Trauma und Tagesstruktur

Das Leben folgt aus sich heraus gesunden Rhythmen. Sie geben uns Sicherheit und Verlässlichkeit. Machen Abläufe berechenbar. Herzschlag und Atmung oder Schlafen und Wachen sind Beispiele für Rhythmen, um die sich menschliches Leben ganz automatisch organisiert. Wir brauchen diese Orientierung als eine Art inneren Leitfaden. Die Tagesstruktur passt sich optimaler Weise inneren Rhythmen an und lässt uns so ein erfülltes Leben im Einklang mit unserer Biologie führen.

Ein Trauma ist wider die Natur und verstößt gegen alle gesunden inneren Rythmen. Es wirft uns aus der Bahn. Bringt uns aus dem Takt. Plötzlich. Unvorhergesehen. Die Orientierung geht verloren. Grundsicherheiten und Verlässlichkeiten werden uns entrissen. Wir erkennen es instinktiv als lebensfeindliche Struktur. Oft bedeutet es einen längeren Kampf, um danach vertrauensvoll in den eigenen Lebensrhythmus zurückzufinden.

Im Leben von Traumapatienten zeigen sich „Rhythmusverschiebungen“ an den unterschiedlichsten Stellen. Das kann sich in einem gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus ebenso zeigen, wie dem Verlust der Tagesstruktur oder der Essensaufnahme und kann alle Bereiche des Lebens betreffen. Welche Struktur soll ich wählen, wenn auf meine kein Verlass zu sein scheint und sie mich nicht sichert? Manche neigen in Folge eher zu zwanghafter Überstrukturierung, andere verlieren jede Regelmäßigkeit oder schwanken zwischen beiden Extremen, wobei ich selbst das Schwanken als gesunden Kalibrierungsversuch einordnen würde. Gesundes Leben bewegt sich und steht nicht starr.

In Therapien wird oft versucht den „Rhythmusstörungen“ mit einer von außen aufgesetzten Tagesstruktur beizukommen. Für uns war das lange gar nicht machbar. Es triggert. Das Trauma setzt sich zwanghaft in den eigenen Alltag und der Therapeut tut es mit seinen Planungsmaßnahmen ebenso. Wie kann also gesunde Neuordnung von Innen heraus passieren? Wie kann sich mein Leben MEINEN Rhythmus zurückerobern? Für uns hat das viel mit der Beobachtung innerer Bedürfnisse zu tun. Was will ich, was will ich nicht? Was brauche ich? Was triggert mich daran, das wahrzunehmen und hält mich entsprechend davon ab, mich meinen inneren Impulsen anzuvertrauen?

Strukturierung von Außen kann als Impuls hilfreich sein, wenn sie nicht zu starr ist und sich den eigenen Bedürfnissen spontan anpassen lässt. Ich erlebe es als enorm heilsam, in ganz kleinen Schritten zu bemerken, dass es in mir trotz allem immer noch eine eigene innere Ordnung gibt, die ich mir langsam zurückerobere. Uber meinen Atem, weil ich mir Räume zum Durchatmen schenke. Indem ich mehr und zu anderen Zeiten schlafe, einfach weil ich es brauche. Indem ich Esse was und wann es mir passt. Probiere. Spiele. Versuche und irre. Das einzige Korsett in das ich mich noch pressen lassen möchte, ist mein Herzschlag. Alles andere ist mein Heilungsweg und es geht niemanden etwas an, was sich für mich gut und richtig anfühlt! Wann ich arbeite und wann ich ruhe. Ich lebe mit meinen Wunden in meinem Rhythmus.

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