„Könntest du dir einfach vorstellen, wie die Situation hätte im nachhinein vielleicht ganz anders ausgehen können und sie positiv verändern?“
„Nein, kann ich nicht.“, möchte ich darauf am liebsten schreien, „Weil an dieser Situation nunmal nichts mehr zu verändern ist.“
In unseren Therapien sind wir immer wieder mit Techniken in Kontakt gekommen, die für uns einfach so gar nicht gehen und bei denen wir uns auch nicht sicher sind, wem sie letztendlich mehr helfen, dem Patienten oder den sich sonst so hilflos fühlenden Therapeuten.
Eine davon ist die eingangs kurz angedeutete Methode Erinnerungsbilder im Nachhinein in der Phantasie positiv zu verändern, indem man sich z.B. vorstellt, wie man der Situation entkommen konnte oder man gerettet wurde. Als Variante ist es auch möglich das Bild einfach komplett positiv zu verändern.
Jedesmal, wenn uns in der Vergangenheit diese Methode angeboten wurde, hätten wir am liebsten laut aufgeschrien, teils aus Wut, teils aus Verzweiflung. Es gibt kaum etwas, was sich für uns unstimmiger, unechter und unverstandener anfühlt, als das. Lange haben wir das überhaupt nicht geäußert und die damit verbundenen Gefühle runtergeschluckt. Hauptsache der Therapeut war zu frieden. Statt uns damit ernstzunehmen, haben wir es weggeschoben. Der Fehler wird dann schon bei uns liegen, wenn wir das nicht auf die Reihe bekommen…
Tut er aber nicht. Der Fehler dieser Methode liegt für uns einfach darin, dass alte Erinnerungsbilder schlicht nicht mehr zu verändern sind. Die werden nicht mehr rosarot mit Blümchen. Die waren einfach scheiße. Was man mit der Methode jetzt macht ist für uns Wahrnehmungsverdrehung Deluxe. Ich versuche wieder dem Körper und der Seele vorzugaukeln: „So schlimm war es doch eigentlich gar nicht. Komm mal runter.“, obwohl sie sich genau erinnern, dass es eben genau so schlimm war. Und weil Körper und Seele nicht doof sind, spüren die diese Unstimmigkeit und den Selbstbetrug auch. Alles wonach sie sich früher schon und bis heute sehnen, ist einmal einfach gesehen zu werden und sich nicht wegmachen zu müssen. Darin liegt für uns die Heilung. Dass wir einfach sehen und spüren dürfen, wie es war. Völlig ungeschönt. Klar ist das richtig mies, aber genau so war es. Und wenn wir uns dann richtig ernstgenommen und gesehen haben, dann haben wir einen Teil von uns wiedergefunden und können in der Gegenwart weiter machen. Die Vergangenheit darf Vergangenheit und die kleinen im Heute in Sicherheit gebracht werden. Dann wachsen die Blümchen von ganz alleine. Nicht in dem Bild von damals. Außenrum. Umso schöner.
Die Imaginationen von inneren sicheren Orten oder Tresoren zum Wegpacken von belastendem Material haben wir teilweise als durchaus sehr entspannend und sinnvoll gefunden, teilweise waren sie jedoch auch schwer umsetzbar.
Woran es lag, dass sie von uns auch negativ empfunden wurden, hatte wohl verschiedene Gründe.
Zum einen wurden uns diese Techniken oft schneller Angeboten, als wir schauen konnten, wenn wir auch nur in Ansätzen erwähnten, dass sich in unserem Kopf etwas Belastendes abspielen könnte. Wir wurden quasi Mitten im Versuch etwas auszudrücken abgeschnitten und sollten die Erinnerungen wieder wegpacken, ehe sie aus dem Unbewussten überhaupt richtig aufgetaucht waren. Es entstanden dadurch gefühlte (und auch reale) Schweigegebote in der Therapie, was so ganz und gar nicht gut war.
Zum anderen waren sie oft schlecht umsetzbar, wenn wir nunmal auch in der Gegenwart tatsächlich Angst hatten. Da half oft der sicherste innere Ort nichts oder nur sehr bedingt. Sinnvoller wäre an der Stelle oft gewesen einfach über das zu sprechen, was in uns vorgeht und es nicht zwanghaft irgendwo hinverschachteln und Stabilisierungstechniken üben zu müssen. Oft genug hatten wir das Gefühl, dass diese Techniken jetzt nicht uns helfen sollen, sondern eher der TherapeutIn, die nicht weiß, wie sie mit dem, was da auftaucht umgehen soll.
Das reden über Erinnerungen ist aber ein Thema, über das wir sicher extra nochmal schreiben werden, weil wir damit auch so einige Schwierigkeiten hatten.
Insgesamt können wir für uns sagen, dass wir Imaginationen mögen und auch sehr positiv empfinden, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt werden und wir selbst bestimmen, wann der richtige Zeitpunkt ist. Quasi als offenes Angebot, das wir annehmen können oder auch nicht. Und wenn es nicht passt, dann wird eben nach einer anderen Lösung gesucht.
Schwierig finden wir sie dann, wenn sie als Universallösung angeboten werden oder alleinige Therapiestrategie zu sein scheinen. Wenn sehen und reden über das, was gerade in einem vorgeht jedesmal weggedrückt werden muss, weil nicht geredet werden darf und somit auch wichtige Entwicklung verhindert wird. Kurz: Man kann es auch übertreiben.
Auch bei diesem Verfahren gilt wohl, dass Imaginationen für manche Menschen aus den verschiedensten Gründen einfach nicht angenehm oder passend sind und individuelle Lösungen gebraucht werden.
Zudem sind Imaginationstechniken für uns eher kurzfristige (Lösungs)versuche, um etwas Entspannung herbeizuführen. Langfristig braucht es unserer Meinung nach das Sehen und Annehmen der Vergangenheit und der Gegenwart, so wie sie ist. Sonst werden Imaginationen wieder zum Selbstbetrug, der etwas vorgaukelt, was so gar nicht war/ist und das kann ja letztendlich keine wirkliche Heilung sein.
Wenn sich jemand jeden Tag sagt, dass er sicher ist, obwohl er mitten im Kriegsgebiet lebt, hilft die tollste Vorstellung nicht. Erstens, weil sie wahrscheinlich nur bedingt funktioniert und man das nicht völlig leugnen kann und zweitens, weil damit, sofern die Vorstellung funktioniert, auch verhindert wird, dass er begreift, dass er sich in einem Kriegsgebiet befindet und sich besser in der Realität in Sicherheit bringen sollte.
Wenn jemand in einem Kriegsgebiet gelebt hat und bereits in Sicherheit ist, dann hilft es ihm wahrscheinlich wiederum langfristig eher, sich sehen zu dürfen und zu begreifen wie schlimm es war, weil er darüber auch begreift, dass er jetzt sicher ist und über das Sehen dessen, was war auch spüren kann, was er jetzt braucht, um zu heilen, anstatt die Vergangenheit mit den schmerzlichen Gefühlen in einen Tresor zu schließen oder positiv verändern zu wollen. So kommt er wahrscheinlich nie auf eine anhaltende Lösung.
Zumal das ständige Wegpacken ja auch brutal anstrengend ist.
Wir sind der Meinung, dass unsere Seele und unser Körper die Erinnerungsbruchstücke nicht zurück ins Bewusstsein schwemmen, um dann mit einer Imagination wieder weggepackt zu werden, sondern weil sie uns etwas wichtiges zu sagen haben und gesehen werden wollen. Sie können ja nichts dafür, dass unsere Gesellschaftsstrukturen körperseelenunfreundlich sind und dafür keinen Platz und Raum lassen.
Wenn sie gesehen wurden, dann müssen Körper und Seele nicht immer mehr und immer stärker rebellieren, sondern können sich wohl und verstanden fühlen und wissen, dass ihre Bedürfnisse beachtet werden.
Uns zu sehen und anzunehmen gelingt uns selber nicht immer, aber wenn es klappt, haben wir es bislang immer so erlebt.
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