zu wissen, zu welcher Welt jemand gehört, dann taucht er plötzlich doch auch in der anderen auf… Nur nichts falsch machen! Nichts durcheinanderbringen! Lebensgefahr!
Die Wiedersprüche von Tag und Nacht, von Außenwelt und Innenwelt, von Innerfamiliär und Außerfamiliär werden in diesen Tagen so deutlich und bewusst.
Die Stundenlange Karfreitagsliturgie in der Kirche am Nachmittag.
Die Rituale und Messen tief in der Nacht.
Wiedersprüche, die allein durch ihre Verwirrung und Anspannung Dauertrancen im Kind hervorrufen.
Perfekt als Vorbereitung und den leichteren Einstieg in die Folterprogrammierungen des Kindes, die an diesen Tagen vorgenommen werden.

Heute ist vieles anders.
Keiner zwingt mich in irgendeine Kirche zu gehen. Niemand schreibt mir vor bestimmte Rituale abhalten zu müssen oder daran teilzunehmen. Zumindest nicht im Außen.
Seit Tagen fühle ich tiefe Traurigkeit in mir, gepaart mit einem immer wieder durchdringenden kleinen zarten „Ich kann nicht mehr“.
Ich nehme mir Zeit. Zeit, um die Verwirrung von damals zu entwirren. Mache langsam, wo früher alles schnell gehen musste. Versuche die ewigen Fleisch oder nicht Fleisch Diskussionen zu durchbrechen und nehme mir vor einfach das zu essen und zu trinken, was gut für mich ist. Vor allem nehme ich mir vor überhaupt zu essen und zu trinken, so gut es geht.
Ich nehme bewusst wahr, dass wir diese Freiheiten heute im Außen haben und selber entscheiden dürfen. Irgendwie fühlt sich das gut an. Hoffnung in der düsteren Gedankensuppe. Es ist schon etwas besser geworden.
Ich fühle und höre die Vielen in mir und erahne ihre Schmerzen, ihr Leid und die Höllenqualen.
Ich bin dankbar, dass ich das heute fühlen kann und mich/uns schon soviel besser kennengelernt habe.
Ich weiß, dass nicht ich verrückt bin, sondern die Welt um uns herum.
In all dem, was noch an das Früher bindet, was schwer ist und oft kaum auszuhalten, gibt es neue kleine-große Freiheiten.
Wir essen. Was wir wollen. Und wann wir wollen.
Das ist unsere Karfreitagsfreiheit.

Sei stolz auf dich,…

…dass du noch lebst.
…dass du das alles überlebt hast.
…dass du tapfer weiter atmest.
…dass du jeden Morgen die Augen aufschlägst, obwohl du sie so oft lieber für immer schließen würdest.
…dass du fühlst und dir die Fähigkeit zu fühlen erhalten hast.
…dass du trotz all der Gewalt nicht hart geworden bist.
…dass du empathisch bist und mitfühlst.
…dass du weinst, obwohl sie dir deine Tränen nehmen wollten.
…dass du Angst hast, obwohl sie nicht erlaubt war.
…dass du dir deinen Humor behalten hast.
…dass du Not sehen kannst – deine eigene und die anderer.
…dass du für deine Rechte und Bedürfnisse kämpfst.
…dass du damit auch für die Rechte und Bedürfnisse anderer kämpfst.
…dass du den riesengroßen Schmerz in dir erträgst und weiter machst, obwohl er unerträglich ist.
…dass du trotzdem noch Pläne und Träume hast.
…dass du dich entschlossen hast auszusteigen.
…dass du einen Teil des Ausstieges bereits dadurch geschafft hast und dich von den Tätern abgrenzt, dass du deine eigenen Gefühle behalten hast und den Schmerz spürst, wo dir doch immer gesagt wurde, dass das alles toll ist.
…dass du die Gewalt nicht weiter geben willst.
…dass du mutig neue Dinge ausprobierst, trotz der Todesangst, die sie dir oft machen.
…dass du bereit bist dir Hilfe zu suchen, trotz aller Schwierigkeiten diese zu finden und trotz den Verletzungen, die du vielleicht auch aus dem Helfersystem schon einstecken musstest.
…dass du Beziehungen eingehst und Freundschaften zulässt.
…dass andere dich und deine Fähigkeiten schätzen.
…dass du die Schweigegebote brichst und anfängst dich auszudrücken.
…dass du dir selber immer mehr vertraust.
…dass du nicht davon läufst und zu dir schaust.
…dass du Fehler machst und menschlich bist.
…dass du die Begrenzungen immer mehr aufbrichst.
…dass du dir eingestehen kannst, dass arbeiten in dieser Heilungsphase für den Moment einfach nicht möglich ist.
…dass deine sogenannten Schwächen dir nur zeigen wollen, was du wirklich brauchst.
…dass dein Körper mit dir und uneingeschränkt für dich kämpft.
…dass deine Seele endlich ihren Platz und ihre Beachtung findet.
…dass du dein Innen und deine Innenpersonen immer besser kennen lernst.
…dass du aufgeben kannst.
…dass du schwach und kraftlos sein darfst.
…dass du es weiterhin versuchst.
…dass du ____________________________
…dass du so bist wie du bist!