Kann der Himmel dissoziieren? 🙂

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Ich sitze auf der Bank vor dem Haus. Gräser und Sträucher sind regennass vom Gewitter. Ein paar Regentropfen fallen leise zu Boden. Das ist einer dieser Momente, in denen man in der Stille die Pflanzen atmen hören kann. Wir atmen mit ihnen. Die Luft ist angenehm kühl und rein. Wir beobachten die Katzen und unsere Gedanken. Mal mehr wie eine ferne Landschaftssilhouette am Horizont, dann wieder detailliert wie eine Makroaufnahme. Über uns schweben Wolken, die langsam ihre Form verlieren und als dunstiger Nebelschleier am blauen Himmel übrig bleiben.

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Kohlweißer Zitronenfalter

Über meinem Dach kreist ein Adler. Majestätisch kommt er auf einer Windböe dahergeritten. Aus luftigen Höhen betrachtet er die Welt. Für einen Moment schwebe ich mit und genieße die Vorstellung von Freiheit. Ich spanne meine Flügel mit ihm aus und strecke mich. Als er landet wird er zur Amsel, die auf dem Hausdach gegenüber hüpft. Das Bild bleibt.
Die Sehkraft von Amseln ist auch nicht zu unterschätzen. Vor allem aber pfeift sie uns nun ein Frühlingslied. Bald begleiten andere Vogelschwärme sie im Chor. Mitten im Gesang bricht die Sonne durch die Wolken und der Regen stoppt. Ob der kleine Vogel wohl nicht einfach nur so auf dem Dach gehüpft ist, sondern Wettertänze macht? Seine Flügel fächert er jedenfalls wie Sonnenstrahlen. Dann hebt er ab. An den Dachfirst grenzt nun nichts als blaugrauer Himmel. Das weiße Wolkentrüb reist mit dem Wind. Ein Stieglitz wippt auf instabilen Ästchen im Gebüsch vor dem Haus.
Ich koche Tee mit Vitamin C. Als ich die Schalen der ausgepressten Zitrone aufeinander lege, frage ich mich, ob ich jetzt wohl ein Zitronenfalter bin. Beim anschließenden Blick in den Spiegel fällt mir auf, dass mir dafür die gelbe Farbe fehlt. Demnach könnte ich gerade nur ein Kohlweißling sein, der seine Zähne bleckt. Mein innen Leben witzelt bei den Gedanken ich wäre ein „alter Falter“.
Ich putze mir die Zähne, bis das Wasser kocht. Damit brühe ich die Melisse auf. Sie zieht, obwohl sie sich nicht bewegt. Beim eingießen habe ich Honig im Kopf. Er wandert direkt in die Teekanne.
Mmmmmmh…. süß. ❤️
Die Stimmung im Innen ist angeheitert.
Die Zweiohrküken schmunzeln und necken mich etwas mit ihren Kommentaren.
Pust…
Schlürf…
Guten Morgen bunte Welt.  

„Was die an diesen Nutten bloß finden!?“

Höre ich eine junge Frau sagen, die mit einer anderen ins Gespräch vertieft ist. Beide wirken auf den ersten Blick durchaus gut gekleidet. Man hätte Niveau vermuten können.
Von Zeit zu Zeit führt mein Weg durch eine Gegend, in der auch immer wieder Prostituierte auf den Straßen zu sehen sind, weil der Straßenstrich nicht weit entfernt ist. Ausweichmöglichkeiten für mich gibt es nicht, wenn ich das Geschäft meiner Wahl besuchen möchte, weil es nun mal dort lokalisiert ist. Mich stört es allerdings auch nicht sonderlich. Die Frauen tun mir nichts und ich schaue sie eher voller Mitgefühl an. Mit den Leuten des Ladengeschäftes versteh ich mich gut, sie machen gute und bezahlbare Arbeit. Ich mag den Austausch dort. Weshalb sollte ich also ein anderes Geschäft aufsuchen!?
„Schau dir die doch mal an! Wie die aussieht! Da müssten ja eigentlich die Männer noch was dafür bekommen.“
„Die könnten doch auch einfach Kellnern, wenn Sie Geld verdienen wollen.“
Es wird über Prostituierte geschimpft und gelästert und wie schlimm die Männer es wohl haben, mit ihnen ins Bett gehen zu müssen.
Ich höre zu, obwohl ich eigentlich viel lieber gar nichts davon gehört hätte und weil ich schon zu viel gehört habe, mische ich mich schließlich ein.
„Haben Sie eigentlich keine eigenen Probleme?“, frage ich freundlich nach.
Man blickt mich an.
„Naja, es stimmt doch! Die könnten doch auch einfach einen anderen Job machen!“, bekomme ich als verteidigende Antwort.
„Wenn es so einfach wäre und sie tatsächlich wählen könnten, dann stimmt das. Leider können die meisten dieser Frauen nicht einfach frei wählen. Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich“, spreche ich in erstaunte Gesichter. „Haben sie jemals mit einer dieser Frauen über ihre Lebensrealität oder ihre Geschichte gesprochen? Hatten sie jemals wirklich Kontakt zu jemandem aus der Szene oder haben zumindest ein paar Worte gewechselt? Haben sie jemals versucht diesen Frauen zu helfen auszusteigen? Haben sie sich überhaupt schonmal in die Materie eingearbeitet, bevor sie derartige Aussagen treffen?“, frage ich freundlich, aber mit spürbarer Wut im Bauch. Was ich ernte ist nicht viel mehr als entsetztes Schweigen. Das ist mir aber allemal lieber, als mir das Gewäsch weiter mit anhören zu müssen. Ich erledige meine Sachen und mache mich dann auf den Heimweg.
Wenn andere Menschen über Prostituierte sprechen fühle ich mich unwillentlich immer persönlich angesprochen. Ich kann nicht einfach weghören. In mir schreit dann etwas „Weißt du Arschgeige eigentlich wie das ist und worüber du da sprichst?“. Oft schweige ich, diesmal war es an der Zeit den Mund aufzumachen.

Ein Seele-Körpergespräch

„Geh du vor“, sagte die Seele zum Körper, „auf mich hört man nicht, vielleicht hört man auf dich.“
„Ich werde krank werden“, antwortete der Körper, „dann wird man Zeit für dich haben.“

(Quelle: unbekannt)

Nachtgeflüster

Es ist zwei Uhr nachts.

Noch immer sind wir alle nicht so müde, dass wir schlafen könnten.

Im Kopf gibt’s Getuschel.

„Sag mal Große?!“
„Ja.“
„Sag mal, seit wann bist du eigentlich um die Uhrzeit noch wach!?“
„Weiß nicht. Ist eben heute so.“
„Hmm.“

„Sag mal du Kleine!?“
„Ja.“
„Wenn du noch wach bist und auch nicht schlafen kannst, könnten wir ja einfach ein bisschen quatschen. Einfach mal so.“
„Bist du krank?“
„Warum?“
„Seit wann quatscht du mit uns?!“
„Naja, ich hab gedacht wir könnten es ja einfach mal wieder probieren und es wäre vielleicht für beide grade nett… Früher haben wir ja schon mal mehr geredet.“
„Den ganzen Tag sagst du wir sind Fatamorganas und jetzt willst du mit einer Quatschen!?“
„Naja, ich tu mich im Moment eben mal wieder nicht so leicht anzuerkennen, dass Ihr alle da seid… aber ich meins ja nicht so.“
„Das ist aber voll gar nicht nett! Ich sag ja auch nicht ständig, dass es dich nicht gibt! Ihr Großen seid voll kompliziert! Es ist echt nicht einfach, wenn man Große hat!“
Ich muss schmunzeln.
„Ja, da hast du wohl manchmal recht.“
„Ja hab ich!“
„Aber jetzt klappt das mit der Kommunikation doch grade recht gut, findest du nicht? Das freut mich grade!“
„Jup, stimmt. Du bist durchaus lernfähig!“
Wir lachen beide.

„Du Große!?“
„Ja.“
„Ich will ins Bett. Ich bin müde!“
„Na, dann geh. Schlaf gut!“
„Ich will aber ins echte Bett! Nicht nur nach innen!“
„Dann lass uns zusammen mal rüber gehen! Vielleicht klappt es ja doch mit dem Schlafen!“
„Ja. Und ich will mich mit den Anderen in die Decke einrollen und mich wohl und sicher fühlen!“
„Dann machen wir das jetzt!“
„Du Große!?“
„Ja.“
„Es ist schön, wenn du so da bist!“
„Danke! Es ist auch schön, wenn ich euch so fühlen kann!“

Und so schlurfen wir nun gemeinsam ins Bett und schaun, was uns die Nacht noch so bringt…