Traumaschamanen

Wir sitzen auf dem Bett. Im Mund klingt noch der süße Geschmack von einem Gebäckstück nach, das wir eben gegessen haben. Im Hintergrund läuft der Stream von „Das große Backen“. Auf dem Schoß liegt ein Buch. Vor ungefähr einer Stunde sind wir von unserer Therapie nach Hause gekommen. Etwas Frust macht sich breit. Wir haben über vieles geredet. Alles war irgendwie wichtig. Der Kern unserer Probleme  kam allerdings erst kurz vor Schluss zum Vorschein, obwohl wir ihn von Anfang an im Kopf fett markiert als dringend dabei hatten. Wir sind den damit verbundenen Emotionen kommunikativ wohl etwas zu lange aus dem Weg gegangen. Nun ist das Gespräch darüber auf’s neue Jahr verschoben. Shit happens…

Wir schmökern weiter in unserem Buch. Dabei stolpern wir über folgendes Zitat:

Ein wirklicher Heiler ist […] ein Grenzgänger, einer, der über die Grenzen der gesellschaftlichen Konventionen hinaus geht. Er muss ein solcher sein, denn Krankheit und Wahnsinn, Tod und Fortpflanzungstrieb, sie lassen sich nicht durch die Gebote der Rationalität und Ethik eingrenzen.
Storl, Wolf Dieter (2018): Wolfsmedizin. Aarau und München: AT Verlag

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Desaster bei der Heilerin

In so manch verzweifelter Lebenslage ist man bereit so einiges auszuprobieren, nur, dass man vorwärts kommt. Vorweg sei gesagt, dass wir mit dem Berufsstand der Heiler durchaus schon sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Das es da aber auch sehr auf die jeweilige praktizierende Person ankommt, beweist mal wieder unsere jetzige Erfahrung. Die ging in die Hose. Ich kann mich nicht erinnern, wann es zuletzt ein Erlebnis gab, dass es geschafft hat, so viele Bilder gleichzeitig an mir vorbeizujagen. Die Nacht danach war heftig. Blitzlichtdiashow in unbegreifbarer Geschwindigkeit. Unsere Kräfte am Ende. Der Zugang zum Innen verschüttet. Unsere Seele hängt irgendwo außerhalb vom Körper fest. Immer noch.

Vielleicht war der Zeitpunkt des Termins einige Tage vor Weihnachten ungünstig. Das Jahreszeitliche Umfeld machte Stabilisierung im Nachhinein zusätzlich schwierig. Deutlich mehr noch hat aber folgendes Vorgehen der Behandlerin zum Chaos geführt:
Ohne uns zu fragen oder ihr Vorgehen abzusprechen, ratterte sie eine Liste an Dingen herunter, die sie meinte bei uns wahrnehmen zu können und lösen zu müssen. Dabei fielen immer wieder Begriffe, die für uns extrem unpassend waren. Generell halten wir persönlich das Meiste des Reinkarnations-Karma-Lösungsweg-Gelabers für ziemlichen menschengemachten Mist. Dafür waren wir nicht da. Wir konnten ab einem bestimmten Punkt nicht mehr stoppen. Aus ihrer „Lösungsliste“ mit scheinbar zusammenhanglosen Begriffen wie „Hexen“, „Satanskult“ und „Besetzungen“ schoss sie eine Innenperson nach der Anderen in das ultimative Triggernirvana. Sie fragte nicht, was die Begriffe für uns bedeuten. Weder vorher noch nachher. Sie zog eigene Schlüsse und war am Ende zufrieden mit ihrem pseudoenergetischen Wort-Hokuspokus.
Sicher, dass sie damit sämtliche Probleme beseitigt hatte, stellte sie uns vor die Tür.
Error.
Wir sahen kaum noch die Straße, weil innere Bilder die Gegenwart überlagerten.

Unser Fazit:
Im alternativen Gesundheitsbereich gibt es viele bereichernde Anwendungen. Wenn Menschen glauben mehr über dich zu wissen, als du selbst, nimm die Beine in die Hand und bring dich in Sicherheit!