Flashbacks, Jetztzeiterleben, Täterkontakt?

Gestern Abend saß ich auf meinem Bett und versuchte es mir etwas gemütlich zu machen. Der Tag war extrem anstrengend und von starker Dissoziation zerklüftet. Wir machten uns ein Hörbuch an und begannen nach Bastelanregungen im Internet zu suchen. Je mehr wir rein äußerlich entspannten, umso mehr schoß vom Geschehenen ins Bewusstsein und plötzlich war ich mitten drin. Ich hatte das Gefühl, dass mich genau in diesem Moment jemand in meiner Wohnung berührt, streichelt und schließlich vergewaltigt. Kurzzeitig konnte ich diese Person so real vor mir sehen, als wäre sie tatsächlich da gewesen. Nicht vor 10 Jahren, nicht gestern, sondern just in diesem Moment.

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Ein Löffel Eis im Jetzt

Ich liege auf dem Bett und atme. Mit zwei dicken Kissen im Rücken bettet mein Oberkörper leicht aufgerichtet. Meine Finger kraulen im weichen Katzenfell die harten Rippenbögen. Es dauert nicht lange bis sich meine Bewegung des Brustkorbs mit dem Atemrythmus der Fellnase synchronisiert. Tranceartig schnurren mich ihre Töne zur Ruhe. Die Heizung rauscht leise im Hintergrund. In der Nase kribbeln ein wenig die Pollen, aber ich bin zu müde zum Niesen. Mein Kopf singt Liszt. „Romantisch“, denke ich bei mir. „Oh lieb solang du lieben kannst…“
Dann mus ich eingeschlafen sein.

Als ich aufwache liegt mein Handy neben mir. Meine Katzen melden Frühstück an. Mit geschlossenen Augen trotte ich in simulierter Dunkelheit zum Klo. Dann beginnt mein Tag. Einige Stunden später sitze ich mit Spaghettieis im Garten. Die Stimmen in mir sind munter. Sie Reimen und scherzen. Mein Mund schleckt jeweils altersangepasst an der kalten Süßspeise. Nur ein bisschen schwer ist mir die Brust. Aber in der Erdbeersauce gehen die Sorgen unter.

Für diesen Moment ist das so. Die Freude überwiegt. Im gleichen Augenblick sterben im selben Körper Andere tausend neue Tode. Vorne ist das kaum mehr fühlbar. Nun spüren Kinder voll Fröhlichkeit ihr Leben im Heute, bis…
Ja, bis der nächste Moment kommt. Der ist immer nur einen Wimpernschlag entfernt. In dem sterben sie vielleicht vor Qual. Oder glühen vor Wut. Oder Trauern aus tiefem Herzen. Oder betteln um Aufmerksamkeit.

In einem Löffel Eis liegt die ganze Bedeutung von „Jetzt“. Beim nächsten Löffel kann es vorbei sein.