Alltagshelden feiern Weihnachten

Ich sitze in einer Vorlesung. Mein Herz denkt sich das Thema spannend bis zum wohlverdienten Feierabend. In dem sonst übervollem Hörsaal sitzt nur eine Hand voll Menschen, die trotz Weihnachten dem Dozentenwissen lauschen. Die meisten Anderen sind bereits unterwegs zu ihrer Familie. Zwischen den praktischen Beispielen im Unterricht findet sich etwas von Augenärzten mit Taschenlampen auf einem Schiff in Afrika. Dort arbeiten sie auf einer Art modernen Schiff-Arche für die notleidende Bevölkerung. Ihr vorgehen ist hoch professionell trotz spärlichen Mitteln. Mein Gefühl sagt mir, dass diese Arbeit Sinn macht. Verdammt viel Sinn…
Daran bleibe ich hängen.
Es ist eine der Geschichten, die an Weihnachten so häufig kommt. Gutes tun für Menschen in weit entfernten Ländern wie Afrika. Gewissen beruhigen. Wer direkt vor unserer Haustüre solche Missstände aufdecken würde, läge wahrscheinlich gesteinigt unterm Christbaum. In diesem Fall kommen die Ärzte als barmherzige Helden zurück.
Aber müssen Helden immer diejenigen sein, die irgendjemandem besonders toll helfen oder mit den Kenntnissen aus einem super Studium versuchen die Welt zu retten!?
Mich bewegt derzeit die Kassiererin an der Supermarktkasse, die sich auf ein ruhiges Weihnachten gefreut hat und jetzt doch arbeiten muss, weil einige Menschen in dieser Stadt es nicht auf die Reihe bekommen schon am Samstag einkaufen zu gehen. Ich bin dankbar für das Schmunzeln, das mir eine Kommilitonin auf die Lippen zauberte, als sie mir ihre schief-dicken Megakekse hinschob und voll stolz sagte: „Die habe ich selbst gebacken.“
Beim Blick aus dem Fenster sehe ich ein paar Müllmänner, die Abfalltonnen abtransportieren. Das erinnert mich daran, wie ich heute Morgen noch meinen Müll in die Tonne geworfen habe und froh war, dass ich ihn endlich aus der Wohnung hatte. Auf dem Weg zum Parkplatz treffe ich eine junge Frau. Sie lächelt. „Kalt, nicht“, ruft sie mir zu. In meinen Schal gemummelt antworte ich: „Ja, sehr!“ Die Begegnung ist kurz. Dennoch hat sie Wirkung. Sie zeigt mir, dass ich zu sozialer Interaktion fähig bin und dass Kontakt auch problemlos sein kann.
Meine Gedanken setzen sich fort. Ich bemerke unzählige Situationen die mein Leben verändern. Oft sind sie nach Außen klein und unscheinbar, aber sie machen verdammt viel Sinn!

Wer feiert diese Alltagshelden?
Jeder gibt sein Bestes.
Im Job, in der Familie, im Ehrenamt, in der Freizeit…
Die Liste ist lang.
Sie alle hinterlassen Spuren.
Egal ob im Staub oder im Schnee – sie sind nicht weniger tief, als die eines Arztes in Afrika.

Merry Christmas für kleine Wunder! 💕