Gefühle wollen gefühlt werden – nicht erklärt!

Wir sitzen in unserer Stube und denken nach. Gerade eben hat sich ein Weinschauer in seiner ganzen Wucht entladen. Die Anspannung war enorm. Nun sind wir einigermaßen erschöpft, aber etwas ruhiger. Ein bisschen sind wir stolz auf uns, dass wir es inzwischen deutlich besser schaffen mit Gefühlen umzugehen, als noch vor einigen Jahren. Die größte Hürde bei der Versorgung war oft, dass wir uns selbst nicht getraut haben uns ernst zu nehmen, wenn es keine gute Erklärung gab, weshalb wir so fühlen. Gedanklich waren wir dann die ganze Zeit im Kopf und haben versucht die Hintergründe zu erfassen, statt den Teil zu versorgen, der sich eben gerade zeigt. Waren wir mit der Suche nach den logischen Gesichtspunkten nicht erfolgreich, dann blieb in der Zwischenzeit auch das Gefühl im Regen stehen.

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Traumaverarbeitung – Was habe ich wirklich begriffen?

Samstag. Endlich Wochenende. Die frühlingshafte Wintersonne blendet zum Fenster herein. In ihrem Schein wärmen sich meine Zehenspitzen. Den gesamten Januar habe ich irgendwo zwischen Krankenhäusern, Spezialstationen und Facharztpraxen verbracht. Frust macht sich breit, wenn ich daran denke. Mein Leben verlangt nach Behandlungsoptionen. Die Ärzte lassen mit ihren Ergebnissen auf sich warten. Derweil wütet in meinem Körper die autoimmune Zerstörung. Ehe es am Montag zum nächsten Mediziner geht, der meinen Zustand unter die Lupe nimmt, brauch ich vor allem eins: Pause. Während ich es mir gemütlich im Bett und auf dem Sofa einrichte, beginnt auch der Kopf die Zeit zu nutzen und das dauergetriggerte Erinnerungspuzzelwirrwar zu sortieren. Die Sonne eröffnet auf meinem Rücken eine Krafttankstelle. Ich frage mich: „Was habe ich in all der Zeit von den vergangenen Schrecken eigentlich wirklich begriffen?“ Weiterlesen

Von der Gefühllosigkeit des Unfassbaren

Im Leben nach dem Ausstieg aus organisierter und ritualisierter Gewalt gibt es sicher viele Gründe weshalb trotz verheerender Erinnerungen nach außen nur eine rationale Fassade tritt. Ganz vorne bei den Erklärungsansätzen sind beispielsweise die Auswirkungen der dissoziativen Spaltung. Heute wollen wir euch von einer Situation in der Therapie erzählen, die diese Taubheit von einem anderen Blickwinkel betrachtet.

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Sommernacht und quere Gedanken

Kurz vor Mitternacht, immer noch 27 Grad auf dem Balkon und sternenklarer Himmel. Der Abend geht mit einem Lächeln zu Ende. Eine Grillparty mit Bekannten, war der perfekte, leichtfüßige Ausklang für diesen brüllendheißen Sommertag. Im Grunde könnte man einfach den Stempel „Gut“ darunter setzen, weil alles irgendwie perfekt lief. Erfüllende Arbeitsaufgaben und ein bisschen echtes Social Networking zu später Stunde. Das schöne Gefühl direkt hinter der Fassade fühlt sich sogar ausnahmsweise echt an und nicht nur wie ein maskenhaftes Funktionierroboterüberbleibsel. Aber kennt ihr das, wenn trotzdem irgendwo ganz weit innen, kaum greifbar und schon gar nicht zuzuordnen, ein undefinierbares Empfinden anklopft, dass da noch etwas anderes ist?

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Sandtherapie für die Kleinen

Im Moment sind wir therapeutisch mal wieder an einem recht kniffligen Punkt. Das Anspannungslevel ist extrem hoch. Um gewisse Probleme lösen zu können, muss mit den Kleinsten im Innen gearbeitet werden. Dafür braucht es altersgemäße Zugänge jenseits von Sprache und Logik. Das ist gar nicht so einfach. Auf eine neue Idee sind wir über eine Ergotherapeutin gekommen – Knetsand. Sie erzählte uns, dass sie gerne mit Kindern damit arbeitet, um sie emotional zu beruhigen. Was für Außenkinder gut ist, kann für innere Kinder ja auch nicht schlecht sein, dachten wir uns und haben uns kurzerhand etwas Therapiesand zugelegt.

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Kopf und Bauch im Heilungsprozess

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Du musst dort starten, wo du in deinem Bauch bist, nicht dort, wo du von deinem Kopf her glaubst sein zu müssen.

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Wüstentränen

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Unser Bauch krampft.
Übelkeit steigt in uns auf.
Nicht erbrechen, nur nicht erbrechen.
Ein Trigger nichts weiter.
Während flotten aus vergangenen Zeiten angreifen, sitze ich in meiner Nussschale und versuche mich rudernd über Wasser zu halten. Die Tränen sind lange in der Wüste ertrunken. Ein kleines Viele-Gefühl stupst mich.
„Du, ich bin wieder da. Ich hatte solche Angst. Ich wollte nicht wieder alleine sein.“
Mein Herz klopft.
Über die Augen schwimmen Salzseen.
„Ich hatte auch Angst, mein Kind.“
Irgendwann werfe ich die Ruder weg, weil ich an den Bildern zu ersticken drohe.
Ich weiß nicht mehr, wer sich zuerst wann, wo, wie in meinen Hals bohrt.
In meinen Ohren brüllt es.
Grauselig.
Sätze voll Ohnmacht und blinder Gewalt.
Schauer überlaufen meinen Körper.
In der Dusche wäre ein Platz, um mich rein zu waschen.
Es schüttelt mich.
Vor Kälte.
Vor Ekel.
Vor Entsetzen.
Ich atme.
Meine Tränen gießen Oasen in die Wüste, als die Anspannung endlich abfällt.
Still bleibe ich auf meinem Bett sitzen.
Stumm.
Es gibt kein Wort dafür.

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„Emotionen sind kein Luxus,
sondern ein komplexes Hilfsmittel im Daseinskampf.“

Antonio R. Damasio

Vergebung und Heilung

„Sie predigen die Vergebung als einen Weg zur Heilung und scheinen nicht zu wissen, daß dieser Weg eine Falle ist, in der sie sich selbst befinden. Noch nie hat nämlich die Vergebung eine Heilung bewirkt.“
Alice Miller, Die Revolte des Körpers

Im Innen wie im Außen treffen wir immer wieder auf das Thema „Verzeihen“. Oft wird Verzeihung geradezu als das Allheilmittel für körperliche und seelische Leiden angepriesen.
Bei uns ging es früher sowieso einseitigerweise immer nur darum den Tätern alles zu verzeihen und uns selbst nichts. Von klein auf haben wir im Kultsystem gelernt, wie wichtig Vergebung ist. Wie wichtig es ist den Hintergrund und die schwierige Geschichte der Täter zu sehen und dass sie uns eigentlich doch nur Gutes wollen, mit dem was sie tun. Für uns selbst galt das selbstverständlich nicht. Wir waren die Schuld pur. Dass Missbrauch, Vergewaltigung und Folter nicht gut sein können für ein Kind und es daran überhaupt nichts Positives gibt, ist eigentlich klar. Doch selbst das wurde uns als eine Notwendigkeit mit positiver Wirkung auf uns verkauft. Worauf also wütend sein!?
Wir haben uns unser ganzes Leben lang verboten überhaupt so etwas wie Wut und Hass auf die Täter und Täterinnen zu fühlen. Wir hatten Angst und Panik davor. Denn wer wütend ist oder hasst, der ist ein schlechter Mensch, der ist es nicht wert geliebt zu werden und der macht sich selbst schuldig. Zusätzliche Schuld zu der Schuld, die wir ohnehin schon durch unser bloßes Sein auf uns geladen haben, konnten wir uns nicht leisten und nicht ertragen. Das war lebensgefährlich. So wurde es uns beigebracht. Die andauernden Wahrnehmungsverdrehungen haben tief in uns gefruchtet. Wir fürchteten die Strafen, wenn wir derartige Emotionen zeigten und verdrängten Wut und Hass aus unserem Leben.
Abgesehen davon wollten wir ja nicht so sein wie die Täter.
Zudem zählen Wut, Ärger und Hass ohnehin nicht zu den gesellschaftlich akzeptierten Emotionen.
Statt wütend zu sein, dass uns bestimmte Menschen das angetan haben, haben wir versucht alles zu verzeihen und uns nicht so an den Erinnerungen und Emotionen, die in uns waren, „aufzuhängen“. Und wieder wuchs unsere Schuld und unsere Unfähigkeit, weil es so einfach nicht klappen wollte. Wir konnten einfach nicht loslassen. Phasenweise klappte die Verdrängung, nach einiger Zeit kamen diese Gefühle allerdings immer wie ein Boomerang wieder. Als wir irgendwann auch noch körperlich krank wurden sahen wir die Ursache für die Erkrankung natürlich darin, dass wir einfach nicht verzeihen und loslassen konnten und gaben uns auch dafür die Schuld.
Dann kam unsere aller beste Freundin und hat unser Denken mal eben komplett auf den Kopf gestellt. Sie besitzt die wunderbare Fähigkeit so richtig wütend zu sein und zu hassen. Sie zeigte uns etwas von ihren Emotionen. Und sie sagte uns ganz offen, dass wir ihrer Meinung nach nicht krank sind, weil wir so schuldig sind oder nicht loslassen können, sondern weil wir uns einfach nicht zuhören. Weil wir uns die Gewalt, was sie mit uns macht und was wir dazu fühlen nicht eingestehen, sondern bagatellisieren und uns selbst damit verdrängen.
Etwas heilsameres hätte uns nicht passieren können!
Was sie sagte, machte zuerst Panik in uns. Ganz vorsichtig versuchen wir uns diese Gefühle aber seitdem wieder zu erlauben und uns anzunähern. Weil wir spüren, dass sie recht hat. Wir sind nicht krank, weil wir schuldig sind und nicht verzeihen, sondern weil wir uns nicht erlauben uns zu spüren. Weil der Verstand den Körper und die Seele negiert, die ihre Wahrheit kennen. Den ganzen Ärger, den Hass, die Wut, die Traurigkeit, die Enttäuschung, die Verzweiflung…

„Erst wenn du verzeihst, bist du wirklich frei.“
Das haben wir so oft gehört.
Diese „Verzeihensbewegung“ empfinden wir als täterorientierte Kleinhaltestrategie, die freie, persönliche Entwicklung verhindert. Wie soll sich jemand frei entwickeln, wenn er sich nicht mehr spüren kann und darf, weil es moralisch verwerflich ist!?
Mittlerweile sind wir für uns zu der Überzeugung gelangt, dass die obige Aussage schlicht und ergreifend nicht stimmt. Für uns heißt das richtig. „Erst wenn du dir erlaubst dich wirklich zu fühlen, bist du frei.“ Dazu gehört auch den Hass und die Wut anzunehmen. Das ist völlig in Ordnung. Ich bin auch mit diesen Gefühlen völlig in Ordnung. Und ich stelle fest, dass ich mich wesentlich besser fühle, körperlich und seelisch, wenn mir das gelingt. Wenn alles einfach da sein darf. Dann fühle ich mich wirklich frei und erleichtert, weil meine Emotionen und damit ich nicht mehr von der Bewertung anderer abhängig sind und eine riesige Anstrengung von mir abfällt, nämlich die mich/uns selbst wegzumachen. Die gesparte Energie können wir dann zum Heilen verwenden. Dann können wir einfach ganz bei uns sein. Meiner/Unserer Wahrheit vertrauen.
Vielleicht weiß mein Verstand nicht, warum ich auf etwas so emotional reagiere und kann es nicht erklären, aber mein Körper und meine Seele kennen den Grund.

Vergebung kommt vielleicht irgendwann, vielleicht aber auch nie. Wenn, dann kommt sie von selbst, wenn all die anderen Emotionen gelebt werden konnten und keine Sekunde früher.
Eines weiß ich sicher: Krampfhaftes verzeihen und loslassen wollen macht krank, weil es krampfhaftes Gefühleverdrängen ist. Entweder es passiert oder es ist nicht die Zeit dafür.

Ich darf hassen. Ich darf wütend sein. Ich darf mich ärgern. Ich darf nachtragend sein. Ich darf anderen die Schuld geben.
Und ich darf das auch ausdrücken.
So lange und so oft ich will. So lange ich das einfach so fühle.
Und dadurch wird mir nichts passieren. Ich bin dadurch kein schlechter Mensch und ich werde deswegen nicht in ewiger Verdammnis irgendwo untergehen.
Im Gegenteil: Ich heile!
Ich muss nicht verzeihen und nichts entschuldigen. Ich darf mich spüren und damit einfach glücklich werden. 🙂

Sei Sauer…

http://www.myvideo.de/embed/5034485
Song aus film 8 Sei Sauer – MyVideo

Weil ich gerade sooooo wütend bin…!

Das direkte Einbetten des Videos ist leider nicht möglich gewesen. 😦 Aber der Song ist super zum Wut rauslassen und sogar für Kinder geeignet.