Muttertag und verstorbene Kinder

Der Muttertag ist ein Tag, den viele Mütter mit ihrer Familie genießen. Für diejenigen unter ihnen, die aus welchen Gründen auch immer ihr Kind verloren haben löst er oft sehr schwierige Gefühle aus. Die Trauer um den Verlust kehrt zurück. Manche müssen sogar zusehen, wie ihre Freundinnen mit den eigenen Familien feiern, während von Ihnen selbst niemand im Umfeld überhaupt weiß, dass sie je schwanger gewesen sind.

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Mutterschmerz, Trauer und Alltag ohne Kompromisse

Draußen ist es feucht. Immer wieder fällt ein schwerer Tropfen vom Himmel. Die herbstlichen Nebelschwaden des Morgens verziehen sich langsam und verschmelzen zu klarer Luft. Im großen Baum neben dem Haus zwitschern die Vögel. Der kalte Wind durch die Balkontür lässt meine Beine frösteln. Im Kopf pocht Traurigkeit. Verzweifelt knete ich das kleine Stofftier in meinen Händen. „Ich vermisse sie“, weint mein Kopf. In den Gliedern weilt reglose Starre. Manchmal schaffe ich es recht gut meinen Alltag zu regeln und mich etwas von dem Innen zu distanzieren. An anderen Tagen überrollt uns eine Welle der Emotion. Sie trifft inzwischen auch das Heute. Je näher wir uns kommen, um so weniger ist es möglich in mehreren Welten gleichzeitig zu existieren ohne sich gegenseitig zu beeinflussen. Immer mehr kann ich das akzeptieren. Es ist gut sich zu spüren, weil es gesünder ist und so fühlt es sich trotz all dem Schmerz auch an. Heute vermissen wir sie – unsere Kleinen, die einst in unserem Bauch wohnten. Mutterschmerz.

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Wie fühlt man eigentlich richtig, wenn Täter sterben?

Seit einiger Zeit, bin ich mit dem Thema konfrontiert, dass ehemalige Täter verstorben sind. Vor allem der letzte Todesfall eines Haupttäters geht mir nahe – in unterschiedlichster Hinsicht. Unsere Gefühlswelt ist mal wieder sehr gegensätzlich unterwegs. Auch in Sachen Erinnerungen und Flashbacks hat sich seitdem einiges verändert.

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Volles Leben und trauriges Sterben

Der erste Mairegen prasselt auf die Balkonbretter. Rund um mich herum blüht, wächst und grünt es. Die Natur genießt die weibliche Kraft des Wassers nach der langen, trockenen Sonnenphase. Dieses Jahr wird mir besonders bewusst wie viel die Pflanzen seit unserem Umzug vor einigen Jahren gewachsen sind. Es scheint als wären sie in ihrer neuen Heimat nun richtig angekommen. Wir haben uns hier gemeinsam verwurzelt. Als eingespieltes Team pflegen wir uns gegenseitig. Ich sorge für Nährstoffe, Wasser und Schutz und darf dafür nach Herzenslust mitten im Grün meinen Gedanken nachhängen und Energie tanken. Missen möchte ich diese Zauberwelt nicht mehr. Mitten im gebündelten Leben holt uns seit einigen Tagen jedoch der Tod ein.

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Schmuckkörbchen und Traumakisten

In der Tat machen die vielen rosanen und weißen Blüten der „Schmuckkörbchen“ auf unserem Balkon ihrem Namen derzeit alle Ehre. Als mein Blick früh am Morgen von unten in die Pracht des Blumenkastens fällt, blinzelt mir ein Stückchen Himmel zu. Ich schlürfe von meiner Tasse Kaffee. Die Füße ruhen auf dem kleinen Tischchen vor mir. Sonne und Blumenduft geben alles, um uns den Tag schön zu malen. Im Innen fühlen wir uns unendlich traurig. So traurig, dass wir kaum atmen können. Die Sprachlosigkeit macht aggressiv. Während kleine getigerte Schwebfliegen lockerleicht am Nektar schlürfen, schürfen wir tief in alten, unaushaltbaren Verletzungen.

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Ein Teil der Geschichte

Die dicke grüne Kerze flackert in der Laterne auf dem Balkon. Heute erst habe ich die grau-braune Winterkerze ausgetauscht. Sie hat nun ausgedient. Als ich hinspüre merke ich, dass sich die Stimmung dadurch verändert. Es ist fast, als würde die frische Farbe der neuen Kerze das Leben aus der Natur um sie herum aufgreifen und mit ihrem Licht vor Freude strahlen. Die beiden Katzen sitzen vor der Tür und beobachten den Garten. Für einen Moment überlege ich, ob ich mich zu ihnen an die kühle Luft geselle. Immer wieder schleicht ein kleiner Tiger zu mir herein, grüßt mich kurz mit einem Nasenstupser und zieht dann wieder davon. Langsam fröstelt mich auch im Innenraum. Wichtig ist nämlich: Hauptsache die Tür bleibt offen! Geschlossene Türen veranlassen die Katzen zu lautstarkem Protest. Da ich mir das ewige auf und zu ersparen wollte, zittere ich nun also unter einer dicken Decke. Immerhin darf ich in ihrer Wohnung wohnen und bin dankbar für das Asyl, das mir die Katzengötter gewähren.

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Wenn meine Tränen…

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Wenn meine Tränen Sprachen sprächen,
dann flössen sie in Tränenbächen
ganz bunt mit eignen Ausdrucksweisen
laut schluchzend und zu Boden reißend,
bis zart und leise fröhlich glucksend,
schweigend still und gar nicht mucksend,
die Freud‘ und auch den Schmerz ertragend,
am Ende Herz und Seele labend
ins Seelenmeer.

Wenn meine Tränen Menschen wären,
dann würden sie den Menschen ehren
und mit Respekt vom Leid erzählen
bis es aufhört ihn zu quälen,
von Lasten, Angst, Not und Gewalt,
von Seelen ohne Hilf’ und Halt,
die trotzdem stumm ihr Leben meistern
im Kampf mit den Gesellschaftsgeistern,
weil niemand hören will.

Wenn meine Tränen Wunden wären,
dann würd’ ich wohl zu Grunde gehen,
blutüberströmt am Boden liegen
von wortgeformten Dolcheshieben,
zermartert todgeschunden weinend,
nach außen fröhlich lachend scheinend,
am ersten Hilfekurse scheitern,
die Sicht um Seelennot erweitern,
weil kein Arzt sie nähen kann.

Weil meine Tränen Heiler sind,
mit Lieb’ und Fürsorg’ für das Kind,
verbinden sie die Wunden selbst,
entlasten Not, wenn es mal fällt,
sind Zeugen – niemals an mir zweifelnd,
die Seele zart und friedvoll streichelnd,
bedingungslos an meiner Seite,
geben sie in der Nacht Geleite,
lösen aus Muskeln starre Krämpfe,
während ich für mein Leben kämpfe,
bis wir uns in den Armen liegen
und uns glücklich dafür lieben,
dass wir uns selbst gefunden haben,
aus Wunden wurden schöne Narben.
Lasst voll Triumph den Sieg begießen:
Nun können Freudentränen fließen.

© Copyright by „Sofies viele Welten“

Depression – die Passion für sich selbst

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„Wer kennt sie nicht, diese Phasen?“, möchte ich fast den Beitrag beginnen. Dann fällt mir auf, dass Tage voll tiefer Depression so sehr zu meinem Leben gehören, dass sie mittlerweile für mich generell einen festen Platz bei den Menschen haben. Vielleicht ist das aber gar nicht so. Vielleicht gibt es Menschen, die das nicht kennen. Den ursprünglichen Textanfang verwerfe ich jedenfalls über diesen Gedanken, weil er mir nun weniger passend erscheint und ich nicht den Eindruck erwecken möchte, dass wir „alle ein bisschen depressiv“ sind.  So ist das nicht. Depression unterscheidet sich von Trauer, Traurigkeit und normalen Stimmungstiefs. Sie legt dich lahm. Sie sorgt dafür, dass du von heute auf morgen wirklich gar nichts mehr tun kannst. Die Außenwelt wird unwichtig.
Kahl.
Kühl und freudlos.
Und sie setzt dich fest – in deinem Bett, in deiner Wohnung, in deinen Gedanken.
Das Karussell beginnt sich zu drehen.
Du bist der Mittelpunkt.
Das Leben mit allen Schrecken zieht an dir vorüber.
Immer und immer wieder.
Zermürbend.
Wer es erlebt hat, möchte wohl nie wieder in den Strudel hineingeraten.
Doch bringt auch die Depression etwas nützliches für die Menschen mit?
Ist sie auch für irgendetwas gut?

An dieser Stelle möchte ich eine kleine Lanze für meine mittlerweile gute Freundin brechen. Die Depression schaut immer dann vorbei, wenn ich es mal wieder viel zu lange versäumt habe auf meine inneren Bedürfnisse zu schauen. Manchmal täuscht sie nur kurz an und ich bekomme die Kurve. Dann gönne ich mir etwas Gutes, bin für den Job zwei Tage nicht zu erreichen und alles ist gut. Ein anderes Mal packt sie mich ohne zu zögern und legt nicht flach. Dann kann ich keine Post mehr öffnen, keine E-mails checken, nicht mehr ans Telefon gehen, keinen Haushalt mehr erledigen und die Tränen hämmern voll Panik von innen gegen meine Schädeldecke. Alles ist zu viel. Die kleinsten Reize.
Gegenwehr lässt sie nur fester zugreifen. Die Depression lässt dich erst dann wieder los, wenn du bei dir selbst angekommen bist. Wenn du bereit bist etwas NUR für dich zu tun. Wenn andere Menschen auch mal in dich investiert haben und nicht immer nur du in sie.
Kurz: Wenn du das Stück von dir Selbst wiedergefunden hast, das sie dir zeigen wollte, weil es so wichtig ist.
Wenn ich durch den Prozess durch war, hielt ich immer ein großes Geschenk in meinem Herzen. Sei es, dass ich mich besser kennen lernte, meine Bedürfnisse anders wertschätzte oder einfach nur meinen Schmerz betrauern konnte.

Seit ich das spüre und wahrnehme nenne ich sie nicht mehr Depression. Ich gebe ihr keine graue oder schwarze Farbe und ich fürchte mich nicht vor ihrem Besuch, denn ich muss nicht mehr sterben, nur um neu anfangen zu können.
Seitdem freue ich mich über ihre kleinen Hinweise im Alltag und den Raum, den sie mir für mich selbst verschafft, wenn mal wieder gar nichts geht.
Sie ist kein Widerspruch zu meinen Lebensplänen, sondern die Passion für mich selbst, die sie erst möglich macht.
Wir nähern uns dem Glück in Einzelschritten.
Die Lektionen dazu lehrt sie mit viel Empathie für mich.

Und dann essen wir zusammen die saueren Zitronen oder bittersüßen Orangen des Lebens und lachen am Ende gemeinsam.

Die Welt dreht sich

Ich höre die letzten Worte wie im Nebelschleier. Das Essen, das ich gerade noch kauen wollte, mag meine Kehle nicht mehr hinunter gleiten. Mit Tränen versuche ich den Kauvorgang abzuschließen. Ich stehe auf und trage meinen Teller zur Spüle. Fast blind wasche ich den Löffel und das Geschirr, ehe der Trauerschwall über meine Wangen fließt. Von einem zum anderen Moment ist mir schwindlig. Die Welt dreht sich. Die Worte hallen im Kopf  und werden von einem stummen „Wieso?“ beantwortet. Schwanken und taumeln. Wir haben den Boden verloren. Zu viel für unsere Nerven.
Wo ist der Platz, an dem wir einfach mal Ruhe haben!?

Lavendelstille

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© Copyright by „Sofies viele Welten“

Ich sitze auf der Bank vor dem Haus. Im Lavendel summen die Hummeln. Hin und wieder zwitschert leise ein Vogel. In den Augen stehen Tränen der Erschöpfung. In der Lautheit des Alltags sind sie nicht aufgefallen. Sanfter Druck hinter den Augäpfeln verrät mir, dass sie schon länger dort verweilen. Ich blicke in das Lilablau der Blütendolden. Das Beruhigungskraut kratzt mich auf.
Ist es die Stille, die mich aufwühlt? Oder zeigt sich die Aufgewühltheit in der Stille?
Der Himmel ist strahlend blau. Die Katze schleicht zur Jagd vorbei.
Zuhören.
Was gäbe ich gerade für jemanden, der zuhört.
Die Zwischentöne.
Das was ich nicht sage, weil ich selbst nicht weiß, was es ist, außer, dass es da ist.
Ich weiß, es hat mit Gewalt zu tun. Ich weiß, dass man manchmal den Mond auch am Tage sieht. Ich weiß, dass mir die Sprache auch deshalb genommen ist, weil es für das, was ich bei den Verhewaltigungen empfand keine Worte gibt.
Wenn ich sagen wollte, was sie mir angetan haben, es wären bildhafte Umschreibungen und Annäherungsversuche an die Worte, die noch nicht erfunden sind.
Lavendelstille.
Der Raum um mich ist leer und voll gleichzeitig.
Stilledolmetscher dringend gesucht.