„Wer kennt sie nicht, diese Phasen?“, möchte ich fast den Beitrag beginnen. Dann fällt mir auf, dass Tage voll tiefer Depression so sehr zu meinem Leben gehören, dass sie mittlerweile für mich generell einen festen Platz bei den Menschen haben. Vielleicht ist das aber gar nicht so. Vielleicht gibt es Menschen, die das nicht kennen. Den ursprünglichen Textanfang verwerfe ich jedenfalls über diesen Gedanken, weil er mir nun weniger passend erscheint und ich nicht den Eindruck erwecken möchte, dass wir „alle ein bisschen depressiv“ sind. So ist das nicht. Depression unterscheidet sich von Trauer, Traurigkeit und normalen Stimmungstiefs. Sie legt dich lahm. Sie sorgt dafür, dass du von heute auf morgen wirklich gar nichts mehr tun kannst. Die Außenwelt wird unwichtig.
Kahl.
Kühl und freudlos.
Und sie setzt dich fest – in deinem Bett, in deiner Wohnung, in deinen Gedanken.
Das Karussell beginnt sich zu drehen.
Du bist der Mittelpunkt.
Das Leben mit allen Schrecken zieht an dir vorüber.
Immer und immer wieder.
Zermürbend.
Wer es erlebt hat, möchte wohl nie wieder in den Strudel hineingeraten.
Doch bringt auch die Depression etwas nützliches für die Menschen mit?
Ist sie auch für irgendetwas gut?
An dieser Stelle möchte ich eine kleine Lanze für meine mittlerweile gute Freundin brechen. Die Depression schaut immer dann vorbei, wenn ich es mal wieder viel zu lange versäumt habe auf meine inneren Bedürfnisse zu schauen. Manchmal täuscht sie nur kurz an und ich bekomme die Kurve. Dann gönne ich mir etwas Gutes, bin für den Job zwei Tage nicht zu erreichen und alles ist gut. Ein anderes Mal packt sie mich ohne zu zögern und legt nicht flach. Dann kann ich keine Post mehr öffnen, keine E-mails checken, nicht mehr ans Telefon gehen, keinen Haushalt mehr erledigen und die Tränen hämmern voll Panik von innen gegen meine Schädeldecke. Alles ist zu viel. Die kleinsten Reize.
Gegenwehr lässt sie nur fester zugreifen. Die Depression lässt dich erst dann wieder los, wenn du bei dir selbst angekommen bist. Wenn du bereit bist etwas NUR für dich zu tun. Wenn andere Menschen auch mal in dich investiert haben und nicht immer nur du in sie.
Kurz: Wenn du das Stück von dir Selbst wiedergefunden hast, das sie dir zeigen wollte, weil es so wichtig ist.
Wenn ich durch den Prozess durch war, hielt ich immer ein großes Geschenk in meinem Herzen. Sei es, dass ich mich besser kennen lernte, meine Bedürfnisse anders wertschätzte oder einfach nur meinen Schmerz betrauern konnte.
Seit ich das spüre und wahrnehme nenne ich sie nicht mehr Depression. Ich gebe ihr keine graue oder schwarze Farbe und ich fürchte mich nicht vor ihrem Besuch, denn ich muss nicht mehr sterben, nur um neu anfangen zu können.
Seitdem freue ich mich über ihre kleinen Hinweise im Alltag und den Raum, den sie mir für mich selbst verschafft, wenn mal wieder gar nichts geht.
Sie ist kein Widerspruch zu meinen Lebensplänen, sondern die Passion für mich selbst, die sie erst möglich macht.
Wir nähern uns dem Glück in Einzelschritten.
Die Lektionen dazu lehrt sie mit viel Empathie für mich.
Und dann essen wir zusammen die saueren Zitronen oder bittersüßen Orangen des Lebens und lachen am Ende gemeinsam.