
Ich sitze im Café. Vor mir bewegt sich das stille Wasser im Glas. Auf der angrenzenden Hauptstraße fahren die Autos vorbei. Der Wind im Schatten ist kühl und doch erträglich. Drinnen sitzen kommt nicht in Frage. Ungeimpft. Ungetestet. Aus medizinischen Gründen zu denen auch unser Trauma zählt. Über die neuen Regelungen kann ich mich kaum aufregen. Wir kennen Ausgrenzung unser Leben lang, nur die Gründe und Rechtfertigungen haben sich immer wieder geändert. Nun aber wollen wir die Herbstsonne genießen. Etwas, was uns niemand verbieten kann.
Zigarettenrauch zieht in unsere Nase. Aus der Ferne duftet Kaffee um die frisch bepflanzte Häuserecke. Vom Pappaufsteller über das Bäckerhandwerk lacht uns in großen Schreibschrifftlettern das Wort „Liebe“ entgegen. Den Weg nach Hause laufen wir zu Fuß zurück. Etwas Bewegung tut unseren verspannten Muskeln gut. Die Wegwarte leuchtet mit ihren blauen Augen vom Wegesrand entgegen. Schlendernd blicken wir über Gartenzäune, werden von Rosenduft betört, lauschen den Vögeln im Obstbaum und sammeln etwas Leben. Manches Laub beginnt bereits sich zu färben. Kurz vor meiner Wohnung dringen laute Radionachrichten an mein Ohr. „Schnell weiter“, denke ich. „Ich will gar nicht wissen, was los ist.“
Vor der Haustüre bleibe ich stehen. Ich atme tief durch und spüre die Angst in der Enge meiner Wohnung meinen Gedanken wieder näher zu kommen. Irgendwie scheinen sie in der Weite des freien Himmels oft leichter erträglich. Sie mischen sich bunter, wenn auch eine gewisse Schwere bleibt. Mein Bauch meldet Hunger und bald werden wir anfangen unser Mittagessen zu kochen. Der Samstag vergeht in Ruhe und in meinem Herzen fühle ich die Vielfalt. Alles darf sein. Jedes Gefühl.