Gesangesfreuden und Balkonhotel

Heute Morgen hatte ich Angst aus dem Haus zu gehen. Es dennoch zu tun, kostete mich alle Kraft, die zur Verfügung stand. Ich setzte mich in mein Auto und fuhr los in meine Gesangsstunde. Mehr als einmal wollte ich lieber wieder umkehren. „Der Tag ist nicht gut“, sagte ich zu meiner Lehrerin, die nur verständnisvoll nickte. „Lass es uns versuchen“, schlug sie die Töne auf dem Klavier an. Ich erklomm die ersten Tonleitern und dann die nächsten. Nach ungefähr fünf Minuten und ein paar tiefen Atemzügen brach das Eis. Wir lachten uns durch 90 Minuten Gesangsübungen. Jetzt tun mir die Schultern weh vom Gewichte heben und die Knöchel von den Anleitungen für Becken, Hüfte und Co. Aber ich bin glücklich. 😊

Auf dem Heimweg liegt ein Gartencenter. Dort bogen wir ab. Eigentlich wollten wir nur schauen und vor allen Dingen riechen. In der Abteilung mit den Rosen duftet es immer so herrlich, dass wir am liebsten dort bleiben würden. Das ist für uns eine richtige Skillecke, wenn man so will. Und dann war da etwas, womit ja wirklich niemand rechnen konnte. Denn eine der wohlriechenden Schönheiten war im Angebot. Geliebäugelt hatten wir schon länger. Zu teuer. Jetzt wäre also eine gute Gelegenheit… aber wir wollten doch nur… egal… gekauft. 😁
Ein Insektenhotel schaffte es auch noch mit in den Einkaufswagen. Das fasziniert die Kleinen schon länger. zu Hause angekommen bekam es sofort eine geschützte Stelle auf dem Balkon. Wir topften die Rose um, gossen sie an und wechselten im Miniteich das Wasser. Letzteres wahrscheinlich gerade noch rechtzeitig, bevor wir in den nächsten Tagen im Mückenschwarm erstickt wären. Die ersten kleinen Larvchen zuckten schon durch’s Biotop. Mit einer Flasche alkoholfreien Holundersekt genießen wir nun im lauen Sommerwind den Tag auf dem Balkon. Wie schön, dass der Tag sich so gewandelt hat!

Freizeitspaß und Entspannung

Zu „Ein Beitrag für euere Fragen“  sind bereits die ersten Rückmeldungen eingegangen. Eine davon wollen wir hier nun Aufgreifen. Die Farbe Bunt wollte folgendes von uns wissen:

„Hallo 🙂. Was sind denn so eure liebsten und angenehmsten Unternehmungen/Beschäftigungen, um zur Ruhe zu kommen/zu entspannen und/oder Dinge, an denen ihr euch freuen könnt?“

Soweit ich weiß, haben wir darüber auch tatsächlich noch nie direkt geschrieben. Danke also für diese Anregung!

Zunächst ist es so, dass Entspannung für uns im Alltag als Thematik kaum auftaucht. Das liegt nicht daran, dass wir kein Bedürfnis danach hätten oder niemals nach Möglichkeiten dazu suchen. Tatsächlich haben wir eher so etwas wie eine „Entspannungs-Sperre“. Sobald das Ziel „Entspannung“ direkt benannt wird, können wir uns darauf nicht mehr so gut einlassen. Wir gehen in eine Abwehrhaltung. Irgendetwas in uns sträubt sich. Die Entspannung wird „spannend“. Die genauen Gründe dafür, kann ich nicht benennen. Manchmal steckt aber sicher die Angst dahinter, darüber mit etwas aus der Vergangenheit in Kontakt zu kommen.

Nichts desto trotz, bauen auch wir in unseren Alltag natürlich Ruhephasen ein. Weiterlesen

Zugfahrt zu meinen Tönen

Wir sitzen im Zug.
Hinter uns macht ein Kind rabatz. Als ob mein Kopf nicht schon voll genug wäre, bringt es mit seinen Quengeleien mein Synapsensystem zum Überlaufen. Ich habe nichts gegen das Kind an sich, nur gegen das, was es auslöst. Ich möchte weg und kann nicht. Die Bahn ist voll. Mein Ziel lässt auf sich warten. Früher als gedacht löst sich unvermittelt zumindest das äußere Problem. Die Familie ist angekommen und steigt einige Stationen vor mir aus.
Während mir die Sonne auf’s Gesicht scheint, bin ich damit beschäftigt, mich selbst zu halten, um nicht an der Kinderstimme zu zerbrechen. Die Triggerbilder rasen durch meinen Kopf. Alte Verletzungen treiben mir stille Tränen in die Augen. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb ich in der Regel öffentliche Verkehrsmittel meide. Zu viele Menschen mit zu hohem Triggerpotenzial. In meinem Auto bin ich kuschelig mit mir alleine. Da kommt mir keiner dumm, niemand quetscht sich neben mich und die Kontakte auf dem Weg bleiben berechenbar. Heute wollten wir es mit dem Zug versuchen, weil es an sich praktischer gewesen wäre – theoretisch.

Wir versuchen aus den weiten Gedankenschleifen zurück zu unserem eigentlichen Ziel zu kommen. Darauf haben wir uns schon am Morgen gefreut. Noch einmal mit der S-Bahn umsteigen, dann sind wir da.
Wir gehen singen.
Eine Stunde mit einer Lehrerin haben wir uns lange nicht gegönnt. Unsere Seele mag es Töne zu finden und Klänge zu bauen und atmend den Emotionen Stimme zu geben. Die Arbeit mit unserem Lautorgan eröffnet uns neue Räume. Manchmal haben wir in den Gesangstunden lange feststeckende Tränen geweint. Sie liefen einfach, während wir uns sanft bewegten und dehnten, um Resonanzräume zu schaffen. Wir sind gespannt, wie es heute sein wird. Ein Neuanfang nach Jahren.

Ein paar schöne Gedanken weiter, singt unsere Seele wieder in Dur statt Moll. Wir steigen aus und laufen die letzten Meter zum Ziel.
Trotz bitterer Winterkälte begleiten uns Sonnenstrahlen.
„Let the Sunshine in…“