Immer wieder zweifeln Betroffene an ihrem Trauma. Scham und Schuldgefühle beuteln die Opfer, die eine Realität für gegeben nehmen müssen, die für sie selbst nie – noch nicht einmal während des Ereignisses – als real wahrnehmbar war. Für die Täterlobby stellt das ein gefundenes Fressen dar. Die Verleugnung wird schwubsdiwups zur Scheinwissenschaft über „False Memories“ umfunktioniert, um die Täter zu entlasten. Andere Wissenschaftler forschen dazu, weshalb Menschen selbst nachweislich stattgefunden Traumata vergessen und verleugnen. Dabei lässt sich ein Trauma ganz einfach definieren: Es ist die Zeitgleich mit der Tat beginnende konsequente Verleugnung der Realität, die als solche ansonsten nicht aushaltbar gewesen wäre.
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Realität
Vom Schmerz im Hier und Jetzt
Da ist er nun wieder – der gemütliche Balkonabend. Irgendwie hat er sich in den letzten Wochen so eingebürgert. Manchmal schauen und denken wir einfach so vor uns hin. Ein anders Mal legen wir die Füße hoch, nehmen den Laptop auf den Schoß und beschäftigen uns mit kunterbunten Dingen aus dem Internet. Heute bin ich froh, dass ich sitze. Der Rest ist mir fast egal. Nach einer Wandertour vorgestern ist der Muskelkater nun so richtig in Fahrt. Ich atme tief ein und aus.
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Von der Wahrheit in Träumen
Ich nehme mit dem Strohalm eine Schluck aus meiner Eisschokolade. Der Sonnenschirm ist längst zugeklappt. Es wäre ohnehin bereits schattig. Ein kühler Wind lässt mich im kurzen T-Shirt leicht frösteln. Die langen weißblühenden Astausläufer der Hecke wiegen sanft im Luftzug. Lila glitzert der Lavendel zu uns herüber. Die durstigen Pflanzen schlürfen mit ihren langen Wurzeln das Gießwasser aus der Erde, während ihnen die Vögel ein Nachtlied singen. Bald wird der Tag auch für uns zu Ende sein. Dann schlafen wir ein und betreten eine „traumhafte“ Welt.
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Dummkopf oder Verbrecher?
“Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.”
Bertolt Brecht
Worte, die Realitäten schaffen…
Worte.
Worte, die uns tief treffen.
Zu tief.
Worte der Frauenärztin.
„Das wird vor allem auch durch häufig wechselnde Sexualpartner und frühe sexuelle Kontakte verursacht.“
Wumm.
Macht es immer wieder in unserem Kopf.
Wumm.
Knallen die Worte durch unseren Körper.
Worte, die wie Schläge gegen unsere Synapsen prallen.
Häufig wechselnde Sexualpartner…
… keinen haben wir uns je freiwillig ausgesucht.
Frühe sexuelle Kontakte…
… wir wünschten wir hätten sie nicht erfahren müssen.
Und dann kommt die Wut.
Wut auf all die, die das mit uns gemacht haben und die, die zugelassen haben, dass es passiert.
Wut, dass wir wegen diesen Typen nun auch noch krank sind und solche Angst deswegen haben.
Und nach der Wut kommt die Traurigkeit und die Verzweiflung.
Und das Gerüst, das mich überleben und funktionieren lies, das mir in schweren Zeiten so sehr geholfen hat, bricht endgültig in sich zusammen – das „Zweifelgerüst“.
Denn wenn „das“ von frühen sexuellen Kontakten und häufig wechselnden Sexualpartnern kommt, dann kann nicht mehr nichts passiert sein.
Dann kann ich nicht mehr hoffen, dass alles vielleicht nur Phantasie ist.
Denn ich weiß sicher, dass ich bislang noch nie freiwillig mit einem Mann geschlafen habe.
Und ich habe keine „häufig wechselnden Sexualpartner“.
Doch wenn ich noch nie mit einem Mann geschlafen hätte, dann könnte ich das jetzt nicht haben…
Dann werden die Bilder im Kopf zur Wahrheit.
Dann wird die Geschichte plötzlich real.
Meine Geschichte.
Unsere Geschichte.
Wortbeschreibungslos
Manchmal ist es nicht einfach die richtigen Worte zu finden,
das auszudrücken, was so tief im Innen bewegt, dass es im Außen nicht mehr greifbar ist.
Es rinnt durch die Hände des greifbaren Verstandes.
Mir fehlen die Worte.
Wurden sie noch nicht geschaffen oder finde ich sie einfach nicht?
Für die derzeitigen Abgründe und Höhenflüge meiner Seele gibt es gefühlt nichts, was absolut treffend beschreibt. Keine Begrifflichkeiten die darstellen und greifbare Bilder der inneren Wirklichkeit schaffen. Sichtbar und verständlich für mich und für das Außen.
Wie kann etwas Wirklichkeit oder ein Stück Realität werden, wenn doch Worte das Medium sind, das ausdrückt, das Wirklichkeiten schafft, aber die Worte einfach fehlen!?
Bin ich unreal? Gibt es mich gar nicht? Gibt es den Zustand in dem ich bin gar nicht?
Ungreifbar.
Ich spreche etwas aus. Ich schaffe eine Realität. Ich fasse in Worte. Ich gebe Gestalt. Mache greifbar und verständlich.
Doch in Bezug auf mein derzeitiges Befinden, auf mein derzeitiges Sein, fehlt diese Wortgestalt.
Es bleibt eine leere Hülle, die nicht mit greifbarem beschrieben werden kann und doch so furchtbar vollgefüllt und belebt ist.
Wortbeschreibungslos.
Von Flashbackgewittern und Wahrnehmungsverzerrungen…
Seit ein paar Tagen schon immer wieder das Gleiche…
Plötzlich das Gefühl es ist gerade in diesem Moment etwas Furchtbares passiert.
Angst.
Bilder, im verschwommenen Nebelklar, ohne raumzeitliche Einordnung.
Überflutende Gefühle.
Berührungen so nah, dass ich jeden noch so kleinen Windhauch auf meiner Haut spüre.
Ist es nun so oder nicht?
Gerade in der Hölle oder aufblitzender Horror aus alten Zeiten?
Aktuell oder Vergangenheit?
Was ist nun gleich die letzte Stunde passiert?
Doch nicht etwa Zeit verloren!?
Versuche der Orientierung.
Je mehr ich mich bemühe das rauszufinden, umso panischer werde ich und umso weiter entfernt bin ich davon es zu erfahren.
Immer mehr Zeit versinkt vor lauter Stress im Dunkel, bis ich letztendlich gar nichts mehr sicher weiß und im Angst-Stress-Gefühlsgewittertaumel zu ertrinken drohe und im reißenden Bilderwirrwar davon schwimme.
Die Sinne verloren.
Vor sich hinstarren.
Leere.
Überwältigung.
Unansprechbar.
Gefangen in grausamen Realitäten.
Irgendwann gelingt es wie aus dem Nichts ein Stück Land zu greifen und mich daran festzuhalten.
Durchatmen.
Was war das?
Realität?
Phantasie?
Realität?
Erinnerung?
Realität?
Traum?
Realität?
…
Waberndschwankendes Gedankenklären.
Boden unter die Füße schieben.
Die Sinne wiederfinden.
Körperkrampfverwirrungsschmerzen entspannen.
Es ist vorbei.
Für dieses Mal.
Zum Glück.