Sexueller Missbrauch durch die Mutter

Wir sitzen hier und sind völlig k.o. Unsere Gedanken schwanken in einem Meer mit Ebbe und Flut. Vieles haben wir in dem letzten Jahren sortiert, geordnet, verarbeitet und innerlich neu erkannt. Die verschiedensten Gewalterfahrungen standen im Zentrum der Therapie. Nur ein Thema schafft es immer wieder vom Radar zu rutschen – der sexuelle Missbrauch und die Übergriffe durch die Mutter. Hin und wieder haben wir es zwar kurz angeschnitten, aber nie tiefer beleuchtet. Nun drängt es nach vorne und lässt sich nicht mehr ohne weiteres weg stellen. Es ist wohl an der Zeit da genauer hinzuschauen…

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Erfahrungen von Folter

In den letzten Tagen habe ich aufgrund meiner eigenen Erinnerungen viel nach Erfahrungsberichten von Folter gegoogelt. Weil in der Verarbeitung derzeit besonders die Erlebnisse mit Strom und Elektrizität im Fokus stehen, war ich auch bei den Recherchen zunächst entsprechend darauf fixiert. Gefunden habe ich so gut wie nichts, außer grundsätzlichen, relativ oberflächlichen Beschreibungen von Methoden. Mir fehlen vor allem Schilderungen aus dem Innenleben nach einem derartigen Ereignis. In den spärlichen Artikeln über Opfer von politisch motivierter Folter finden wir uns nur sehr bedingt wieder. Zwar ähneln sich mitunter die Methoden, allerdings ist auch der Kontext für die Auswirkungen entscheidend. Häufig haben diese Überlebenden zudem einen – aus unserer Sicht -entscheidenden Vorteil bei der Verarbeitung: Die erlittenen Gewaltformen und die Umstände (Folter in Gefängnissen, bestimmte Regime, Stasi, KZ, etc.) sind bereits gesellschaftlich bekannt und auch anerkannt, während Überlebende von ritueller Gewalt erst mal dafür kämpfen müssen, dass Ihnen überhaupt geglaubt wird. Wir haben uns nun dazu entschlossen Stück für Stück unsere Empfindungen niederzuschreiben. Vielleicht hilft das anderen, die ebenfalls danach suchen. In der Seitenleiste findet sich ab sofort die neue Kategorie „Erfahrungen von Folter“, um die Beiträge dort zu sammeln. Beim Schreiben werden wir uns an dem orientieren, was uns im Innen jeweils zu dem Thema bewegt. Im letzten Beitrag „Tote trinken keinen Kaffee“ haben wir bereits einen Anfang gemacht. Triggerwarnungen gibt‘s – wie grundsätzlich auf diesem Blog – keine.

Die Dimension der Heilung

„Es ist wie bei einem Schock. Alle Energie zieht sich von den Extremitäten zurück, um nur noch die lebenswichtigen Organe zu versorgen. Bei Ihnen ist es gerade ähnlich. Das was passiert ist, war einfach zu viel. Es ist keine Kraft mehr da, sich um das Außen und den Alltag zu kümmern. Ihre Seele hat jetzt andere Prioritäten. Sie braucht die Energie um ihr Innerstes zu erhalten und zu heilen.
Der einzige Unterschied zum investierten Kraftaufwand ist, dass sie dafür leider keinen Uniabschluss oder besondere Auszeichnungen im Außen bekommen. Was sie leisten ist dadurch weniger sichtbar, aber gewiss nicht weniger wertvoll für Sie selbst und unsere Gesellschaft.“ 

Diese Worte meiner Therapeutin haben mich sehr bewegt. Sie bringen sehr gut auf den Punkt, worum es in meiner Situation derzeit und im Leben vieler traumarisierter Menschen geht. Alltagseinbrüche heißen Heilung. Die Anerkennung im Außen dafür fehlt leider häufig.
Neulich habe ich ein Zitat gelesen:
„Jede Frau, die sich selbst heilt, heilt alle Frauen, die vor ihr da waren und all die, die nach ihr kommen.“  
Der Verfasser ist mir leider unbekannt. Gefunden habe ich es hier.
In meinem Herzen gibt es einen Teil, der sich über diese Aussagen freut. Sie zeigen die gesellschaftliche Dimension, die mutige Frauen mit ihrer eigenen Heilarbeit leisten und machen klar, dass Selbstwerteinbrüche nicht sein müssen. Im Gegenteil, sie können stolz auf ihre Courage sein, die sie mitbringen ihren Themen ins Auge zu blicken. Vielleicht sind andere Überlebende, genau wie ich im Moment, über manche Strecken nicht dazu in der Lage, auch noch einen Beruf zu managen oder normalen Alltag zu leben. Sie werden nicht für ihre seelischen Glanzleistung bezahlt und müssen unter Umständen, auf die Versorgung durch den Staat zurückgreifen. Manchmal fallen dann auch noch blöde Sprüche. Man fühlt sich schlecht anderen auf der Tasche zu liegen. Aber hey – es ist ok, dafür aus der Gemeinschaftskasse bezahlt zu werden, dass man Themen therapiert, für die der Staat zu feige ist und sonst keine Lösungen anbieten kann. Für die er es noch nicht einmal hinbekommt, geeignete Therapiemöglichkeiten zu schaffen. Damit meine ich jetzt nicht nur die mangelhaften „Ich stell dich auf die Beine“-Angebote in Kliniken die lediglich funktionierfähig machen sollen. Um Aufarbeitung geht es kaum. Wer das Trauma deckeln kann, gilt als gesund. Was, wenn ich mehr erwarte!? Ich möchte nicht Krankenkassenfinanziert lernen dauerzuverdrängen. Ich möchte mit Empathie und Herzlichkeit auf meine Wunden schauen dürfen. Begleitet. Von Menschen, die Ohnmacht und Schmerz aushalten können und nicht ihre Ziele an mir verwirklichen wollen/müssen.

Das Geschenk der heilenden Frauen an diese Welt ist ein ganz besonderes:
Sie bringen Stück für Stück die Emotionen zurück und ein gesundes Selbst- und Menschenbild in dem euere Kinder sicher aufwachsen.