Dissoziation, Nebel und eine Schale voller Nudeln

Ich sitze im Sessel und stochere in meinen Gemüsenudeln. Eigentlich habe ich keinen Hunger. Würde mein Magen nicht von der Leere brennen, hätte ich mir Essen vermutlich einfach ganz gespart. Während die Gabel sich zwischen den Fingern im Kreis dreht und feine Spaghetti zu Miniaturnestern rollt, versinkt die Umgebung jenseits meiner Wahrnehmungswelt. Ich fühle mich, als könnte ich mich selbst im Zimmer beobachten und mir anerkennend auf die Schulter klopfen: „Herzlichen Glückwunsch! Du schaffst es einen Gabel zu drehen.“ Gleichzeitig scheint es, als würden mich dünne neblige Scheiben von allem um mich herum abtrennen. Die Welt da drüben jenseits des Schleiers und ich.

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Schreibflaute und ein kurzes Statusupdate

Immer wieder sitze ich hier, drehe die Gedanken im Kopf, wälze Beitragsideen und komme doch nicht einen Buchstaben weiter. Die Themen im Alltag sind so weit gefächert und voll, dass ich es nicht schaffe auch nur eine Facette sinnvoll herauszupicken. Ich sehne mich nach den stillen Momenten, in denen ich zu mir kommen kann und die Worte beginnen zu fließen. Stattdessen hocke ich in einem Kessel voll dichtem Nebel, bekomme weder mich, noch die Innens zu fassen und erlebe ganz bewusst wie stark Dissoziazion werden kann, wenn außen und innen der Schmerz aufbricht.

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Skills for Hollydays

Langsam kriecht die Sonne aus dem verschlafenen Himmel. Es wird hell und das neblige Grau zieht sich zurück. Im Küchenfenster glitzert metallisch ein Anhänger. Ich muss darauf achten ihn nicht direkt anzublicken, weil sein Reflektieren meine Netzhaut unangenehm verblitzt. Die Katze schmatzt mir an ihrem Näpfchen freundlich ein „Guten Morgen“ zu. Der Tag strahlt herbstlich belebt. Nur ich komme nicht so richtig in die Puschen. Eigentlich müsste ich Einkaufen. Doch Nerven und Geld sind dieses Monat schon etwas knapp. Für mich wäre es auch in Ordnung den Tag im Bett zu verbringen. Doch es gibt auch Dinge, die mich locken. Die Vögel pfeifen, als hätten wir Frühling. Wenn ich mir das lange genug vorstelle, geht es meinem Gemüt gleich besser. Die nächste Woche liegt mir im Magen und im Frühling wäre sie nicht vorhanden.

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Der Freier

Du sagst du bist Freier
und damit hast du recht,
denn du darfst hier wählen
und ich sitz‘ hier fest.

Du nennst mich Nutte
und stempelst mich ab
und vergisst dabei ganz,
was mir den Namen gab.

Du frägst nicht nach dem Alter,
oder wie es mir geht,
weil all dein Interesse allein
an Körperöffnungen besteht.

Manchmal denkst du, du wärst anders,
denn du kommst nur zum Reden
und vergisst dabei eins:
Man kann auch sprechend Grenzen übertreten.

Egal was du tust,
immer bin ich dein Objekt,
dass für etwas Geld im Beutel
menschliche Schwächen überdeckt.

Ich bin dein Ausweg, deine Machttankstelle,
auf der Flucht vor dir selbst
und ich zahle mit Schmerzen,
wenn du mich bestellst.

Doch ich tue es ja gern
und natürlich mit freiem Willen,
anders könnte ich die Panik,
die du mir machst, gar nicht stillen.

Wenn mich nicht täglich Dissoziation
vor mir selbst bescheißen würde,
wären Männer wie du
eine riesige Hürde.

Niemals dürftest du mir nah sein
oder von deinen Gedanken erzählen,
denn dann hätte ich ja Selbstwert
und der liese mich wählen.

Doch es reicht dir,
wenn ich zerbrochen lachend
deinen Bedürfnissen genüge.
Für jedes andere Verhalten
kassier‘ ich ohnehin eine Rüge.

Ich bin dein Roboter,
von meinen Tätern, dazu gemacht
und ich gab mein Leben
für deine kurze Nacht.

Wie komm ich nur auf sowas!?
Es geht doch bloß um Lust und Spaß
und weil nicht sein kann, was nicht sein darf:
„War da was!?“

© Sofies viele Welten

Einen an der Waffel

Strahlender Sonnenschein lockt an diesem Tag aus der Klinik zum Spaziergang. Das Wetter gibt alles, um uns Auszeit vom stressigen Reha-Alltag zu verschaffen. Wir freuen uns zwar über die wärmende Einladung, unsere Kräfte bleiben allerdings maximal erschöpft. Vielleicht kann ja Kaffee und Kuchen helfen, um die Reserven wieder aufzufüllen.

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Rituelle Gewalt im Deutschlandfunk

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„Zwischen Angst und Aufarbeitung“ heißt ein Interview von Isabel Fannrich, das der Deutschlandfunk am 27.05.2018 veröffentlichte. Zu Wort kommen darin verschiedene Experten und eine Betroffene, die ihre Sicht auf rituelle Gewalt schildern. Wir persönlich finden es sehr begrüßenswert, dass der Sender sich diesem wichtigen Thema gestellt hat. Für uns ein gelungener Beitrag.
Im Internet steht er unter folgendem Link zum Anhören bereit.
http://www.deutschlandfunk.de/der-kampf-gegen-rituelle-und-sexuelle-gewalt-zwischen-angst.724.de.html?dram:article_id=418856

Holocaustleugnung und rituelle Gewalt

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Der Holocaust stellt eines der unumstößlichsten geschichtlichen Ereignisse unserer Zeit dar. Er ist historisch bestens belegt. Zeitzeugen berichten noch heute von ihren Erfahrungen in den Konzentrationslagern. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegen zweifelsfrei die Richtigkeit. An der Tatsache des zweiten Weltkrieges gibt’s nichts zu rütteln. Oder doch!?
Tatsächlich gibt es eine gar nicht so kleine Anzahl von Menschen, die den Genozid ganz oder zumindest teilweise leugnet. Untermauert werden die Thesen der Leugner von (pseudo-)wissenschaftlichen Studien. Woher kennen wir das als Traumaopfer nochmal? Richtig, von der „False-Memory“-Bewegung. Einziger Unterschied: Missbrauchte, vergewaltigt und gefolterte Frauen in den Dreck zu ziehen ist im Gegenteil zur Holocaustleugnung nicht strafbar. Aber nun zunächst zurück zur Historie.
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Tätersprache!?

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Wir sitzen mit den beiden Tigern auf dem Balkon und genießen den Rest des Sommertages. Unsere Haare sind noch feucht vom Schwimmbad. Während wir unsere Bahnen gezogen und im kühlen Nass ein Stück Freiheit genossen haben, suchten wir nach Worten. Seit Tagen setzen wir immer wieder an einen Beitrag zu schreiben und verwerfen ihn dann wieder. Das kommt nicht etwa davon, dass uns die Ideen fehlen. Nein, es liegt daran, dass die Sprache die wir gerade haben, nah am Ghetto schrabbt und nicht mit Kraftausdrücken spart. Sie ist hart und prallt unangenehm auf die Trommelfelle. Mit ihrem Klang durchkreuzt sie die lockere Sonnenstimmung. Sie passt nicht zu den lachenden Momenten am Swimmingpool mit der Durchschnittsgesellschaft. Der Wortschatz ist schonungslos und beschreibt in Details immer wieder die Grauen von einst. Da ist nichts von Umschreibung oder Überbegriffen oder ausgewählten Begrifflichkeiten.
Ich haue das kleine spitze Küchenmesser in die Melone.
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Wüstentränen

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Unser Bauch krampft.
Übelkeit steigt in uns auf.
Nicht erbrechen, nur nicht erbrechen.
Ein Trigger nichts weiter.
Während flotten aus vergangenen Zeiten angreifen, sitze ich in meiner Nussschale und versuche mich rudernd über Wasser zu halten. Die Tränen sind lange in der Wüste ertrunken. Ein kleines Viele-Gefühl stupst mich.
„Du, ich bin wieder da. Ich hatte solche Angst. Ich wollte nicht wieder alleine sein.“
Mein Herz klopft.
Über die Augen schwimmen Salzseen.
„Ich hatte auch Angst, mein Kind.“
Irgendwann werfe ich die Ruder weg, weil ich an den Bildern zu ersticken drohe.
Ich weiß nicht mehr, wer sich zuerst wann, wo, wie in meinen Hals bohrt.
In meinen Ohren brüllt es.
Grauselig.
Sätze voll Ohnmacht und blinder Gewalt.
Schauer überlaufen meinen Körper.
In der Dusche wäre ein Platz, um mich rein zu waschen.
Es schüttelt mich.
Vor Kälte.
Vor Ekel.
Vor Entsetzen.
Ich atme.
Meine Tränen gießen Oasen in die Wüste, als die Anspannung endlich abfällt.
Still bleibe ich auf meinem Bett sitzen.
Stumm.
Es gibt kein Wort dafür.

# MeToo

Der Hashtag „MeToo“ geht seit über drei Monaten um diese Welt. Er soll es Betroffenen Frauen ermöglichen, das Ausmaß sexueller Gewalt deutlich zu machen. Die Medien berichten fleißig, über immer neue Äußerungen zum Thema aus der High Society.

Wir müssten uns eigentlich „MeToo“ auf die Stirn schreiben – immerhin sind wir Betroffene. Unsere Meinung zu der Kampange fällt allerdings nicht so positiv aus.
Das hat verschiedene Gründe:

Vor der Kritik will ich die Debatte zumindest kurz loben. Wir sind absolut dafür mit der eigenen Geschichte aufzustehen und die Stigmatisierung abzulegen. Die mutigen Frauen die sich bislang daran beteiligten, haben es geschafft die Thematik der sexuellen Gewalt zum Gesprächsthema zu machen.

Was mir nicht gefällt ist die Art und Weise.
„Me too“ heißt nichts anderes als „Ich auch“.
Was ich mich dabei nicht alleine Frage: „Ich auch was!? Was sagt das eigentlich aus?“ Für eines der brisantesten Themen unserer Zeit steht derzeit eine der farblosesten Phrasen dieser Welt.
Ich möchte ein Eis – Ich auch.
Ich war auf einem Konzert – Ich auch.
Ich würde belästigt – Ich auch.
Was all diese Beispiele gemeinsam haben, ist, dass kein Mensch weiß worum es eigentlich geht. Welches Eis? Auf welchem Konzert? Und was um alles in der Welt heißt, dass du auch sexuell belästigst wurdest? Was ist die Handlung, die dahinter steht? Wovon genau sprichst du? Mit dieser MeToo-Antwort ist überhaupt nicht klar worum es geht. Sexuelle Gewalt ist ein so weites Feld, mit so vielen Facetten, dass man jeden Einzellfall definieren muss. Wenn man möchte, dass Menschen sich wirklich mit einer Thematik auseinander setzen, muss man auch dazu sagen, womit sie sich beschäftigen müssen. Das ist Grundvoraussetzung um ernst genommen werden zu können. MeToo bringt gesellschaftlichen Druck das Thema wahrnehmen zu müssen und macht gleichzeitig den großen Fehler, das Thema nicht zu klären. Das löst nichts. Das bringt keiner Betroffenen etwas. Die Kampange ist langfristig geradezu verdammt, als Aufschrei hysterischer Frauen und Druckmittel von Emanzen gegen Männer unterzugehen. Es führt zu Nebenkriegsschauplätzen, die mich extrem wütend machen. Da fangen beispielsweise Männer allen Ernstes an zu fragen, wie sie sich denn noch verhalten dürfen, ohne beim Flirten der Belästigung bezichtigt zu werden. „Wie ein normaler respektvoller Mann!“, möchte ich diese Kerle anschreien, weil es darum schlicht überhaupt nicht geht. Sexuelle Gewalt und Belästigung hat NICHTS mit einem Flirt zu tun! Ein Flirt ist ein empathisches Ausloten von gegenseitigen Gefühlen. Belästigung und sexuelle Gewalt ist Grenzüberschreitung und Lust auf Macht, völlig ohne Rücksicht auf das Gegenüber. Die ganze Verunsicherung könnte man vermeiden, indem man gerade bei dieser MeToo-Kampagne dazu sagt, worum es sich bei den Vorwürfen handelt. Vielleicht gibt es dann hunderttausend verschiedene Arten betroffen zu sein, aber die gesellschaftlichen Probleme dahinter sind offen benannt.

Wir finden die Möglichkeiten der sozialen Medien zur Öffentlichkeitsarbeit toll. Gerade wenn es kein greifbares Gegenüber mehr gibt, müssen aber die Worte Klarheit schaffen. Sonst macht man es auch den Lesern zu einfach „zu fliehen“. Sexuelle Gewalt ist eben kein Hollywood-Problemchen und „MeToo“ eigentlich kein Aufschrei von Trittbrettfahrern.