Dissoziative Identitätsstörung erklärt von Michaela Huber

Michaela Huber erklärt in diesem sehr sehenswerten Video die Dissoziative Identitätsstörung (ehem. Multiple Persönlichkeitsstörung).

OSDD – Die neue DDNOS

Im amerikanischen Diagnosehandbuch DSM-5 ist die DDNOS-Diagnose (Dissociative Disorder not otherwise specified) durch das Symptomcluster der OSDD (Other specified dissociativ Disorder) ersetzt worden. Aus einem unspezifischen Komplex von dissoziativen Symptomen ist nun also sprachlich ein spezifisches Muster entstanden. Das alleine fanden wir schon einen spannenden Sprung. Für den deutschsprachigen Raum ändert das zwar nichts, denn im hier verbindlichen ICD-10 existiert der Diagnoseschlüssel nicht und auch im ICD-11 wird er nicht enthalten sein, trotzdem fanden wir es interessant uns einmal genauer damit auseinanderzusetzen.

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Melinas Fragen und Schmetterlingsphilosophien 🙂

Die lieben Melinas haben uns in den Kommentaren zu „Ein Beitrag für eure Fragen“ ihre Gedanken und Themenwünsche zukommen lassen.

Tolle Idee, liebe Sofie!
Was wenn diese Diagnose DIS eben nur eine Diagnose ist und mehr nicht? Vielleicht ist es ein revolutionärer Gedanke, wenn wir alle als vorgeburtlich, in der Kleinkindzeit, in der Kindheit, in der Jugend, und auch noch später ALLE sehr traumatisiert sind, alle dissoziiert sind, gespalten, geschädigt, „zu Tode“ verletzt, gebrochen, verstört….worden sind und wir im Grunde alle Therapie bräuchten….oder eben eine andere Sichtweise entwickeln müssten, statt nur den sog. „Kranken“ (mit Diagnose) eine Therapie zu genehmigen?
Wenn ich mich Tag für Tag umsehe und in den vielen Begegnungen des Tages soviele Menschen mit verletzten Seelen erlebe, die ausblenden, nicht reflektieren, alles abwehren was ihnen nicht gefällt, blind und mit Scheuklappen herumlaufen, mit den Fingern auf andere zeigen…..denke ich, dass die Menschen hier in den Blogs bei Dir und vielen anderen und auch bei mir mit diesen Diagnosen DIS, DDNOS, Borderlines ….mitlesen und sich äußern, doch eigentlich die Sorte Mensch sind, die am wenigsten therapiebedürftig sind, weil sie imstande sind, einen ehrlichen Blick auf sich selbst und diese sich zerstörende Welt in der Lage sind – zu werfen….Was sagst Du dazu? Und findest Du es auch, dass es eigentlich ein Geschenk ist, dass wir durch unser Schicksal gelernt haben stärker und mutiger zu werden um die Wahrheiten in uns und in der Welt zu suchen?

Manche Fragestellungen sind fast schon philosophisch und wir mussten sie erst einmal auf uns wirken lassen. Dabei war es sehr interessant darüber nachzusinnen. Im folgenden wollen wir euch einen kleinen Einblick in unsere Schmetterlingsphilosophie diesbezüglich geben. 😉 Weiterlesen

Kohlensäure und Trauma

Wir beobachten.
Kohlensäure prickelt in der Mineralwasserflasche nach oben.
Die Gasperlen spielen sich vom Grunde an die Oberfläche, wo sie aufplatzen und mit Wasserfeinstaub explodieren.
Wenn man nahe genug rangeht, spürt man ihn auf der Nase.
Wenn man die kohlensäurehaltigen Wunderwasserflaschen schüttelt und dann öffnet, bleibt es nicht beim Feinstaub…
Alles entlädt sich schlagartig.
Das CO3, das vorher in das kühle Nass hinein gezwängt wurde, mag nicht mehr drin bleiben, sobald es frei werden und andere Wege gehen kann, in denen es langfristig stabiler ist, als in der Zwangsverbindung. Die im geschlossenen Ruhezustand fast unsichtbaren, winzigen Gasmoleküle nutzen ihre Chance und treten nun beim Aufschrauben die Flucht an. Dabei reißen sie nicht nur sich selbst, sondern auch den Grundstoff Wasser mit in eine Springbrunnenexplosionsfontäne.

Das Mineralwasser, dass ich bis eben einfach nur getrunken habe, weil ein bisschen Blub es geschmacklich für mich ansprechender macht, als komplett stilles aus der Leitung, ist mir auf einmal erstaunlich nahe.
Wir verstehen uns.
Es wird zum Sinnbild für meinen momentanen Zustand.
Aufgrund unserer Geschichte sind Erinnerungen, Erfahrungen und Erlebensweisen in uns hineingezwängt worden, die nun irgendwie eine Verbindung zu uns haben. Sehr stabil ist diese Verbindung allerdings nicht. Wir haben uns arrangiert – notgedrungen -, so gut es geht. Versucht aus den eigentlich inkompatiblen Komponenten „Leben“ und „extrem Trauma“ eine nach außen schlüssige Einheit zu bilden. Den Deckel drauf gemacht.
Problem: Wir können das nicht halten, die Erfahrungen nicht dauerhaft in unser Leben integrieren und manchmal wissen wir nicht einmal, dass sie existieren, bis uns jemand „schüttelt“, weil sie in ihrer verborgenen Blase auf den Moment der Freisetzung warten. Das „schütteln“ wird von Triggern übernommen. Was dann kommt ist oft unerwartet.
Es gibt zwei verschiedene Folgen:
1. Wir implodieren:
Wir brechen innerlich zusammen, weil der Deckel zu fest sitzt, als dass der Druck sich entladen könnte und wir versuchen mühsam alles zu halten und uns der Zwangssymbiose wieder anzupassen.
2. Wir explodieren:
Gefühlsfontäne.
Wer sie abbekommt ist meistens mehr, als einfach nur „nass“…
Das Trauma kotzt sich schwallartig in Teilen aus.
Das einzige Folgeproblem:
Es ist nicht vollständig!
Es ist kein CO3.
Es ist nur das „C“ oder nur das „O“ oder nur das „3“ oder nur die Hälfte eines Bestandteiles oder ein Viertel davon…
Es ist keine stabile Verbindung, die einfach gehen kann oder sich klar abgegrenzt in die Gegenwart integrieren lässt.
Es behält sein „Bombenpotenzial“ und muss notgedrungen unvollständig im Menschen bleiben… vorerst… bis es ganz ist und sich in der Seele lösen kann, denn „Trauma-CO3“ löst sich leider nicht im Außen.

Ich schraube meine Wasserflasche fast andächtig zu.
Die Bilder die ich gerade dazu entwickelt habe schwirren durch meinen Kopf…
Wenn man die Flasche nicht schüttelt, sondern vorsichtig aufschraubt, kann die Kohlensäure mit dem Wasser sanfte Wege in die Freiheit gehen…

Warum der Zauberkuchen „zaubert“

Die Paulines haben uns gefragt, wie das mit dem „Zauberkuchen“ den wir vor kurzem eingestellt haben eigentlich funktioniert und welche Erklärungen aus Physik oder Chemie es dafür gibt.
Die Suche danach gestaltete sich schwieriger als gedacht. Die Frage taucht zwar im Internet öfter auf, allerdings bleibt die Antwort dazu meist aus. Dank Tante Google haben wir dann doch noch folgende Erklärungen dafür gefunden, wenn sie auch nicht allzu umfangreich ist und die „Hintergründe“ nur kurz beleuchtet:
Durch das Backpulver im Teig entsteht beim Backen Kohlendioxid. Das macht den Teig leichter, bläht ihn auf und lässt Ihn nach oben schwimmen. Da in der Quarkmasse kein Backpulver enthalten ist bleibt diese schwer und sinkt nach unten ab.

Wir hoffen es erklärt zumindest ein bisschen, was da im Ofen so passiert. 🙂

Ja was denn nun!? – Inneres Kind, Anteile, Ego States oder Multiple Persönlichkeit mit Innenpersonen

In letzter Zeit stößt uns die Vermischung dieser Begriffe in Internetforen oder –plattformen oft sauer auf.
Frei nach dem Motto „Sind wir nicht alle ein bisschen Multipel?“ wird munter darauf losdiskutiert, was man unter multipel sein verstehen könnte. Dabei gibt’s da unserer Meinung nach gar nicht so viel Spielraum. Entweder man ist es oder eben nicht. Die Diskussion welche Facetten man vom „Viele sein“ aus persönlicher Erfahrung kennt, erübrigt sich schlicht, wenn man es nicht ist. Und es ist aus unserer Sicht auch nicht egal, diese Begriffe einfach so miteinander zu vermischen und so zu verwässrigen, weil damit den unterschiedlichen Anforderungen von Betroffenen keine Rechnung mehr getragen wird.
„Viele sein“ ist kein lustiges Heitidei mit kleinen Innenkindern, die einfach nur spielen wollen und „Viele sein“ ist nicht ungeliebte Emotionen und Verhaltensweisen einfach auf erfundene Anteile abschieben, wie man es in manchen Internetforen langsam meinen könnte.
„Viele sein“ ist brutale Realität, die man sich nicht aussucht. Und diese Realität braucht bestimmte spezifische Dinge im Außen, die beim (Über-)Leben helfen und unterstützen, für die alle Betroffenen oft mehr als zumutbar kämpfen müssen. Wenn wir von Mutiplen Persönlichkeiten sprechen, dann haben diese die schlimmste Gewalt erlebt, die man sich vorstellen kann. Ich möchte hier keine Diskussion im Sinne von besser-schlechter, wer leidet mehr – der mit Anteilen oder der mit Innenpersonen? – oder dergleichen führen. Es geht uns schlicht darum, dass es um unterschiedliche Lebensrealitäten geht, die unterschiedliche Behandlung brauchen. Bildhaft in etwa so, als würde sich jemand den Fuß verstauchen und ein anderer sich ihn brechen. Beide haben Schmerzen an der gleichen Stelle und brauchen ohne Frage die notwendige Versorgung. Ein verstauchter Fuß tut nicht zwingend weniger weh, als ein gebrochener, nur sieht die Versorgung eben entsprechend unterschiedlich aus.
Zudem treffen wir immer wieder auf die Frage, ob es denn gut sei seinen Anteilen einen Namen zu geben oder ob man damit die Spaltung nicht noch weiter vorantreibt. Dazu wollen wir sagen, dass Multiple Persönlichkeiten erstens eben nicht irgendwelchen Anteilen Namen geben, die haben sie nämlich meist schon, oft genug auch von den Tätern bekommen. Zweitens erachten wir es für völligen Schwachsinn, dass man damit die Spaltung erweitert. Etwas Sichtbar werden zu lassen, heißt nicht, dass es größer wird, als es war, bevor man es gesehen hat.

In der Alltagsrealität erleben wir es oft, dass wir über unsere Innenpersonen reden und die Reaktion unseres Gegenübers ist: „Das kenn ich. Ich hab‘ auch so kindliche Anteile in mir.“
Die genauen Unterschiede zu erklären, fällt dann oft schwer. Wir müssen zugeben, dass wir selber zunächst doch etwas gebraucht haben, bis wir uns durch den therapeutischen Definitionswust gefunden haben.
Im Nachfolgenden versuchen wir die Begriffe „Inneres Kind“, „Anteile“, „Ego States“ und „Innenpersonen/Multiple Persönlichkeit“ einfach mal mit unseren eigenen Worten zu erklären und voneinander abzugrenzen.

„Inneres Kind“ / „Anteile“
Das innere Kind oder die Arbeit mit dem inneren Kind stellt ein therapeutisches Hilfskonstrukt dar.
Es ist eine Imagination, die wohltuend ist und bei der Heilung helfen soll. Im Grunde das gleiche Prinzip wie die „Tresorübung“ oder der innere sichere Ort.
Das innere Kind agiert nicht aktiv, genauso wenig, wie einen der Tresor von sich aus anquatscht und fragt, ob er was verschließen soll. Man benutzt die Vorstellung, wenn man sie braucht und nicht umgekehrt. Man kann sich fragen, was das innere Kind zu bestimmten Themen sagen würde, sich vorstellen, wie es reagiert oder sich fühlt und es dementsprechend in der Vorstellung versorgen. Auf diesem Weg kann eine gewisse Nachreifung von Facetten der Gesamtpersönlichkeit entstehen. Es ist jedoch nicht abgespalten und es quatscht auch nicht den Kopf voll. Wenn, dann stellt man sich vor, was es gerade sagen würde.
Bei anderen „normalen“ Anteilen verhält es sich ähnlich. Es wird sozusagen eine Facette der Gesamtpersönlichkeit für die Therapie herausgegriffen und genauer betrachtet, z.B. ein wütender Anteil oder der Berufsanteil. Es handelt sich jedoch immer um die EINE gleiche Person. Die Person weiß, dass sie manchmal kindlich, wütend, funktional, etc. sein kann und kann das auch willentlich beeinflussen.

„Abgespaltene Anteile“ / „Ego States“
Abgespaltene Anteile der Persönlichkeit entstehen durch Traumata.
Passiert ein Trauma werden die emotionalen Aspekte des Traumas abgespalten. Es entsteht also ein traumanaher Gefühlsanteil. Die betroffene Person hat in der Folge ein normales Alltags-Ich, das vom Trauma distanziert, eher betäubt und teilweise amnestisch dafür ist. Der beim Trauma entstandene emotionale Anteil trägt die emotionalen Aspekte des Traumas. Dieser taucht z.B. durch Triggerung wieder auf und schwemmt dann die Wiedererlebensqualitäten zurück ins Bewusstsein.
Die folgenden beiden Stufen der Abspaltung – Ego-States und Multiple Persönlichkeit – sind sogenannte „Komplextrauma Stufen“, d.h. Abspaltungen, die nur durch wiederholte Traumata entstehen.
Wiederholt sich die Gewalt oder die Traumatisierung, kommt es zur chronischen Abspaltung von grundlegenden Funktionen in „Teilpersönlichkeiten“, z. B.: Schreckhaftigkeit, Fluchtreflex, Kampfreflex, Schreckstarre, Unterwerfung, Rückzug nach der traumatischen Erfahrung…
Sie kommen wieder sobald der Organismus in Not gerät und das Alltags-Ich kann zunächst relativ wenig gegen diese automatischen Reaktionen tun. Man unterscheidet zwei Arten dieser „Teilpersönlichkeiten“. Die sog. „Affect States“ und die „Ego States“, also Gefühlszustände und Ichzustände.
Beispiel für einen „Affect-State“: Eine Frau leidet darunter, dass sie sehr wütend wird und ihr Gegenüber attackiert, wenn Sie unter Druck gerät und nicht weiß, wie sie diesen regeln kann. Der traumanahe Persönlichkeitsanteil „Kampf“ ist aktiviert worden, um das Problem zu lösen. Der Zustand ist aber keine „Person“, sondern ein sehr heftig und unkontrollierbar erlebter Gefühlsausbruch.
Beispiel für einen „Ego-State“: Eine Frau wirft sich in bestimmten Situationen jeden Mann an den Hals und geht mit jedem Mann ins Bett, obwohl das sonst eigentlich nicht ihrer Persönlichkeit entspricht. Der Anteil, der dann nach vorne rutscht, hat „gelernt“ sich jedem Mann anzubieten, der sie haben will.
Jeder dieser Zustände enthält nur noch bestimmte Teile und Facetten der Ursprungstraumata und nicht mehr, wie oben beschrieben, das komplette Trauma.

„Innenpersonen einer Multiplen Persönlichkeit“
Hat extreme Gewalt ihren Beginn vor dem 5. Lebensjahr, kann dies zur Entstehung einer Multiplen Persönlichkeit mit mehreren Innenpersonen führen.
Neben Persönlichkeiten, die Aspekte der erlittenen Traumata tragen, entstehen hier, im Gegensatz zur Ego-State-Disorder, auch mehrere Persönlichkeiten, die keine traumatischen Erinnerungen oder traumanahen Zustände tragen, sondern andere Funktionen für das System übernehmen und sich Alltagsaufgaben teilen. Sprich, hier war das Leben so unerträglich, dass es nicht nur mehrere Persönlichkeitsanteile brauchte, um die Traumaerfahrungen aufzuteilen, sondern auch mehrere Personen, um den Alltag zu bewältigen. Bei der DIS kann es auch zu Mischungen von alltags- und traumanahen Anteilen kommen, z.B. eine harte, wütende Alltagspersönlichkeit oder eine sensible, fürsorgliche Alltagspersönlichkeit.
Jede/r dieser Persönlichkeiten hat im Laufe der Zeit Seine/ihre eigene „Lebensgeschichte“, eigene Ansichten, Charakterzüge, Aufgaben und Vorlieben entwickelt. Die ursprünglichen Anteile haben sich also immer weiter ausdifferenziert und sind zu eigenständigen Innenpersonen geworden.
Wir persönlich mögen die Bezeichnung als vollabgespaltene Persönlichkeitsanteile hier nicht, weil es für uns schlicht nicht stimmt und nicht zu unserem Erleben passt.
Die Dissoziation ist so tiefgreifend, dass es auch im aktuellen Alltagserleben und nachdem die Gewalt zu Ende ist zu Zeitlücken kommt. Bei Wechseln von einer Persönlichkeit zu einer anderen kommt es oft zu Amnesien. Die Eine weiß dann nicht, was die Andere tut oder in der Zwischenzeit getan hat, bis sie wieder vorne ist.
Der Wechsel zwischen den Persönlichkeiten ist hier meist nicht mehr willentlich beeinflussbar.

Soweit also nun zunächst unsere Erklärungen. Wir hoffen sie sind verständlich und wir haben nichts wichtiges vergessen!
Sonst dürft ihr auch gerne Fragen stellen, wir versuchen es dann so gut wir können zu erklären.
Das Alltagserleben von multiplen Persönlichkeiten wollen wir eventuell demnächst noch etwas genauer beschreiben, weil wir gemerkt haben, dass es doch recht schwer ist, das so kurz zu fassen.

Quellen:
Viele sein – Ein Handbuch (M. Huber)