Wie die Wortwahl natürliche Prozesse erschwert

Wir sitzen einigermaßen erschöpft auf dem Bett. Gerade waren wir duschen. Die Haare liegen nass auf unseren Schultern. In Gedanken lassen wir die letzten Tage Revue passieren. An unserer Art mit den Folgen unserer Geschichte umzugehen hat sich über die Zeit viel geändert. Besonders deutlich ist uns das im letzten halben Jahr geworden. Unsere Haltung uns selbst gegenüber hat sich radikal gewandelt. Vor allem haben wir Kontrolle losgelassen. Paradox ist, wie viel mehr Steuerungsmöglichkeiten wir dadurch erhalten haben.

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Die Zeit zwischen den Stunden

Heute vormittag hatten wir eine sehr anstrengende Therapiestunde. Wir konnten viel besprechen und uns Teile einer Erinnerung ansehen. Das hat ein Stück erleichtert. Dennoch kostet es Kraft.
Nach solchen Einheiten ist es uns wichtig auch nach der Therapie genug Raum zu haben, um mit uns in Kontakt bleiben zu können. Die Arbeit hört nicht auf, wenn wir die Praxis der Therapeutin verlassen. Im Gegenteil. Viele wichtige Prozesse beginnen genau jetzt im System zu wirken. Meistens haben wir dann das Bedürfnis uns zunächst sicher zurückzuziehen. So können wir die vielen Eindrücke oft am Besten verarbeiten. Manchmal trinken wir auch vor Ort noch einen Kaffee, wenn wir es brauchen, um uns zu orientieren und sicher Autofahren zu können. Besonders wichtig ist uns in der Nachwirkungszeit, dass wir uns gut versorgen. Dazu gehört beispielsweise darauf zu achten ausreichend zu trinken und auch vernünftig zu essen. Das beugt zum einen Heißhungerattacken vor, die wiederum schwieriges auslösen würden und zum anderen braucht unser Körper einfach wichtige Nährstoffe für die Leistung, die er bei der Verarbeitung bringen muss. Essen wir direkt nach der Therapiestunde zu viel Süßes, haben wir festgestellt, dass wir damit den Heilungsprozess ein Stück unterbrechen. Gefühle lassen sich für uns damit nochmals wegdrücken. Das hilft auf der einen Seite zwar super gegen den Schmerz, verhindert aber auch, dass er realisiert und damit letztlich verarbeitet werden kann. Wir verbieten uns den Zucker nicht grundsätzlich, weil das zu nichts führt. Spätestens am Abend habe ich dann den unwiderstehlichen Drang mir ein ganzes Süßigkeitenregal einzuverleiben. Ein Rippchen Schokolade oder ein Stück Kuchen sind zum Kaffe nach der Therapie deshalb völlig ok. Aber dabei sollte es auch bleiben.

Bei den Kleinen war nach der Therapie heute der Wunsch da Pizza selbst zu machen. Dem bin ich gerne nachgekommen. Den Pizzateig haben wir uns fertig gekauft. Für den Belag wählten wir Zutaten, die uns möglichst allen schmecken und schnippelten sie gemeinsam klein. Auf der Pizza haben wir verschiedene Zonen eingerichtet, die jeweils unterschiedlich belegt waren. Als Große tat mir die gemeinsame Aktivität gut, weil ich mich und die Anderen weiter spüren konnte. Das half mir auch mit dem Schmerz durch Erinnerungen umzugehen und orientiert zu bleiben. Für die Kleinen war der Kontakt ein Stück Trost und gesehen werden. Insgesamt war es einfach schön gemeinsam für unser Essen zu sorgen und dabei Spaß zu haben.
Mit ein bisschen frischer Luft und Sonne auf dem Balkon war der Nachmittag schnell vorüber.

Bis zur nächsten Therapiestunde dauert es nun sieben Tage. Zeit, in der wir im innen intensiv damit beschäftigt sind Dinge nachzubereiten und die neuen Themen vorzubereiten, an denen wir mit unserer Therapeutin anknüpfen wollen. Zu der intensiven Beschäftigung gehören übrigens auch (Denk-)Pausen. 😉 Was wir in der Zwischenzeit nicht machen, ist nach Erinnerungen zu bohren. Wir gehen mit dem um, was auftaucht. Für direkte Arbeit nutzen wir die Therapiestunde. Mit professioneller Begleitung sind wir besser abgesichert, das hochkommende Material auch halten zu können.
In unserem Bullet Journal gibt es eine eigene Rubrik, in der wir alle wichtigen Eindrücke und inneren Vorgänge der Woche kurz festhalten. Das verschafft uns einen Überblick, ob etwas anderes angetriggert oder problematische Erinnerungen oder Programme ausgelöst wurden. Beispielsweise haben wir auf diese Art herausgefunden, dass eine bestimmte eigentlich normale Frage am Anfang der Therapiestunde bei uns dazu führt, dass wir keinen Zugang mehr nach innen haben und plötzlich alles gut scheint. Der Zusammenhang wäre uns so schnell wahrscheinlich nicht bewusst aufgefallen, wenn wir nicht die Wochen schwarz auf weiß hätten vergleichen können.
Aber auch schöne Momente werden erwähnt oder wenn etwas besonders gut klappt. Später können wir sie dann einfach nachlesen und uns daran freuen. Erfolge werden so ebenfalls gewürdigt und sichtbar.
Grundsätzlich will ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir gut darauf achten, nichts aufzuschreiben, was jemand innen nicht niederschreiben möchte. Das muss auch respektiert werden. Wenn es mal wirklich wichtig sein sollte, sprechen wir in Ruhe darüber.

Ansonsten ist uns aufgefallen, dass es für uns sehr viel leichter ist die Zeit zwischen den Stunden zu überstehen, seit wir sie als zur Therapie gehörig betrachten und sie dementsprechend strukturieren. Auf diese Weise ist es kein Warten mehr, bis mit der Therapeutin endlich wieder etwas weiter geht, sondern wir lernen uns auch zwischen den Stunden kennen und machen praktisch täglich ein bisschen Arbeit für uns und das nächste Treffen mit unserer Helferin. Es ist nicht mehr Therapie mit der übergoßen Lücke in der Zeit bis zum nächsten Mal, sondern Therapie und der dazugehörige therapeutische Prozess in den Zwischenzeiten. Die Elemente gehören zusammen.

Und ab und zu ist es natürlich auch einfach wichtig, sich entspannt zurück zu lehnen, die Dinge für den Moment einfach so stehen zu lassen, abzuwarten und Tee zu trinken. 😉
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Text findet Autor

Die Art einen Text oder Beitrag anzugehen, kann sehr unterschiedlich sein. Mit zwei Varianten haben wir fast täglich zu tun, wenn wir unsere Sprache zu Papier bringen.

Es gibt Situationen, in denen man ein bestimmtes Thema genauer beleuchten möchte. Man beginnt zu recherchieren, sammelt Informationen und setzt sich schließlich an den Laptop, um seine Eindrücke zu Papier zu bringen. Wahrscheinlich ist diese Reihenfolge mit „Thema first“, die Art und Weise, wie die meisten Menschen einen Text – wofür und wozu auch immer – angehen. Im Deutschunterricht in der Schule bekommen wir das auch genau so beigebracht. Der Lehrer gibt uns vor, dass wir etwa über die letzten Ferien schreiben sollen. Der brave Schüler lässt sich etwas dazu einfallen und gruppiert anschließend seine Worte drumherum.

Und dann gibt es da diese Momente, die für uns fast noch reizvoller sind. Wenn weder Rahmen noch Thema vorgegeben sind. Wo uns das leere Blatt Papier findet und uns Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort zu der Geschichte trägt, die im Nichts auf uns wartet. Du weißt im tiefsten Inneren, dass der perfekte Artikel schon fertig ist, noch bevor du überhaupt den Stift angesetzt hast. Du holst ihn einfach nur ab. Der Prozess ist tief. Er basiert auf der fokussierten Wahrnehmung des Momentes. Mit dem Verstand, vor allem aber mit dem Gefühl. Die Seele des Textes verlangt vom dir als Schreiber nicht mehr, als ganz in der eigenen Seele zu sein und so einen inneren Raum zu öffnen, in dem alles erlaubt und dadurch alles möglich ist.
Vertrauen, Hingabe, Emotion.
Dann fließt die Geschichte des Augenblicks durch dich hindurch und aus dir heraus.
Die Überschrift kennt selbst der Autor erst am Schluss.
Diese Momente sind uns heilig und in besonderem Maße heilsam. Unsere Gedichte entstehen fast ausschließlich so und haben uns diese Form des Ausdruckes zuerst gelehrt. Mittlerweile schreiben wir auch andere Texte auf diese Weise.

Das Universum hat alles.
Auch fertige Texte zum Download. 😊