Systemleichen – wenn Gesellschaftsstrukturen töten

Die Kaffeemaschine rattert. Mein Blick starrt in den leeren Kühlschrank. „Was wollte ich noch gleich?“ Über die Wangen laufen Tränen. Der Tod nimmt mich mit. Meine Gedanken schweifen zu den gewaltbetroffenen Menschen in meinem Umfeld, die sterben mussten, weil es keine Hilfe gab oder sie zu spät kam. Wut schießt mir zwischen die Trauer in die Kehle. Ich lese immer wieder Beiträge mit dem O-ton: „Betroffene müssen halt etwas tun wollen und für sich kämpfen, dann kann man alles erreichen. Rechte müssen eben eingefordert werden. Von außen kann das niemand für sie machen. Wer es nicht schafft und anpackt, will Veränderung eben nicht genug.“ Das hohe Ross der Gesellschaft macht selbst vor der Überheblichkeit  Gewaltbetroffener nicht halt, die anfangen auf andere Opfer nach unten zu treten, sobald sie etwas an Leistungen für sich erreicht haben. „Die müssten halt… Ich hab es ja auch geschafft.“ Nein „die“ müssten nicht! Die Gesellschaft müsste. Was und weshalb erklärt der folgende Beitrag:


Der Tod von Gewaltbetroffenen kann im direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Gewalttaten stehen. Der direkte Kontext betrifft sowohl vorsätzliche Tötungsdelikte, als auch ein Versterben nach der Tat in Folge zugefügter Verletzungen. Im indirekten Zusammenhang müssen sowohl Selbstverletzungen und Suizide beleuchtet, als auch körperliche Spätfolgen aufgrund des traumabedingten dauerhaft erhöhten Stresspegels einbezogen werden. Die Suizidrate bei PTBS Patienten ist laut einer dänischen Studie 13 Mal höher, als in der Normalbevölkerung. 27 Prozent der Menschen mit einfacher PTBS unternehmen einen Suizidversuch. Bei komplexer PTBS unternehmen laut einer weiteren Studie sogar rund 71 Prozent der Patienten mindestens einen Suizidversuch. 35 Prozent haben mehr als zwei Versuche in der Biographie. Eine Studie der London University gibt an, dass es im Durchschnitt vom Ausbruch der PTBS-Symtomatik bis zum Versterben am Suizid bei den Betroffenen weniger als 2,5 Jahre dauerte. Zudem konnte ein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Dissoziation und der Wahrscheinlichkeit eines Suizdes gefunden werden. Leider wird bislang in Deutschland nicht statistisch erfasst, wie viele versuchte und vollzogene Suizide im Zusammenhang mit posttraumatischen Störungsbildern stehen. Belegt ist aus Studien jedoch, dass es diesen Zusammenhang gibt. Es handelt sich bei einer (k)PTBS um eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung! Alle Täter bringen Ihre Opfer mit der Tat also in darüber hinaus anhaltende Lebensgefahr, egal wie viel Gewalt sie selbst währenddessen zusätzlich anwenden! Falsch oder nicht diagnostiziert und als Gewaltopfer erkannt zu werden sowie keine oder nicht ausreichend Hilfe zu erhalten führt in der Realität aufgrund der Traumafolgen sehr oft zum Tod der Betroffenen!

Abgesehen von der aktuell insgesamt mehr als mangelhaften Versorgung mit qualifizierten, traumatherapeutisch geschulten Fachkräften im Gesundheitssystem hilft es insbesondere Opfern organisierter Gewaltsysteme überhaupt nichts, wenn wir einfach Anlaufstellen einrichten, an die sich die Opfer selbstständig wenden müssen. Denn das ist vielen neben der persönlichen Konstitution aufgrund der Traumafolgen und Tatkontexte gar nicht möglich! Das fängt schon damit an, dass lange nicht jeder Betroffene über die kognitiven Vorraussetzungen verfügt, um sich selbstständig über seine Rechte informieren zu können und sie einzufordern. Bei langanhaltender und frühkindlicher Gewalt leiden diese Fähigkeiten in der Regel! Dazu kommt, dass die Traumafolgestörungen massiv darin behindern ein normales Leben zu führen, alle Kräfte rauben und es selbst bei ausreichender Verstandesleistung unmöglich machen, sich Hilfe aktiv selbst zu holen. Die Betroffenen KÖNNEN nicht, auch wenn sie noch so sehr wollen. Jeder von ihnen kämpft für sich so gut er kann. Die meisten haben mehr als einen Versuch unternommen, um ihre missliche Lage und Täterstrukturen zu verlassen und sind immer wieder an unserer Gesellschaft und den Strukturen gescheitert. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Man ist in manchen Lebensphasen schlicht nicht in der Lage diese Anforderungen zu erfüllen.

Traumatisierung ist eine lähmende Erkrankung. Sie legt Funktionen im gesamten Organismus auf Eis. Ausdruck dieser Lähmung sind vielfältige Einschränkungen, den Alltag bewusst nach freiem Willen zu gestalten. Je nach Ausprägung können die „Lähmungserscheinungen“ unterschiedlich stark auf verschiedenen Ebenen bei der Lebensführung beeinträchtigen. Immer wieder verlangt die Gesellschaft von Gewaltopfern, dass sie sich aus ihrer „Opferhaltung“ begeben mögen, ihre Rechte einfordern, Therapie machen, aus Täterkreisen aussteigen und in ein nach Außen möglichst normales Leben finden. Das Problem dabei: Um dem gerecht werden zu können, braucht es zumindest einen Teil von unverletzten Basisfunktionen, die die Betroffenen überhaupt erst zu eigeninitiiertem Handeln befähigen. Das ist nach machen Tatkontexten nicht mehr der Fall! Immer wieder erlebe ich aktuelle Strukturen für komplex traumatisierte Gewaltopfer so, als würde man einem Tetraplegiker sagen, er möge doch einfach nach dem Kaffee greifen und trinken. Arme sind ja noch dran und grundsätzlich wären die Ressourcen in seinem Umfeld ja vorhanden. Er wird es nicht bis dahin schaffen! Er ist darauf angewiesen, dass Ressourcen zu ihm kommen oder ihn zumindest jemand freiwillig dabei unterstützt bis zu den Hilfen zu kommen. Je nach Ursache der Lähmung, wird er mit Physiotherapie vielleicht trotzdem einiges an Eigenständigkeit zurückgewinnen. Soweit kommt er aber gar nicht erst ohne entsprechende Unterstützung!

Menschen, die aus organisierten und ritualisierten Tatkontexten aussteigen und heilen wollen, geht es oft genau so. Was nützt die Beratungsstelle, wenn man gar nicht so weit kommt oder die Sprachfähigkeit über das erlittene Grauen so gelähmt ist, dass man bei allem Willen und Kampfgeist nicht mehr selbstständig sichtbar machen KANN, was passiert ist und was man benötigt.

Mich stört diese Verschiebung von gesellschaftlicher Verantwortung extrem. Wir müssen alle hinschauen, Zeichen für Traumatisierung lesen lernen, genau so wie wir Rollstühle als Zeichen für andere Einschränkungen erkennen, Hilfen aktiv anbieten und Trauma nicht weiter eine unsichtbare Behinderung sein lassen. Das kostet Menschenleben!

Will man aus der organisierten Gewalt aussteigen, muss man sich mit einem ganzen Berg neuer, struktureller Gewalt befassen und sie als Preis über sich ergehen lassen. Man wechselt von einem Gewaltsystem ins selbsternannte bessere Gewaltsystem und hat neue Anforderungen zu erfüllen, die man mit dem Hintergrund nicht lösen kann. Wohl oder übel ist man ein weiteres Mal gezwungen sich nickend und lächelnd von Sachbearbeitern und Ämtern über alle eigenen Grenzen der Sicherheit und Belastbarkeit treiben zu lassen, wenn man nicht auf er Straße sitzen will. „Einfach den Antrag ausfüllen.“ „Bitte einfach XY einreichen.“ „Da bräuchten wir noch von den Eltern.“ „Das müssten sie uns schon beweisen, wenn sie Leistungen erhalten wollen.“ „Sie haben die Möglichkeit ihr Recht einzuklagen.“ Nein, die Möglichkeit habe ich nicht, weil mein gewaltgeschädigtes Gehirn und mein Körper mich dann umbringen. Weil ich die Kraft nicht habe. Weil ich es nicht mal schaffe den Stift in die Hand zu nehmen, wenn ich nicht in der dadurch ausgelösten Retraumatisierung zu Grunde gehen will. Weil der psychische Druck, den das Gesellschaftssystem auch in Ämtern und Behörden gegen Betroffene aufbaut, erst mal keine „sozialen Hilfeleistungen“ sind, sondern permanenter Psychoterror und Existenzangst. Weil die Angst, die eigenen Kräfte übersteigenden Anforderungen von Außen irgendwann nicht mehr aufbringen zu können, einen permanent im Nacken sitzt und mit jeder Frist wird sie schlimmer und realer. Weil man Hilfe bräuchte, noch bevor man sie beantragt, weil man ohne Hilfe keine Anträge stellen kann. Die Liste lässt sich fast endlos fortsetzen. Im vermeintlich Guten steckt oft noch so viel Arroganz. Mit dem Ausstieg wird häufig erst einmal vieles nicht besser, sondern es kommen weitere Belastungen dazu. Man muss sich in einer neuen Welt zurecht finden, die an vielen Stellen bei allen Bemühungen sich anzupassen, gar nichts von einem wissen will. Das ist eine Erfahrung die einen zusätzlich zerbrechen lässt.

Ich weiß, wie oft ich selbst über Anträgen fast aufgegeben hätte, wie viele Suizidversuche ich alleine durch Behördenkram ausgelöst unternommen habe, weil ich in voller Verzweiflung nicht mehr weiter wusste. Sprechen über die Hintergründe ging nicht oder nicht ausreichend, Täter saßen mir im Nacken, im Außen ging nichts vorwärts und wenn sich etwas tat, dann oft genug so, dass es mich berechtigt in Todesangst versetzt hat und ich gebetet habe, dass meine Daten sicher bleiben und niemand einfach jemanden anschreibt, weil man das halt im Sinne der Mitwirkungspflichten so machen muss. Mehr als einmal ging es auf meine Kosten schief, weil man halt dachte…

Liebe Gesellschaft, der erste Schritt, den ihr oft so vermeintlich großmütig einfordert, kam längst von den Betroffenen! Sie halten euch jeden Tag die Hand hin und machen auf ihre Situation aufmerksam. Meist werden sie ausgelacht, nicht ernst genommen und abgewiesen. Das was ihr als „Kleinigkeiten“ oder machbare Anforderungen seht, sind für die Opfer organisierter und extremer Gewalt oft unüberwindbare Hürden, die eine Vielzahl von Menschenleben kosten! Viele werden es nie auch nur in die Nähe einer Beratungsstelle schaffen, geschweige denn einen Antrag ausfüllen und Rechte einfordern, wo ihnen jeder eigene Wille von den Tätern schon lange aus dem Leib gepeitscht worden ist! Rechte sind übrigens keine wirklich vorhandenen Rechte, wenn man sie einfordern muss! Was in der Gesellschaft selbstverständliches Recht ist, muss man nicht einklagen. Derzeit leben die Opfer organisierter Gewalt mitten in Deutschland in einem (menschen)rechtsfreien Raum! Es gibt keine Struktur, die ihre Bedürfnisse aufgreift. Das ist ein massives Problem! Es ist an der Zeit, dass geeignete Hilfen zu den Opfern kommen und die Bittstellerei an die Bequemlichkeit der nicht Betroffenen ein Ende hat! Wir brauchen Herz – mehr als den Verstand.

Jede und jeder Tote sind eine und einer zu viel! Ich bin traurig. In all der Misere hatte ich unglaubliches Glück, heute noch hier zu sitzen und mich ausdrücken zu können. Heilung und die Möglichkeit auf ein sicheres Leben darf kein Glücksfall sein!

Quellen:

https://www.bundestag.de/resource/blob/490504/8acad12ffbf45476eecdfeff7d6bd3f4/wd-9-069-16-pdf-data.pdf

https://www.mdpi.com/2077-0383/13/3/673#:~:text=About%2071.4%25%20of%20patients%20with,had%20more%20than%20two%20attempts.

https://www.ptsduk.org/suicide-amongst-people-with-ptsd/

6 Kommentare zu “Systemleichen – wenn Gesellschaftsstrukturen töten

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  2. Liebe Sofie,
    Danke für diesen wichtigen Beitrag. Wir haben uns erlaubt ihn auf unserem Blog zu rebloggen, weil er uns aus dem Herzen spricht einerseits und anderseits, weil wir aktuell und auch später wohl niemals solche treffenden Worte finden könnten. Wir hoffen, das ist in Ordnung.
    Ganz herzlichen Dank und Allerbeste Grüße 💖🍀
    „Benita“

    • Natürlich ist das ok! Wir freuen uns sehr, dass ihr ihn für euch so treffend findet. Ganz liebe Grüße und schön an dieser Stelle wieder von euch zu hören! Seit wir nicht mehr so oft hier mitschreiben, bleibt der Austausch leider völlig auf der Strecke.

  3. Hallo liebe Sophie,

    ich finde, du beschreibst sehr treffend, wie schwierig es für manche durch fortgesetzte schwere Gewalt traumatisierte Menschen sein kann, dringend notwendige finanzielle und andere Hilfen zu bekommen, weil es in Deutschland erforderlich ist, solche Hilfen zu beantragen und in dem Kontext auch der Nachweis gefordert wird, dass der beantragende Mensch berechtigt ist, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen, zumindest dann, wenn sie Geld kostet. Und du forderst, wie ich finde zurecht, dass es diesen Menschen leichter gemacht werden sollte, angemessene Hilfen zu bekommen.

    Hast du konkrete Vorschläge, wie es ganz praktisch anders besser funktionieren könnte?

    liebe Grüße

    Judith

  4. Hallo liebe Sofie

    Wir lesen deinen Blog schon seit langer Zeit immer still mit, haben aber noch nie einen Kommentar geschrieben. Aus Angst, aus Scham usw. Aber, jetzt, in unserer neuen Situation ist es eh egal. Hier mal ein Beispiel, was wir gerade erleben:

    Wir haben um uns gekämpft, haben es geschafft in das Hilfesystem unseres Bundeslandes einzusteigen. Das ist sehr viele Jahre her.
    Über den Sozialpsychiatrischen Dienst (SpD) und das Sozialamt (Kostenträger) sind wir ins Betreute Einzelwohnen eines Trägers gekommen. Wir haben dort sehr gute Erfahrungen machen können und Hilfe bekommen, Menschen kennengelernt die uns akzeptieren wie wir sind und einfach wohlwollend menschlich sind.
    Im Verlauf der Betreuung wurde unserer Betreuerin und uns deutlich, dass wir noch immer im Täterkreis hängen und die Gewalt permanent weiter geht. Daraufhin wurde uns vom Träger Hilfe beim äußeren und inneren Ausstieg angeboten und es formierte sich um uns ein Ausstiegsteam. Wir mussten nur das „go- jetzt!“ geben. Das haben wir mit der Kraft der völligen Verzweiflung und Wahl zwischen weiter Leben oder sterben auch getan. Wir haben das Angebot angenommen.

    Unser Helferteam hat alles organisiert. Wir haben eine neue unbekannte Wohnung bezogen, eine andere, geheime Meldeadresse bekommen, unter der natürlich nicht unsere Wohnung war. Das Team bestand aus fünf, sechs Menschen die direkt mit uns arbeiteten und weiteren Helfern aus dem Träger, die als sicher eingestuft wurden. Zu Beginn des äußeren Ausstiegs war unser Team quasi rund um die Uhr für uns da. Das ganze wurde vorher mit dem Sozialamt als Kostenträger besprochen und von denen auch genehmigt.
    Wir haben auf diese Weise den äußeren Ausstieg geschafft und mit unserem Helferteam am Inneren gearbeitet. Persönlichkeiten wurden kennengelernt Vertrauen aufgebaut, sie wurden über die neue Situation aufgeklärt und viele Programme wurden gestoppt. Extreme und harte Arbeit für alle Beteiligten. Der Täterkreis hatte ganze Arbeit geleistet und trotzdem waren wir nach langer Zeit auf einem guten Weg…

    Nach zwei Jahren fand eine erneute Begutachtung durch den SpD statt und dann, mit dem neuen Bewilligungsbescheid, platze die Bombe. Die Hilfe sollte vom Zeitaufwand massiv eingeschränkt werden, unsere Diagnosen wurden angezweifelt und in einem Nebensatz fand sich die Anordnung vom SpD, dass wir den Träger wechseln müssen, da der jetzige als nicht geeignet für die Arbeit mit uns angesehen wird. Nach acht Jahren insgesamt bei diesem Träger fällt ihnen das auf…
    Wir sollten alles verlieren, was wir hatten. Unsere Unterstützung, unser Zuhause, unser bekanntes und mittlerweile vertrautes Alltagsleben.
    Wir haben unseren letzten Kräfte zusammengenommen, haben gekämpft und wollten nicht klein bei geben. Nebenbei erfuhren wir, dass nicht nur wir von dieser Entscheidung betroffen sind, sondern noch drei weitere im Ausstieg befindliche Viele- Menschen, von unserem Träger.
    Wir haben Widerspruch eingelegt, mehrfach, und zusätzlich eine Anwältin eingeschaltet. Alles umsonst, die zuständigen Kostenträger änderten die Entscheidung nicht.

    Wir sind daraufhin auf der Intensivstation und dann viele Wochen in der geschlossenen Psychiatrie gelandet. Die Kraft war am Ende. Und dann bekamen wir von einer leitenden Angestellten des Sozialamts auch noch die Aussage, dass die vergangene Hilfe Steuergeldverschwendung war. Was soll man da noch denken und sagen? Der Ausstieg- Steuergeldverschwendung. Also ist ein Menschenleben nichts Wert, wenn es kostet?

    In der Psychiatrie fand der gewünschte Trägerwechsel statt. Jetzt haben wir einen Träger, der sich angeblich mit Ausstieg und Viele- Menschen auskennt. Unsere neuen beiden BetreuerInnen haben davon jedoch leider gar keine Ahnung. Weder von DIS noch von einer kPTBS. Und sie zeigen auch keine Bemühung, sich auf uns einzulassen.
    Wir sind am Ende. Ohne unsere Ergotherapeutin und auch unser altes Ausstiegsteam, zu denen wir immer noch (heimlich) Kontakt haben, wären wir schon nicht mehr.
    Und das Sozialamt schmeißt weiter mit Knüppeln um sich. Jetzt mussten wir uns auf unsere richtige Adresse ummelden. Damit sind wir auch am Klingelschild für den Täterkreis zu finden.
    Die Namensänderung, die wir während des Ausstiegs in Angriff genommen haben, lässt auf sich warten, weil unsere finanziellen Mittel ausgeschöpft sind. Die wäre auch viel günstiger ausgefallen wenn wir die Täter angezeigt hätten…

    Was wir mit diesem langen Text sagen wollen: selbst wenn man es schafft, sich Hilfe in diesem System zu organisieren, ist sie nicht sicher, weil man in die Hölle der Abhängigkeit von Kostenträgern und deren Befindlichkeit kommt.

    Wie es bei uns weiter geht? Wir sind am Ende, haben wahnsinnige Angst und merken, wie unser Innensystem wieder zerfällt. Vielleich werden wir auch als Systemleiche enden. Wer weiß? Aber noch ist da noch ein Funke Hoffnung, dass es noch andere Möglichkeiten und Wege für uns gibt.

    Danke für deinen Artikel und deine Aufklärungsarbeit. Wir lesen dich weiter!
    Liebe Grüße

  5. Hallo liebe Sofie

    Wir lesen deinen Blog schon seit langer Zeit immer still mit, haben aber noch nie einen Kommentar geschrieben. Aus Angst, aus Scham usw. Aber, jetzt, in unserer neuen Situation ist es eh egal. Hier mal ein Beispiel, was wir gerade erleben:

    Wir haben um uns gekämpft, haben es geschafft in das Hilfesystem unseres Bundeslandes einzusteigen. Das ist sehr viele Jahre her.

    Über den Sozialpsychiatrischen Dienst (SpD) und das Sozialamt (Kostenträger) sind wir ins Betreute Einzelwohnen eines Trägers gekommen. Wir haben dort sehr gute Erfahrungen machen können und Hilfe bekommen, Menschen kennengelernt die uns akzeptieren wie wir sind und einfach wohlwollend menschlich sind.

    Im Verlauf der Betreuung wurde unserer Betreuerin und uns deutlich, dass wir noch immer im Täterkreis hängen und die Gewalt permanent weiter geht. Daraufhin wurde uns vom Träger Hilfe beim äußeren und inneren Ausstieg angeboten und es formierte sich um uns ein Ausstiegsteam. Wir mussten nur das „go- jetzt!“ geben. Das haben wir mit der Kraft der völligen Verzweiflung und Wahl zwischen weiter Leben oder sterben auch getan. Wir haben das Angebot angenommen.

    Unser Helferteam hat alles organisiert. Wir haben eine neue unbekannte Wohnung bezogen, eine andere, geheime Meldeadresse bekommen, unter der natürlich nicht unsere Wohnung war. Das Team bestand aus fünf, sechs Menschen die direkt mit uns arbeiteten und weiteren Helfern aus dem Träger, die als sicher eingestuft wurden. Zu Beginn des äußeren Ausstiegs war unser Team quasi rund um die Uhr für uns da. Das ganze wurde vorher mit dem Sozialamt als Kostenträger besprochen und von denen auch genehmigt.

    Wir haben auf diese Weise den äußeren Ausstieg geschafft und mit unserem Helferteam am Inneren gearbeitet. Persönlichkeiten wurden kennengelernt  Vertrauen aufgebaut, sie wurden über die neue Situation aufgeklärt und viele Programme wurden gestoppt. Extreme und harte Arbeit für alle Beteiligten. Der Täterkreis hatte ganze Arbeit geleistet und trotzdem waren wir nach langer Zeit auf einem guten Weg…

    Nach zwei Jahren fand eine erneute Begutachtung durch den SpD statt und dann, mit dem neuen Bewilligungsbescheid, platze die Bombe. Die Hilfe sollte vom Zeitaufwand massiv eingeschränkt werden, unsere Diagnosen wurden angezweifelt und in einem Nebensatz fand sich die Anordnung vom SpD, dass wir den Träger wechseln müssen, da der jetzige als nicht geeignet für die Arbeit mit uns angesehen wird. Nach acht Jahren insgesamt bei diesem Träger fällt ihnen das auf…

    Wir sollten alles verlieren, was wir hatten. Unsere Unterstützung, unser Zuhause, unser bekanntes und mittlerweile vertrautes Alltagsleben.

    Wir haben unseren letzten Kräfte zusammengenommen, haben gekämpft und wollten nicht klein bei geben. Nebenbei erfuhren wir, dass nicht nur wir von dieser Entscheidung betroffen sind, sondern noch drei weitere im Ausstieg befindliche Viele- Menschen, von unserem Träger.

    Wir haben Widerspruch eingelegt, mehrfach, und zusätzlich eine Anwältin eingeschaltet. Alles umsonst, die zuständigen Kostenträger änderten die Entscheidung nicht.

    Wir sind daraufhin auf der Intensivstation und dann viele Wochen in der geschlossenen Psychiatrie gelandet. Die Kraft war am Ende. Und dann bekamen wir von einer leitenden Angestellten des Sozialamts auch noch die Aussage, dass die vergangene Hilfe Steuergeldverschwendung war. Was soll man da noch denken und sagen? Der Ausstieg- Steuergeldverschwendung. Also ist ein Menschenleben nichts Wert, wenn es kostet?

    In der Psychiatrie fand der gewünschte Trägerwechsel statt. Jetzt haben wir einen Träger, der sich angeblich mit Ausstieg und Viele- Menschen auskennt. Unsere neuen beiden BetreuerInnen haben davon jedoch leider gar keine Ahnung. Weder von DIS noch von einer kPTBS. Und sie zeigen auch keine Bemühung, sich auf uns einzulassen.

    Wir sind am Ende. Ohne unsere Ergotherapeutin und auch unser altes Ausstiegsteam, zu denen wir immer noch (heimlich) Kontakt haben, wären wir schon nicht mehr.

    Und das Sozialamt schmeißt weiter mit Knüppeln um sich. Jetzt mussten wir uns auf unsere richtige Adresse ummelden. Damit sind wir auch am Klingelschild für den Täterkreis zu finden.

    Die Namensänderung, die wir während des Ausstiegs in Angriff genommen haben, lässt auf sich warten, weil unsere finanziellen Mittel ausgeschöpft sind. Die wäre auch viel günstiger ausgefallen  wenn wir die Täter angezeigt hätten…

    Was wir mit diesem langen Text sagen wollen: selbst wenn man es schafft, sich Hilfe in diesem System zu organisieren, ist sie nicht sicher, weil man in die Hölle der Abhängigkeit von Kostenträgern und deren Befindlichkeit kommt.

    Wie es bei uns weiter geht? Wir sind am Ende, haben wahnsinnige Angst und merken, wie unser Innensystem wieder zerfällt. Vielleich werden wir auch als Systemleiche enden. Wer weiß? Aber noch ist da noch ein Funke Hoffnung, dass es noch andere Möglichkeiten und Wege für uns gibt.

    Danke für deinen Artikel und deine Aufklärungsarbeit. Wir lesen dich weiter!

    Liebe Grüße

    Schmetterlingsbande

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