Dissoziative „Entscheidungsinseln“

Was meinen beruflichen Alltag betrifft schaffe ich es ganz gut schnelle und richtige Entscheidungen, auch im Sinne der Menschen, mit denen ich arbeite, zu treffen.
In anderen Bereichen sieht es da schon ganz anders aus.
Je privater und persönlicher der Bereich wird, in dem ich/wir uns für etwas entscheiden müssen, umso komplizierter und schwieriger wird’s.
Es ist, als wäre jede Innenperson dann eine kleine Entscheidungsinsel, die sich mit Ihren Bedürfnissen, Wünschen und Zielen häufig auch von denen der Anderen unterscheidet.
„Weil viele Anteile für sie als Gesamtpersönlichkeit spezifische Funktionen erfüllen, betrachten sie bestimmte Entscheidungen unter ihrem eigenen unflexiblen Blickwinkel; es ist sogar möglich, dass sie Entscheidungen, die nicht ihr ureigenes Interessengebiet betreffen, für völlig irrelevant halten.“ (Quelle s.h. unten)
Und wie kriege ich das jetzt trotzdem unter einen Hut!?
Entscheidungen können bei uns schon mal länger dauern und für anscheinend ganz normale Tätigkeiten, z.B. ob ich jetzt mit einer lieben Bekannten Kaffee trinken gehe, ist manchmal so viel Zeit vonnöten, um wirklich zu planen, dass schon alleine dafür drei Therapiestunden draufgehen könnten.
Wir wissen, dass wir möglichst schon über die Möglichkeiten und Folgen einer Entscheidung nachdenken sollten, bevor wir unter Zeitdruck sind. Im Alltag kommt’s oft anders.
Ein Schnellboot muss her um zwischen den Entscheidungsinseln Verbindung und damit auch Vermittlung zu schaffen und vor allem auch die schlafenden aus der Hängematte zu schubsen, die wir für die Entscheidung brauchen, die aber selbst davon noch nichts mitbekommen haben.
Es hilft uns manchmal Kriterien und eine Rangordnung dieser zu finden. Was ist uns besonders wichtig, wenn wir uns entscheiden z.B. 1. Sicherheit, 2. Spaß, 3. Bequemlichkeit, 4. Sinnvoll…Danach wiegen wir ab, mit welcher letztendlich getroffenen Entscheidung diese am besten erfüllt sind.
Wichtige Entscheidungen besprechen wir auch mit unserer Freundin oder in der Therapie.
Für uns ist es entlastend in jedem Fall bewusst eine Entscheidung zu treffen, auch wenn die Entscheidung, dann lautet, dass wir gerade keine Entscheidung treffen (können). Es ist immerhin auch eine Entscheidung. Wir fühlen uns damit aktiv und kommen aus unserer Ohnmacht heraus und dem dumpfen Trancegefühl, dass sich dann bei uns einstellt. Die benötigte Entscheidung hat nicht uns im Griff, sondern wir sie.
Wenn wir die Suche nach der Antwort für den Moment aussetzen, können wir uns zu einem späteren Zeitpunkt immer noch damit befassen und wenn es manchmal nur 10 Minuten später sind. In der ein oder anderen Situation hat uns das die Entlastung gebracht, die wir brauchten, um überhaupt wieder in ein Kommunikationsboot von Insel zu Insel steigen zu können.
Es läuft immer noch sehr oft chaotisch und durcheinander und ich träume von der organisierten inneren Konferenz wie im Fachbuch, aber die Strategie zu entschleunigen hat uns schon oft entscheidende Vorteile gebracht.

Quelle: Traumabedingte Dissoziation bewältigen – S.Boon, K. Steele, O. Van der Hart

Vermeidungsverhalten erkennen und verstehen

„Die Phobie vor dem inneren Erleben ist ein gravierendes Problem, denn Sie erhält den psychischen Stress aufrecht und hemmt lustvolle und spontane Aktivitäten.“ (Kashdana, Barrios, Forsyth & Steger, 2006)

Wir wollen unser Vermeidungsverhalten für eine Woche beobachten.
Beobachten – nicht verändern.
Es geht nur darum uns in diesem Punkt erst mal besser kennen zu lernen.
Für uns ist es ein wichtiger Schritt uns immer besser zu verstehen, um wirklich gesund werden zu können.

Was uns auffällt schreiben wir jeden Tag auf einen Bogen, wie es im Buch „Traumabedingte Dissoziation bewältigen“ (S.Boon, K. Steele & O. Van Der Hart) beschrieben wird.
1. Welches Erleben vermeiden wir
2. Welche Konsequenzen hätte es für uns, wenn wir das, was wir vermeiden zulassen würden?
3. Was haben wir gemacht, um das Erleben zu vermeiden?
4. Was bräuchten wir an Hilfe oder Ressourcen, um das Erleben weniger vermeiden zu müssen?

Der Plan ist gut…
… die Panikattacken, die er auslöst weniger.
Gerade haben wir den ersten Punkt in unseren Plan eingetragen und etwas darüber nachgedacht und stellen fest, dass uns dabei Dinge bewusst werden, die uns schier zur Verzweiflung bringen. Hinter ganz simpel erscheinenden Handlungen steckt so enorm viel Angst.
Wohl aus dem gleichen Grund, mache ich Orientierungsübungen manchmal nur sehr widerwillig, wenn es mir sowieso schon schlecht geht. Komme ich aus der Dissoziation raus, spüre ich oft sowohl seelisch, als auch körperlich, noch mehr von dem Schmerz, den ich ohnehin schon nicht ertrage.
Die Übung hat mich eiskalt erwischt, den Effekt habe ich vorher nicht durchschaut, sonst hätte ich sie wahrscheinlich vermieden. 😉

Ich bin gespannt, was mir/uns in der Woche alles klarer wird, wohin mich die Vermeidungsverhaltenvermeidungsübung noch so führt und hoffe trotz schmerzlicher Bewusstwerdung, auf letztendlich heilsame Erkenntnisse. 🙂