Was Therapeuten sagen und was ich denke…

Wir verstehen durchaus, dass eine gewisse Orientierung notwendig ist, um keine Retraumatisierung und Überflutung mit traumatischem Material zu riskieren. In vielen Fällen hatten wir bei dieser Frage in der Vergangenheit jedoch den Eindruck, dass sie nicht zu unserem Schutz gestellt wird, sondern für die ansonsten überforderte Therapeut_in.

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Insekten, Sodomie und rituelle Gewalt

Ich setze mich langsam auf und wische mir den Schweiß von der Stirn. „Was für eine Nacht!“, denke ich und bin darum bemüht die verstreuten Ecken meines Bewusstseins zu einem weniger wattigen Etwas zusammenzusetzen. Aufstehen, Zähneputzen, Kaffee kochen… Die Albträume sitzen mir noch mit ihren spitzen Angstmomenten in den Knochen. Orientieren. Als die ersten warmen Schlucke langsam meine Kehle Hinunterfliesen komme ich etwas im Heute an. Seit Tagen schon nimmt die Falshbackdichte deutlich zu. Erinnerungen an das vergangene beuteln mich. Ein besonderes Cluster bilden die Traumata, in die auf unterschiedliche Art und Weise Tiere eingebunden waren.

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Duschwassertropfen und Gedankenspuren

Die letzten Tropfen des Duschwassers laufen noch über meine Nase. Von den Haarspitzen aus bilden sich kleine Rinnsale über meinen Rücken. Immer wieder geraten sie kurz ins Stocken ehe sie weiterfließen. Es ist als müssten sie Anlauf nehmen und sich sammeln, bevor sie sich in die Tiefe stürzen. Manche der kleinen Bäche münden ineinander. Andere ziehen alleine längere und kürzere Spuren über meine nackte Haut. In der Nase der Duft des Shampoos. Eine Mischung aus süß und doch angenehm frisch. Mit den Händen greife ich nach dem großen Duschtuch auf der Ablage. Ich breite die Arme aus, um mich dann in das flauschige Frottee zu hüllen. Übereinanderschlagen, Ecke einstecken, fertig. Ein Turban um die lange Mähne. Dann sind die Rinnsale trockengelegt. Auf der Hautoberfläche bleibt nur ein Hauch von Feuchtigkeit zurück, der kühl in Raum und Zeit verdunstet. Ich lasse mich in den Sessel fallen. Erschöpft. Vor dem Fenster weht das Aprilwetter. In mir Totenstille. Es ist als würde ich selbst darin den Schreien der Traumata lauschen, wie sie widerhallen, gegen die Schädeldecke prallen und in vernichtendes Nichts münden. Mein Schädel ein schwarzes Loch voller Abgründe.

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„Schwer erkrankt“

Ich sitze bleischwer im Sessel. Meine Augen starren ins Leere. In Gedanken wiederhole ich einen Satz aus einer ärztlichen Stellungnahme: „Die Patientin ist schwer erkrankt.“ Wie auf einer alten Schreibmaschine läuft er immer wieder in meinen Gedanken vorbei und springt am Ende der Zeile wieder auf Anfang. „Schwer erkrankt.“ Meine Beine zappeln unruhig hin und her. Die Anspannung ist enorm hoch. Wir funktionieren nicht mehr. Nicht mehr wirklich. Das macht Panik. Letzte Woche haben wir uns krank melden lassen müssen, weil wir selbst nicht mehr dazu im Stande gewesen wären. Zum einen, weil wir tatsächlich dermaßen platt waren, dass wir nicht mehr sprechen konnten, zum anderen, weil wir es selbst nicht hätten so entscheiden dürfen. Krise. Aber lieber sterben, als vereinbarte Aufgaben und Termine nicht erfüllen, denn sonst stirbt man. Sagt mein Stammhirn. Gefühlter neuer Höhepunkt in der Abwärtsspirale. Versagt. Heute eine Nachricht vom Arbeitgeber. Anscheinend war nicht klar, dass ich auch am Wochenende und bis auf weiteres nicht arbeitsfähig bin. Ich soll erscheinen. Doch ich kann nicht. Eigentlich. Ich hadere. Soll ich es doch tun? Kann ich irgendwie letzte Kräfte mobilisieren. Immerhin gefällt mir der Job ja. Ich habe doch eigentlich „nur“ Stress. Innere kämpfe. Seit Tagen lebe ich in dichter Watte. Aufstehen ist mir nicht mehr möglich. Ich vergesse alles. Bin taub. Die Welt ist stumpf und bedeutungslos. Mein Körper niedergeschlagen wie nach einem enorm schweren Kraftakt. Alles schmerzt. Mein Innen läuft Dauermarathon. Die Physis liegt reglos im Bett. Mindestens Zwei Spuren streiten sich nun also untereinander. Sie sind sich uneinig, was wir zu leisten im Stande sind. Denn wie miserabel es uns wirklich geht, hat nur ein minimaler Bruchteil unseres Gehirns in Ansätzen überhaupt mitbekommen. Und von diesem kleinen Teil ist wiederum der Großteil ein kognitiv entferntes mentales Konstrukt und keine emotionale Wahrnhemung. Der Rest lullt sich dissoziativ den Zustand kurz vorm Suizid mitten im Totalzusammenbruch schön. Die Ernsthaftigkeit der Lage wird uns nicht bewusst. Uns fehlt ja nicht wirklich was – außer, dass wir nicht mehr können. Was also dem Chef antworten? Ich suche Hilfe bei meiner besten Freundin. Dann taucht der Satz aus der Stellungnahme wieder auf. „Schwer erkrankt.“ Ich versuche irgendwie den Graben zwischen den Wahrnehmungswelten zu überbrücken. „Der Arzt sagt, wir sind schwer erkrankt“, halte ich mich in Gedanken fest. „Also könnten wir es vielleicht wagen in Betracht zu ziehen uns krank zu melden.“ Andererseits: Mir macht das doch Spaß, ich habe mir immer gewünscht das einmal tun zu dürfen und dafür bezahlt zu werden. Dann kann es doch nicht zu schlimm sein. Vielleicht muss ich mich nur aufraffen…

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Wortwolken

Ich denk‘ in unsortierten Wortwolken,
die meinen Schädel stalken.
Nichts davon macht Sinn, denn der Sinn ist nur zu denken
und meine überreizten Zellen von eben diesem abzulenken.

Ich sammle Möglichkeits-Cluster und Panikschwärme.
Meditation sollte helfen, doch die nutzen sie gerne.
Sie vermehr’n sich in Ruhe und reisen durch die Zeit,
wo ein Unheil mich findet ist auch das nächste nicht weit.

Gedanken denken in Linien, doch die Seele tut’s nicht,
weil sie immer im jetzt ist und über’s fühlen nur spricht.
Ihr ist egal wann was war und wie Hemisphären das werten,
sie verlässt sich auf zentrale Emotionserfahrungsexperten.

Hier sitz ich und fühle und will nur noch sterben.
Gründe gibt’s viele, die in der Wortwolke werben.
Gedanken kreisen und pendeln und frier’n manchmal ein,
dann wird der Körper wie Blei und das Herz schwer wie Stein.

Manchmal machen sie Nebel und manchmal klären sie auf.
Doch nun mache ich erst Mal von meinen Gedankenverweigerungsrechten gebrauch.
Ich starr zur Zimmerdecke, steck mit dem Füßen im Sumpf,
langsam werde ich müde und frage mich dumpf:

Wenn das denken nicht wäre wie wär‘ es zu sein?
Dann hätt‘ ich nie mehr was vor mir und wäre jenseits vom Schein
der Masken, die ich täglich trage.
So schließ ich und sinke in die Wortwolkenfrage.

Copyright by „Sofies viele Welten“

Ein Beitrag wie eine Busfahrt

Ich sitze in der Sonne, die mir schon am Morgen viel zu heiß ist. Warten auf den Bus. Ein weißes Cabrio rauscht an mir vorbei. Ich krame in der Hosentasche nach Kleingeld für die Fahrkarte. Fünfzig Cent. Und nochmal… Reicht nicht. Also Rucksack runter und die Taschenuniversen erhöhen. Mehr Raum für mehr Geld. Wenn ich nur so viel hätte, dass ich alles damit vollstopfen könnte… Auf die letzte Sekunde finde ich die letzten Groschen. Neben mir auf der Haltestellensitzbank hibbelt eine ältere Dame unruhig umher. Zwei Minuten Verspätung! Dann ihre Erlösung – Der Bus kommt. Einsteigen.

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Tote trinken keinen Kaffee

Meine Beine sind hochgelagert. Mit dem Rücken bin ich stabil gegen die hohe Sofalehne gerückt. Ich starre regungslos in die Ferne. Weit weg höre ich eine vertraute Stimme. „Sofie, komm zurück! Ich bin da.“ Doch ich komme nicht zurück. Die Welt um mich, die ich ohnehin kaum wahrnehme, versinkt völlig im Schwarz. Als ich erneut zu mir komme, blicke ich in Augen voller Tränen. „Ich weiß es war schlimm. Ich bin da. Bleib bei mir.“ Schmerz schießt mir durch den Körper. Nichts von dem was geschieht verstehe ich auch nur ansatzweise. Weder weiß ich wo ich bin, noch weshalb. Nur die freundliche Stimme dringt immer wieder an mein Ohr und zieht mich ins Bewusstsein. Zitternd beben meine Zellen. Schauer überlaufen mich. „Magst du etwas trinken? Kaffee für den Kreislauf?“ In Fluten brennend heißer Schmerzen, die meinen gesamten Körper durchzucken, versuche ich zu sortieren, was überhaupt passiert ist. „Bist du echt?“, frage ich. „Ja, ich bin echt. Ich bin da.“ „Ich bin tot“, sage ich und weiß nicht, ob ich gestorben bin oder noch einen Körper habe. Denn irgendwie ist er weg, auch wenn er weh tut. Er ist nicht mehr meiner. Ich bin nicht mehr hier auf dieser Welt.

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121 Bullet Journal Printables für PTBS & dissoziative Störungen

Die Jahre haben gewechselt und ein neuer Kalender beginnt. Die sehr personalisierte Form eines Jahresplaners stellt ein Bullet Journal dar. Es ist flexibel gestaltbar und geht mit dem Inhalt über bloße Terminaufzeichnungen hinaus. Die liebe Sonrisa hat vor einiger Zeit auf ihrem Blog einen Beitrag geschrieben, in dem sie Tipps und Tricks zum Bullet Journal teilt. Zudem sind auf ihrer Seite schön gestaltete Printables für den Umgang mit PTBS zum Ausdrucken verfügbar. Mit ihnen lassen sich viele Symptome gut verfolgen. Wer kreativ ins neue Jahr starten und dabei noch seine Gesundheit im Auge behalten möchte, findet in verschiedenen Artikeln auf dem Blog eine wahre Fundkiste zum Gestalten eines Notizbuches, dass für Betroffene von Traumafolgestörungen einen echten Mehrwert besitzt. Optimal sind die Materialien gerade auch für Neueinsteiger oder Menschen, die sich nicht für ausreichend kreativ halten. Sie schaffen einen barrierefreien Zugang zu ersten Versuchen.


Viel Spaß beim Stöbern und Selbermachen! 🖌📔


DIS...tanz

Hallo an alle,

eines der ersten Dinge, die ich mit meinem neuen Zeichenbrett probiert habe, waren Bullet Journal Printables. Ich bekomme immer noch ab und an Post zur Bullet Journaling Serie hier im Blog – manche sind noch unschlüssig, ob das etwas für sie ist oder wissen nicht genau, wie sie beginnen sollen. Das hab ich mir überlegt:

  • November ist der beste Monat für einen Testlauf. Im Dezember geht es vielen Traumapatienten nicht so gut. … und bis Januar kann man dann entscheiden, ob man einen Versuch wagen möchte und ein BuJo beginnen…
  • Du kannst die Printables einfach downloaden und ausprobieren, wenn Du möchtest… Bei manchen füge ich ein Foto der ausgefüllten Seite hinzu, damit Du siehst, wie man die Seiten verwendet.
  • Das meiste habe ich mit Tieren illustriert. Ich hoffe, das ist für alle unverfänglich-triggerfrei.
  • Als Format habe ich – ziemlich unüblich – A4 gewählt, damit die Seiten einfach…

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Wenn meine Tränen…

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Wenn meine Tränen Sprachen sprächen,
dann flössen sie in Tränenbächen
ganz bunt mit eignen Ausdrucksweisen
laut schluchzend und zu Boden reißend,
bis zart und leise fröhlich glucksend,
schweigend still und gar nicht mucksend,
die Freud‘ und auch den Schmerz ertragend,
am Ende Herz und Seele labend
ins Seelenmeer.

Wenn meine Tränen Menschen wären,
dann würden sie den Menschen ehren
und mit Respekt vom Leid erzählen
bis es aufhört ihn zu quälen,
von Lasten, Angst, Not und Gewalt,
von Seelen ohne Hilf’ und Halt,
die trotzdem stumm ihr Leben meistern
im Kampf mit den Gesellschaftsgeistern,
weil niemand hören will.

Wenn meine Tränen Wunden wären,
dann würd’ ich wohl zu Grunde gehen,
blutüberströmt am Boden liegen
von wortgeformten Dolcheshieben,
zermartert todgeschunden weinend,
nach außen fröhlich lachend scheinend,
am ersten Hilfekurse scheitern,
die Sicht um Seelennot erweitern,
weil kein Arzt sie nähen kann.

Weil meine Tränen Heiler sind,
mit Lieb’ und Fürsorg’ für das Kind,
verbinden sie die Wunden selbst,
entlasten Not, wenn es mal fällt,
sind Zeugen – niemals an mir zweifelnd,
die Seele zart und friedvoll streichelnd,
bedingungslos an meiner Seite,
geben sie in der Nacht Geleite,
lösen aus Muskeln starre Krämpfe,
während ich für mein Leben kämpfe,
bis wir uns in den Armen liegen
und uns glücklich dafür lieben,
dass wir uns selbst gefunden haben,
aus Wunden wurden schöne Narben.
Lasst voll Triumph den Sieg begießen:
Nun können Freudentränen fließen.

© Copyright by „Sofies viele Welten“

Trauma heißt Verleugnung

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Immer wieder zweifeln Betroffene an ihrem Trauma. Scham und Schuldgefühle beuteln die Opfer, die eine Realität für gegeben nehmen müssen, die für sie selbst nie – noch nicht einmal während des Ereignisses – als real wahrnehmbar war. Für die Täterlobby stellt das ein gefundenes Fressen dar. Die Verleugnung wird schwubsdiwups zur Scheinwissenschaft über „False Memories“ umfunktioniert, um die Täter zu entlasten. Andere Wissenschaftler forschen dazu, weshalb Menschen selbst nachweislich stattgefunden Traumata vergessen und verleugnen. Dabei lässt sich ein Trauma ganz einfach definieren: Es ist die Zeitgleich mit der Tat beginnende konsequente Verleugnung der Realität, die als solche ansonsten nicht aushaltbar gewesen wäre.
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