Die Tage nach der Stromfolter

Als die Qualen passierten, war ich bereits erwachsen und mitten im Ausstieg. Wir hatten gute Helferinnen gefunden und drohten den Tätern völlig zu entgleiten. Diese beschlossen einen Versuch zu unternehmen uns mit ausreichend Folter wieder auf Spur zu bringen. Nackt gefesselt fügte man uns unter anderem Stromschläge in Körperöffungen zu. Weil mir die Tage danach gerade besonders im Gedächtnis sind, versuche ich hier in Worte zu fassen, was sich für mich immer noch unaussprechlich anfühlt.

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Tote trinken keinen Kaffee

Meine Beine sind hochgelagert. Mit dem Rücken bin ich stabil gegen die hohe Sofalehne gerückt. Ich starre regungslos in die Ferne. Weit weg höre ich eine vertraute Stimme. „Sofie, komm zurück! Ich bin da.“ Doch ich komme nicht zurück. Die Welt um mich, die ich ohnehin kaum wahrnehme, versinkt völlig im Schwarz. Als ich erneut zu mir komme, blicke ich in Augen voller Tränen. „Ich weiß es war schlimm. Ich bin da. Bleib bei mir.“ Schmerz schießt mir durch den Körper. Nichts von dem was geschieht verstehe ich auch nur ansatzweise. Weder weiß ich wo ich bin, noch weshalb. Nur die freundliche Stimme dringt immer wieder an mein Ohr und zieht mich ins Bewusstsein. Zitternd beben meine Zellen. Schauer überlaufen mich. „Magst du etwas trinken? Kaffee für den Kreislauf?“ In Fluten brennend heißer Schmerzen, die meinen gesamten Körper durchzucken, versuche ich zu sortieren, was überhaupt passiert ist. „Bist du echt?“, frage ich. „Ja, ich bin echt. Ich bin da.“ „Ich bin tot“, sage ich und weiß nicht, ob ich gestorben bin oder noch einen Körper habe. Denn irgendwie ist er weg, auch wenn er weh tut. Er ist nicht mehr meiner. Ich bin nicht mehr hier auf dieser Welt.

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Klinikabend

Bild von Cindy Lever auf Pixabay 

Es ist Abend und mittlerweile schrecklich still in der Klinik. In mir hallen die Ereignisse des Tages nach. Ich wünschte die Gedanken in meinem Kopf würden so ruhig und klar vor mir liegen, wie die See auf dem Beitragsbild. Statt dessen ist meine Seele aufgewühlt und brandet in Wellen mit ihrem Schrecken ins Bewusstsein. Es ist gut, dass wir hier sind. Wir haben traurige Gewissheiten gewonnen und wir fühlen. Aus der funktionierenden Marionette, die wie ein Hamster im Laufrad ackert, ist mittlerweile eine sichtbar gebrochene Frau geworden. Aber sie fühlt sich echt.

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Scham und ihre Opfer

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Scham ist die Angst davor nicht mehr Beziehungswürdig zu sein.
Im Grunde ist sie nichts anderes, als die Furcht vor dem Verlust von lebenswichtigen Bindungen. Wer Scham einmal gefühlt hat, weiß, wie vernichtend sie sein kann. Sie radiert mit unerträglichem Schmerz die Erlaubnis zur eigenen Existenz aus. Kaum ein Opfer von Gewalt kennt sie nicht. Betroffene schämen sich für das, was ihnen zugestoßen ist. Ihre Scham lässt sie unter der Angst leiden, den Kontakt mit anderen Menschen aufgrund der Übergriffe nicht wert zu sein.
Gleichzeitig stellt Scham der Gesellschaft ein Armutszeugnis aus. Sie hat verfehlt den Grundsatz „Die würde des Menschen ist unantastbar“ so zu leben, dass die Opfer von Straftaten sich ihrer menschlichen Daseinsberechtigung sicher sein können. Hingegen gelten sie oft als beschmutzt, kaputt, zerbrochen und nicht mehr normal lebensfähig. Das Opfer hat eine Beschädigung davongetragen. Dem Täter spricht man seine Ganzheit nicht ab. Im Gegenteil. Er war eben frustriert, konnte es nicht anders, hatte eine schlechte Kindheit und wird das doch bestimmt nicht wieder tun. Es ist, als bliebe all sein Dreck am Opfer haften.
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Trauma und Prostitution

Auf dem Blog von Luise Kakadu fanden wir vor ein paar Tagen einen Link zu einem Vortrag von Michaela Huber. Darin geht es um die Ursachen und Auswirkungen von Prostitution. Besonders interessant fanden wir auch die kurze Schilderung, zu den lebensgeschichtlichen Hintergründen, die dazu führen können, dass sich jemand prostituiert. Für uns waren beim Lesen doch ein paar Aha-Momente dabei. Vielleicht interessiert es ja einige unserer LeserInnen ebenso.

Vielen Dank, liebe Luise Kakadu, für’s Teilen! 🙂

Svali und die Nebeneffekte technischer Folter

Beim Stöbern durch andere Blogs, bin ich auf die englische Seite von „Svali“ gelangt, wo die Aussteigerin über ihre Erfahrungen innerhalb einer bestimmten Gruppierung berichtet.
Die Seite ist sicher nichts für schwache Nerven, hat enormes Triggerpotenzial und sollte von Betroffenen besser nur mit großer Vorsicht gelesen werden. Wir selbst haben den Versuch dort quer zu lesen ziemlich schnell abgebrochen, weil uns die Schilderungen schlicht zu viel waren und können deshalb auch nicht beurteilen, wie gut oder schlecht wir die Seite insgesamt finden. An einer Stelle ihres relativ neuen Artikels „Tech Tourture“ (Technische Folter) sind wir aber hängen geblieben…

Als Nebeneffekte bestimmter Möglichkeiten der Folter mittels verschiedener Techniken und Technologien beschreibt sie unter anderem:

•Feeling as if the individual is “vibrating” internally at a rapid rate. This lasts for roughly 6 weeks after a programming session, then becomes less intense over time.
Ein Gefühl, als würde das Individuum in einer sehr schnellen Frequenz innerlich vibrieren. Dies dauert für ungefähr sechs Wochen nach einer Programmierungseinheit an und wird dann über die Zeit weniger intensiv.
•Severe, deep headaches at the back of the head, and in the center of the brain (including feeling as if the center of the brain is a “hot coal” inside). Because the deep neural centers have been directly stimulated, the headaches are atypical.
Schwerwiegende, tiefe Kopfschmerzen am Hinterkopf und im Zentrum des Gehirns (mit dem Gefühl, als wäre die Mitte des Gehirns eine „heiße Kohle“). Da die tiefen neuronalen Zentren direkt stimuliert wurden, sind diese Kopfschmerzen atypisch.
•Hyperthermia and hypothermia: during the tech torture and entrainment, the individual’s core temperature often rises, and cooling blankets are put on them. As the programming is broken, they may re-experience these body memories. They become less frequent and less intense with time.
Über- und Untertemperatur: Während der technischen Folter und der Abrichtung, steigt oft die Körpertemperatur der Einzelpersonen und Kühldecken werden auf sie gelegt. Wenn die Programmierung aufgebrochen wird, erleben sie diese Körpererinnerung unter Umständen wieder. Diese werden weniger häufig und weniger intensiv mit der Zeit.
•Extreme restlessness and feeling as if the individual is “crawling out of their skin”: this is associated with the tesla waves vibrating internally
Extreme Ruhelosigkeit und ein Gefühl, als ob man aus der Haut fahren könnte: Dies liegt an den innerlich vibrierenden Tesla-Wellen.
•Tingling and even shocking (electrically) if the head is touched: because the entrainment literally trains the brain to shock itself, this is one side effect that can occur. Supporters may feel a mild to moderate shock if they place their hand on the survivor’s head, as the electrical activity works its way out of the body.
Kribbeln und sogar elektrische Schläge, wenn der Kopf berührt wird: Da das Training das Gehirn im wahrsten Sinne des Wortes trainiert sich selbst zu schocken, ist dies ein Nebeneffekt, der auftreten kann. Unterstützer fühlen vielleicht einen milden bis moderaten Schlag, wenn sie ihre Hand auf dem Kopf der Überlebenden platzieren, als ob die elektrische Aktivität sich ihren Weg aus dem Körper sucht.
•Extreme soreness on the top of the head, or the back (bottom) of the head
Extreme Schmerzhaftigkeit oben auf dem Kopf oder dem hinteren, unteren Teil des Kopfes
All of the above symptoms will pass with time and healing; and it is important to reassure the survivor that these are normal side effects when breaking the programming.“
Alle der oben genannten Symptome vergehen mit der Zeit und im Laufe der Heilung und es ist wichtig der Überlebenden zu versichern, dass dies normale Nebeneffekte sind, wenn Programme aufgelöst werden.

Die deutsche Übersetzung, wurde von mir für diesen Beitrag  zur besseren Verständlichkeit für deutschsprachige Leser hinzugefügt und hat keinen Anspruch auf vollständige Richtigkeit und Wortwörtllichkeit der Übersetzung. Vielmehr wurden manche Passagen sinngemäß wiedergegeben.

Manche der oben genannten Symptome, haben wir auch selbst in bestimmten Phasen immer wieder erlebt, oft ohne sie zunächst einordnen zu können. Beim Lesen von Svalis Beitrag, war der ein oder andere Aha-Moment dabei und der Zusammenhang zu den eigenen Programmierungserfahrungen wurde nochmal deutlicher. Wir sind der Meinung, dass auch andere Formen der Folter, wie in diesem Artikel beschrieben, ähnliche Symptome auslösen können.
Als wir vor einigen Jahren von Körpersymptomen überschwemmt wurden, die kein Arzt wirklich einordnen konnte und die uns das Leben zur Hölle machten, waren einige der oben genannten dabei und wir hätten uns manchmal schlicht gewünscht, dass uns jemand bei der Einordnung hätte helfen können und wir nicht alles alleine rausfinden müssen, zumal uns das schreckliche Angst machte. In der Therapie wurde durch viel Arbeit deutlich, woran sich unser Körper da erinnerte.
Es hat wohl vor und Nachteile, dass wir das letzlich selbst entdecken mussten ohne Beeinflussung von außen…
Dennoch finden wir es grade einfach schön, nachträglich in unserem Wissen Bestätigung zu finden und vielleicht geht es der/dem ein oder anderen Leserin/Leser ja ähnlich. 🙂

Quelle:
 https://svalispeaksagain.wordpress.com/2017/06/08/tech-torture/

Phasen – Ich

In der Regel komme ich in meinem Alltag gut zurecht, sobald ich morgens das Haus für Arbeit und Beruf verlassen habe. Der innere Schalter steht auf „Open for Business“ – Funktionalität, Professionalität und Hochleistung, wenn nötig.
Die Arbeitszeit über höre ich kaum etwas von meiner Innenwelt, Bilder oder Erinnerungen werden weggestellt, ohne dass ich sie bewusst wegstelle. Der Tag passiert einfach. An manchen Stellen fühle ich mich mal mehr, mal weniger, gestresst, was ich gekonnt überlächle und ansonsten bin ich erstaunlich gut drauf. Alles easy.
So lief das auch die letzten Wochen.
Man erwartete Leistung bei extremen Arbeitspensum, ich brachte sie.
Ich benehme mich, als wäre nie irgendetwas schlimmes oder belastendes passiert.
Soweit das Leben in der Arbeitswelt.

Und nun gibt es da noch diese anderen Momente…
Dann wenn die Arbeit vorbei ist.
Privat.
Wenn Urlaub oder Wochenenden Ruhe versprechen.
Bei großem Stress in Job oder Ausbildung, was in der letzten Zeit fast immer der Fall war, rette ich mich ganz gut über einzelne Abende, weil ich dann entweder so k.o. bin, dass ich vom Lernen ins Bett falle oder die Zeitspanne bis zum nächsten Morgen schlicht zu kurz ist, dass der Stress- und Adrenalinpegel ausreichend abfällt, dass ich anfangen würde mich wieder zu fühlen…
So nach eineinhalb bis zwei Tagen sieht’s dann schon ganz anders aus…
Dann fängt das Grauen an über mich hereinzubrechen.
Die Innens und die Erinnerungen nehmen sich Raum.
Die strahlende „Businessfrau“ verschwindet und weicht einem fahlen, schmerzverzerrten Wesen, angefüllt mit Folter, das weder mit dieser Welt, noch mit sich selbst zurecht kommt und am liebsten nicht mehr aufstehen möchte.
Angst vor allem.
An Alltag ist nicht mehr zu denken.
Nicht für die nächste Zeit.
Alles was irgendwie geht ist mühsame, kleine Schrittchen zu machen und sich mit vereinten Kräften zur Therapeutin zu schleppen, voll Verzweiflung und in der Hoffnung, dass etwas von dem was auftaucht, gelöst, bzw. verarbeitet, werden kann.

Wieso geht eigentlich immer nur eines von beiden?
Wieso kann es uns nicht gut gehen, wir arbeiten und wir verarbeiten?
Oder wenigstens ein bisschen Funktionalität übrig bleiben?
Phasengrenzen hart und unkalkulierbar.
Entweder – Oder.
Entweder fühlen wir uns – Oder wir Funktionieren.
Heilung in Schüben.
Wann es vom einen ins andere kippt, ist schlecht voraussehbar.
Steuern kann ich das kaum.

Orgasmuszwänge

Ich sitze auf dem Rand der Badewanne, gerade dabei mich selbst zu befriedigen, weil ich den Schmerz und den Druck, der von Zeit zu Zeit in mir anflutet noch immer nicht anders lösen kann, als mir mit Gewalt einen Orgasmus zu verschaffen.
Trigger.
Autopilot.
Vor dem Orgasmus geht gar nichts mehr.
Ein anderes Ziel lässt mein Kopf nicht mehr zu.
Der Weg dorthin ist völlig egal.
Aufhören geht nicht.
Es geht nicht darum Sexualität zu erleben.
Alles worum es geht, ist den verdammten Schmerz und Verzweiflungsdruck, der in Wellen innerer Leere mündet zu beenden.
So schnell wie möglich.
Es ist nicht angenehm.
Es ist purer Stress.
In der Regel sacke ich nach dem Orgasmus dann in mir zusammen.
Tränen rinnen über mein Gesicht.
Die Anspannung fällt ab.
Der Trancezustand geht zurück.
Langsam werden wieder andere Gedanken zum und über das Leben und den Alltag möglich, ehe ich mich aufrapple und beginne wieder zu funktionieren.

Meiner Seele sitzen die dreckigen Forderungen Ihrer Folterer noch immer im Nacken.
Vorbei war es all zu oft erst, wenn der Orgasmus passiert ist.
Das Ende der Qualen, wurde zu häufig an diese Forderung geknüpft.
Was davon übrig geblieben ist, ist das Grundgerüst als Überlebensmechanismus.
Anforderung/Trigger –> Druck/Angst/Überforderung –> Dem Druck und der Angst (wobei ich diese in der Situation oft gar nicht bewusst wahrnehme, weil nur noch der Drang den Druck zu beenden spürbar ist) irgendwie entkommen müssen, weil er nicht mehr auszuhalten ist –> Selbstbefriedigung mit Orgasmus –> Druck und Angst lässt (zumindest kurzfristig) nach.
Manchmal erlebe ich den Druck auch, wenn Erinnerungen nach oben kommen. Die Seele denkt sich wohl: „Lieber mache ich es selbst, als es gleich erneut erleben zu müssen.“ Tatsächlich lassen sich unsere Erinnerungsbilder damit manchmal kurzzeitig nochmal unterdrücken.
Statt Angst, ohnmächtiger Verzweiflung, Schrecken und Scham erlebe ich dann Lust.

Lange Zeit haben wir damit gehadert, wie wir bei den ganzen Schrecklichkeiten überhaupt noch an Lust denken können.
Heute denke ich, es ist das gute Recht jedes Körpers sich die Folter so angenehm wie möglich zu gestalten.
Dadurch ist es nicht weniger Folter, aber es gibt die Chance sie zu überleben.

Alles und Nichts

Ich fände es so schön, wenn mir gerade eben in diesem Moment eine grandiose Idee zu einem Blogbeitrag käme und ich sie dann in freiem Fluss wiedergeben könnte.
Geradlinig.
Doch das passiert nicht.
Stattdessen sitze ich unruhig hier, den Kopf voll mit Wissen und das Herz gefüllt mit Emotion, die der Verstand verzweifelt abzuwenden versucht.
Die Gedanken springen und die Handlungen folgen ihnen.
Gleichzeitig tippe ich hier den Beitrag, schreibe meinen Vermeidungsverhaltenhinterfragungsbogen, checke die Mails und beantworte sie, will telefonieren, stehe auf, um Tee zu kochen und mische sämtliche Einfälle bunt durcheinander.
Hier ein bisschen und dort ein bisschen.
Nichts mit voller Aufmerksamkeit.
Und dann komme ich an den einen Punkt, an dem nichts passiert und doch so viel.
Innen klopfen so viele Dinge an, dass sie viel zu viele sind und dass im Außen gar nichts mehr passiert.
Manchmal ist die Stille so laut, dass ich mir die Ohren zuhalten muss.
Manchmal ist das ruhige einfach nur da sitzen, so bewegt, dass das Leben an mir vorbeirennt.
Manchmal ist alles einfach so viel, dass es irgendwo hinter der Nebelwand im Nichts endet.
Manchmal bin ich einfach nur das eine Ich, das so viele ist und dann wünsche ich mir einen Körperverleih, mit dem die anderen Innens ihre Dinge tun können und ich meine und wir uns danach wieder treffen,so dass wir alle gemeinsam und gleichzeitig im Fluss sein können. Ein Team, das fest zusammengehört und doch jeder frei agieren kann.
Manchmal wäre es ganz einfach, wenn die Dinge nicht so kompliziert wären.