
Bild von Алина Осипова auf Pixabay
Vergnügt kletterte sie in den Ästen des alten Nussbaumes umher. Mit Menschen war sie eher ängstlich und zurückhaltend. Die Natur jedoch lockte die Räubertochter aus ihr heraus. In den Flüssen und Bächen bastelte sie kleine Staudämme aus Steinen. Mit Pfeil und Bogen spielte sie Indianer und fesselte den Nachbarsjungen, was ihr nicht nur einmal Ärger aufhäufte. Gespannte Grashalme brachte sie zwischen ihren Fingern zum Schwingen. Das machte einen eigenartig quietschenden Ton und kribbelte an den Lippen. Manchmal musste sie dann kichern. Ihre Gedanken waren frei, so frei, dass sie in der Schule kaum zu zähmen waren. Immer war sie überall und nirgends, doch nie richtig da. „Was soll aus dir nur werden?“, grübelten die Erwachsenen und weil sie die Frage so oft stellten, beschloss sie Versagerin zu sein.
Einmal hörte sie zufällig eine Geschichte. Eine Dame erzählte von ihrem Besuch bei einem Schamanen im Regenwald. Der unternahm eine geheimnisvolle Reise um Menschen zu helfen sich selbst zu finden. Dabei schwang er sich wie im Vogelflug mit seinem Herzen in andere Welten. Aus dem Mädchen war inzwischen eine junge Frau geworden. Nirgends fasste sie wirklich Fuß im Leben. Von den Schilderungen war sie so fasziniert, dass sie in ihrem Kopf den Rauch einer Pfeife aufsteigen sehen konnte, wenn sie daran dachte. Eine Trommel erklang und dann erinnerte sich etwas in ihr. Ihre Seele reiste zurück in die Zeit in den Bäumen, das lustige Spiel in den Wäldern, die Wesen, die ihr dort begegnet waren und ihre Fähigkeit diese Welt aus einer ganz besonderen Perspektive zu betrachten. „Ich habe meine Gaben“, flüsterte sie für sich. Und plötzlich gab es einen Platz für sie. Aus ihrer unverstandenen Zerstreutheit wurden kreative Lösungen und in der Nähe zur Natur half sie Menschen sich selbst zu finden, so wie sie sich selbst einst dort wiedergefunden hatte.

BILDQUELLE: PIXABAY, BEARBEITET VON Christiane
Wer bei den bunten Schreibideen und ABC-Etüden teilnehmen möchte, findet alle wichtigen Informationen bei Christiane vom „Irgendwas ist immer“-Blog.
Anmutig und berührend!
Dankeschön! 🙂
Gerne.
So viel steht und fällt damit, dass man weiß/versteht, wer/was man ist (und wer/was nicht). Danke dir, das ist wunderschön.
Liebe Grüße
Christiane
Sehr schön und berührend!
Sehr schöne Parabel.
Vielen Dank!
Zauberhaft. Danke für diesem Glücksmoment.
oh mein Gott…rettet dem Dativ! „diesen“ natürlich 😉
Gerne! Es freut mich, wenn ich daran mitwirken konnte. 🙂
Als wäre es eine selbsterlebte Geschichte. Eine Freude, dass du jetzt mitschreibst!
Nicht ganz, aber man schwingt als Schreiberin wohl immer irgendwo durch. 😃 Schön, dass du uns die Etüden gezeigt hast!
Wie schön… sehr berührend!
Dankeschön! 🤗
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Die Geschichte erinnert uns an uns selbst.
Nur dass wir unseren Platz für uns und unser Sein nie gefunden haben.
Nicht wirklich.
Wir sind immer noch die Zerstreuten, über die man den Kopf schüttelt und die anecken.
Um so mehr hat uns die Geschichte hier gefallen…
Danke!
Wie schön beschrieben. Sehr inspirierend.
Grüße, Katharina