Mind Control und Programmierung – Warum die Begriffe im therapeutischen Kontext in der Arbeit mit Opfern organisierter, ritueller Gewalt völlig legitim sind

In der Berichterstattung über organisierte und rituelle Gewalt ist seitens der Leugnerbewegung eine hitzige Diskussion über den angeblich verschwörerischen und unseriösen Gebrauch von Begriffen wie „Mind Control“ und „Programmierung“ in der Therapie von Gewaltopfern entstanden. Helfern, die diese Worte für die Umschreibung des Zustandes ihrer Klienten wählen, wird neuerdings gerne in einem Atemzug direkt der Glaube an eine Weltverschwörung und unwissenschaftliches, patientenschädigendes Gedankengut unterstellt. Das ist jedoch keinesfalls pauschal so als Aussage vertretbar! Erklärung folgt:

Als Programmierung wird eine Form der gezielten Konditionierung bezeichnet, die auf traumatischer Dissoziation fußt. Durch traumatische Lernerfahrungen kommt es an der Grenzen zwischen Leben und Tot zu überlebenssichernden Reiz-Reaktions-Mustern beim Opfer, die sich durch Trigger reaktivieren können und aufgrund der Abspaltungen für die Opfer zunächst kaum bewusst in der Ausführung beeinflussbar sind. Die Auslöser werden von Tätern bewusst verankert, indem sie bestimmte Elemente immer wieder in ihre Tatausführungen einbauen und daraufhin ein bestimmtes Verhalten erwarten. Solange die traumatischen Ereignisse nicht verarbeitet und ins Alltagsbewusstsein integriert sind, besteht so ein gewisser Zugriff durch Täter auf die Opfer.

Unter Mind Control oder umgangssprachlich Gehirnwäsche versteht man den Versuch einen Menschen durch Manipulation gezielt in seinen Einstellungen und Verhaltensweisen nach eigenen Vorstellungen zu beeinflussen. Durch bestimmte Techniken soll das Selbstbewusstsein und die Urteilskraft derart angegriffen werden, dass die eigenen Einstellungen durch fremde ersetzt werden. Der innere Widerstand einer Person soll mittels Gewalt und Folter oder aber auch durch psychische Manipulation gebrochen werden. Durch die Destabilisierung der eigenen Werte und Grundeinstellungen, werden Menschen zugänglich für von außen vorgegebene Realitätswahrnehmung. Bekannt sind diese Versuche unter anderem aus dem Nationalsozialismus, CIA-Experimenten oder in der Beschreibung von Sektenaussteigern und Gewaltopfern.

Beiden Begriffen ist für den Bereich der Traumatherapie gemein, dass sie zunächst einmal verwendet wurden, um die Wahrnehmung der Opfer zu umschreiben und für Außenstehende greifbar zu definieren. Es gehört zum Anfang jeder wissenschaftsbasierten Arbeit, zunächst einmal das Problem möglichst genau zu erfassen! Insgesamt ist das Forschungsfeld zu Komplextrauma im Vergleich zu anderen Gebieten noch sehr jung und in den Kinderschuhen. Worte drückten vor wenigen Jahrzehnten in ersten Publikationen das aus, womit sich die Helfer und auch die Opfer selbst in ihrer gemeinsamen Arbeit konfrontiert sahen. Dazu gehörten auch Gefühle der Ohnmacht, wenn die Betroffenen scheinbar widerstandslos und unbeeinflussbar auf einen Trigger hin bestimmte Verhaltensweisen zeigten, die von außen betrachtet gefährlich und destruktiv erschienen. Man versuchte in gemeinsamen Gesprächen zu verstehen, was die Opfer an Erlebnissen berichteten und stieß auf Schilderungen, die nahelegten, dass gewisse Täterkreise, die Gewalt nicht nur um der Gewalt Willen verwendeten, sondern um ihre Opfer gezielt zu brechen und gefügig zu machen. Innerhalb dieser Beschreibungen gab es wiederum gewisse Abstufungen in der Komplexität der Tatausführung und Konditionierungen der Opfer. Dem musste man sprachlich begegnen, Worte finden, wofür es eigentlich keine gab und benannte die unterschiedlichen Stufen der Konditionierung und Abrichtung am Ende der Eskalationsstufe mit Programmierung. Man sah in dem Bereich Opfer vor sich, die durch die Gewalt schwerst dissoziativ waren und in manchen Teilen scheinbar willenlos den Tätern auf gewisse Auslöser hin zu folgen schienen. Niemand wollte mit dem Begriff ausdrücken, dass Menschen gänzlich wie planbare Roboter funktionieren. Wohl aber umschrieb man damit sehr treffend, dass auf ganz bestimmte von Tätern geschaffene Ausganslagen (Trainings) im organisierten Verbrechen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit über die Zeit ein gewisser Effekt bei den Opfern erzielt werden konnte. Wenn die Betroffenen durch die Gewalt am Rande ihres Überlebens angekommen waren und kurz vor dem Tod standen, boten ihnen die Täter gewisse Verhaltensweisen an, die sie davor bewahrten. Ein Reiz-Reaktionsmuster innerhalb der Persönlichkeiten entstand, dass sich immer mehr den Täterbedürfnissen anpasste, Tätersichten übernahm und ihre Befehle ausführte, um das eigene Überleben zu sichern. Die peritraumatische Dissoziation führte dazu, dass auch nach den Traumata gleichsam spezialisierte Anteile erhalten blieben, die auf Trigger wie beim Ursprungsereignis reagierten. Das ist kein Mythos und keine Verschwörung, sondern immer besser erforschtes traumabasiertes Erfahrungslernen.

Wenn ich als Betroffene mit meinem Therapeuten über meine extremen Gewalterfahrungen spreche, dann steht mir meine Wortwahl frei! Niemand hat mir von außen zu sagen, welche Begrifflichkeiten aus ihrer Perspektive seriös und erforscht genug sind, um sie verwenden zu dürfen. In meiner Therapie geht es um mein Erleben und wenn ich etwas als Gehirnwäsche erlebe, dann ist das so. Mein Therapeut ist unter anderem im Teil des Integrationsprozesses dafür da, dass er mit mir Worte findet, um meine Erfahrungen so zu benennen, wie ich es am passendsten empfinde und nicht wie irgendwelche Studien meinen, sie nennen zu dürfen. Wenn ich diese Worte benutze, dann muss mein Helfer sie auch nutzen dürfen, um Therapie mit komplex traumatisierten Menschen zu beschreiben, ohne direkt an den Pranger gestellt zu werden. Es ist in dem Fall völlig egal, ob Mind Control nach wissenschaftlichen Studien bei jedem Individuum immer bis ins letzte fruchtet oder sogenannte Programme immer dazu führen, dass man von Tätern gleichsam dauerhaft gesteuert werden kann. Es entspricht dem Erleben der Opfer und damit sind die Begriffe insofern wissenschaftlich in der Therapie und den Publikationen legitimiert, als dass sie als umschreibendes Element von Erlebnisrealitäten wichtig und treffend sind!

Natürlich werden Täter bei allen Abwägungen nie bis ins letzte bestimmen können, wie ein bestimmtes Opfer am Ende reagiert. Das ist von vielen inneren und äußeren Faktoren abhängig, die nicht alle planbar sind. Sonst würde ich hier heute nicht sitzen und diesen Text schreiben und es gäbe keine Aussteiger. Die wissenschaftlichen Streitigkeiten um die Möglichkeiten von Mind Control sind jedoch kein Argument, dass es die Gewaltform der rituellen Gewalt nicht gibt oder Therapeuten sich gefährlichen Mythen hingeben. Fakt ist, dass Täter versuchen ihre Opfer zu beeinflussen. Wie weit sie damit in jedem Einzelfall kommen, ist für die Verwendung der Begriffe im therapeutischen Kontext irrelevant! Die Verwendung der Worte schließt Durchbrüche nicht wie von Gegenern behauptet aus oder leugnet sie, sondern zeigt lediglich: Regelmäßig haben Täter mit ihren Methoden ganz oder teilweise Erfolg. Sie kommen mit ihrer „Mind Control“ auch zum Ziel. Ob wirklich jedes Opfer am Ende für immer schweigt, ist nicht ausschlaggebend dafür, dass Täter Schweigegebote unter Gewaltandrohung immer wieder einfordern. Wäre das alles so sinnlos, hätten sie es längst aufgegeben. Vielmehr zählt das Vorgehen gleichsam zum Standardrepertoir des Manipulationswerkzeugkasten, weil es sich wohl insgesamt trotz Ausreißern bewährt hat. Das ist offensichtlich weit verbreitet und völlig unstrittig. Manche Opfer werden vor lauter Todesangst nie wagen die Schweigegebote zu brechen. Viele werden die Täterkreise durch die Todesdrohungen nie verlassen. Viele werden auch weiterhin bis am Ende ihres Lebens die Gewalt willenlos über sich ergehen lassen, weil sie aufgrund ihrer Erfahrungen keinen Ausweg sehen. Bei einigen werden die Einschüchterungen dazu führen, dass sie sich lieber selbst umbringen, als die Folter in ihren Erinnerungen weiter ertragen zu müssen, weil Wehrhaftigkeit sie in die schrecklichsten Momente triggert. Auf den Straßen stehen Menschen, die willenlos vor sich hin vegetieren, nach endlosen Versuchen zu entkommen, einfach kapitulieren und denken, dass Prostitution das einzige ist, was sie wert sind. Das mag nicht zu 100 Prozent vorhersagbar sein, wohl aber mit einiger Wahrscheinlichkeit, wenn Gewalt über einen langen Zeitraum passiert. Wenn ich jemandem Gitter vor sein Fenster schraube und die Tür abschließe, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er noch da ist, wenn ich zurückkomme. Das liegt zum einen daran, dass viele ein Entkommen unter den Bedingungen gar nicht versuchen und zum anderen wird es nur den wenigsten wirklich gelingen einen Ausweg zu finden, wenn er auch nicht komplett unmöglich ist, weil Täter ja etwas übersehen haben könnten. Genau so verhält es sich mit Gewalt, wenn die Gitter irgendwann im Gehirn existieren und der Täter scheinbar den Schlüssel mitgenommen hat! Gehirnwäsche beginnt bei der Ehefrau, die sich nicht von ihrem prügelnden Ehemann trennt, weil er sie in ihrem Selbstwert und in ihrer Wahrnehmung so mürbe gemacht hat, dass sie sich nicht traut die Flucht zu wagen und findet seine extremsten Ausprägungen im organisierten Verbrechen und der gezielten Programmierung. Wir sprechen hier von Fakten über gewaltbetroffene Menschen, die so häufig sind und gesellschaftlich so offensichtlich unübersehbar sind, dass sie den Skeptikerwortkriegen unwürdig sind!

Täglich wird jedem, der hinsehen möchte vor Augen geführt, was Angst im Stande ist in Menschen auszulösen. Wenn man in einem Flashback wissenschaftlich nachweisbar wieder völlig in dem Moment der Gewalt steckt, warum diskutieren wir dann, dass man auch auf Handlungsebene so reagiert, wie damals, als etwa die Suche nach Nähe zum Täter die einzige Option war, die Gewalt vielleicht etwas zu dämpfen? Wenn Urlaubsfotos vom Strand warme Gefühle von Sonne auf der Haut auslösen können, warum spricht man dann Betroffenen ritueller Gewalt und ihren Therapeuten ab, dass auf eine Postkarte des Täters hin, die Wünsche sterben zu wollen aus dem Trauma zurückkehren, in der einem das Motiv vor die Nase gehalten wurde!?

Ich bin diese Diskussionen so leid! Wenn man etwas einfach nicht glauben möchte, dann soll man das so sagen. Die Wortwahl der Opfer und ihrer Therapeuten aber für seine Skeptikerbewegung zweckzuentfremden, um Menschen zu diskreditieren und sich selbst guten Gewissens vormachen zu können, dass gewisse Abgründe in der Welt nicht existieren, indem man versucht ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit auszuradieren, ist Gewalt und mit nichts zu rechtfertigen!Der Versuch von Wahrnehmungsverdrehung und Umdefinition nach dem eigenen Weltbild ist übrigens auch ein Mittel der Gehirnwäsche und Manipulation.

Edit: In den Kommentaren findet ihr als Ergänzung noch meinen Kommentar auf Instagram.

7 Kommentare zu “Mind Control und Programmierung – Warum die Begriffe im therapeutischen Kontext in der Arbeit mit Opfern organisierter, ritueller Gewalt völlig legitim sind

  1. Finden uns so wieder, in dem was ihr schreibt. Schade das es so ist, dass geleugnet und diffamiert wird was das Zeug hält. Unser Auftrag uns umzubringen wurde von den Tätern und Täterinnen klar definiert, bei zwei Geschwistern ist das gelungen. Uns quält es nur, bis jetzt konnten wir widerstehen. Ich finde es erbärmlich, das es ein so großes Sprachrohr des Leugnens in der Öffentlichkeit gibt, obwohl langsam klar sein müsste wozu Menschen fähig sind.

    • Ihr Lieben, das tut uns sehr leid, was ihr da schon alles mitmachen musstet. Wie gut, dass ihr bei all dem noch lebt! Wir wünschen uns ganz fest für euch, dass ihr es schafft und euch ein glückliches Leben nach euren Vorstellungen aufbauen könnt!

  2. Wenn Täter so mit ihren Opfern sprechen, wenn sie ihnen erzählen und einbläuen sie wären ihre Marionetten und Roboter, die nie entkommen, wenn man in gängiger Tätersprache von Programmierung und Training spricht, dann werden es logischer Weise auch die Opfer bei der Aufarbeitung des Schreckens in ihren Therapien tun.
    Wenn sich die Opfer anschließend so fühlen, als hätten sie keine Chance, wenn sie in Triggersituationen immer wieder feststellen müssen, dass sie dem Grauen nicht entkommen und in Todesangst genau so reagieren, wie die Täter es einst wollten ohne etwas dagegen tun zu können, nachdem sie über Jahre und Jahrzehnte entmenschlicht wurden, dann sind technische Begriffe wie „Programmierung“ ihrem Erleben näher, als irgendetwas „menschlicheres“, weil sie als Mensch nie behandelt wurden. Sie waren meist ihr ganzes Leben lang Mittel zum Zweck und seelenlose Ware der Täter. Wenn ihre Therapeuten die Schilderungen hören, wenn sie fassungslos zusehen müssen, wie die Patienten immer wieder zu Tätern zurückkehren, sich schwer verletzen und erfolglos gegen innere Impulse ankämpfen, dann bleibt Ihnen gar nichts anderes übrig, als diese Begriffe ebenfalls zu verwenden, weil alles andere die Realität im Therapieraum verzerrt wieder geben würde. Dann geht es nicht darum, was irgendein Wissenschaftler oder oder Gesellschaftsfuzzie meint, was diese Begriffe bedeuten dürften, sondern darum genau zuzuhören, was sie für die Leidtragenden in diesem Kontext bedeuten und weshalb man sie verwendet. Es hat niemand im Nachhinein von Außen zu kritisieren, wie unpassend aber doch Begriffe inzwischen sind, weil sie nach der eigenen begrenzen Vorstellung ihrer Bedeutung als wissenschaftlich unbelegt und untragbar erscheinen. Die Debatte um Wissenschaftlichkeit an dieser Stelle entmenschlicht die Opfer erneut und nimmt ihnen das Recht auf den würdevollen Umgang. Sprache ist primär zum Ausdruck des Empfindens und zur Kommunikation erlebter Realität da und richtet sich nicht nach dem Stand der Berechnung von Menschen!

    Es braucht keinen Diskurs, wie man etwas vielleicht viel besser hätte bezeichnen müssen, weil manche sich die Welt schön malen wollen und Angst haben, Menschen könnten wirklich so kontrollierbar und steuerbar sein. Es hat einen Grund, dass Opfer Dinge so und nicht anders bezeichnen und alle, die die Gewalt nicht in ihren Auswirkungen erlebt haben, haben die Finger von ihrem sprachlichen Ausdruck zu lassen, weil sie den emotionalen Inhalt, der auf der bitteren Realität basiert nicht erfassen!

  3. wow, ich bin unglaublich berührt. Ich bin selbst überlebende s*xueller gewalt und informiere mich aktuell viel über rituelle gewalt. Es ist unglaublich stark, was ihr hier schreibt & ich danke euch, dass ihr uns so einblicke gebt, für die die es nicht erlebt haben & dennoch unterstützen wollen.

    euer text hat mir persönlich auch geholfen, da ich häufig probleme habe den begriff s*xuelle gewalt für mich anzunehmen, da ja auch leider da vorurteile herrschen was denn nun ‚richtiger‘ m*ssbrauch ist und was nicht. Aber ihr habt recht, niemand der das nicht erlebt hat, hat das recht, uns vorzuschreiben, wie wir es zu nennen haben!

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